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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Romane und Novellen als Weihnacht-gaben

Romane und Novellen als Weihnachtsgaben
j? aut Burg Bericht von

arabes Besondere und Ungewöhnliche weiß uns dieses Jahr der
Büchermarkt zu bieten. Greifen wir gleich mittenhinein in ti?
Fülle der Gaben! Da ist unter den Schweizerdichtern, die sich
ja seit Jahren einer stets zunehmenden Beliebtheit im deutschen
Leserpublikum erfreuen, einer der feinsten Köpfe und stillsten
Herzen: Heinrich Federer mit einer Erzählung, die er der
verwundeten Seele der heutigen Menschheit hinbreitet. Einen tröstlichen Finger¬
zeig will er geben, einen kleinen Finger nnr, "aber auch ein kleiner Finger kaun
richtig und weit, weithin zeigen!" Sein Buch "Spitzbube über Spitzbube"
(G. Grote, Berlin) malt die kraftvollen Schweizer zu Ausgang des 15. Jahr¬
hunderts und wird die große Verehrerschar Federers baß überraschen. Historisch
ist ja im Roman die -- große Mode, dem, die Ernsthaften im Lande kehren sich
gern ab von unserer krausen und grausen Gegenwart, weilen gern in ferngelebten
Zeitaltern. Da hat Willi Hirt, ein neuer Mann des Bergstadtverlages i"
Breslau, einen kosmischen Roman "Die Harmonie der Welt" geschrieben, welcher
Kepler als Helden und die Zeit eines Rudolf II., Tycho Brahe", Wallenstein Wohl
zu gestalten weiß. In fast dialogloser Beschreibung! Noch mehr als dieser
Dichter, nämlich ganz und gar auf jedes Zwiegespräch in seinem Roman verzichter
Kaspar Ludwig Merkl, ebenfalls ein neuer Mann, den der Dom-Verlag
in Berlin mit einem gehaltvollen Erstling "Die Geige in Gottes Hand" ein¬
führt. Es ist etwas Seltsames, fast Symbolisches um dieses stille und dabei doch
haudluugsreiche Buch von jenein Michel, der mit viel Ohrfeigen aufwuchs, ein
Lump wurde und hernach ein reicher und ein armer, 'letzlich ein beseligter Manu
war. Ein ungewöhnliches Buch, das ich unsern Umreisen und Halbstarken in
die Hand gegeben wissen möchte, allen jenen ein wenig haltlosen Burschen und
Mädchen, die in Kriegsjahren ohne Väterzucht der Mutter über den Kopf wuchsen,
jetzt der strammen militärischen und beruflichen Zucht vollends entbehren und auf
dem besten Weg sind, zu verlumpen. Ein höchst zeitgemäßes, erzieherisches Buch!

Zu den ungewöhnlichen Weihnachtsgaben zähle ich dann weiter das neu"
Buch von Hermann Horn, der einstmals die Meere als Matrose befuhr und
sich eine überaus scharfe Veobachtungs- und Schilderungsgabe mit nach Hause
brachte. "Tage um ein Schloß" (bei'Egon Fleischel, Berlin) sind wiederum er¬
füllt davon. Menschen ihrer Landschaft erleben wir hier und einen Künstler in¬
mitten, unbehaust. Neben diesen einstigen Matrosendichter stelle ich einen alten
Soldaten, den gleichfalls Egon Fleischel verlegt. Er heißt: Karl Goldmann,
geberdet sich als Satiriker und hat bisher erst einen Novellenband gebracht.
Nun gibt er in "Numa" den Roman eines Soldaten und einer Hündin 1915
im serbischen Feldzuge. Bücher von Tieren und über Tiere waren die gestrige
Mode, der viele nachliefen. Diese Dichtung reicht weit darüber hinaus, denn ihr
Schöpfer vereinfacht uns Welt, Mensch und Tier auf eine einfache Gleichung, die
an ein großes Werk der Weltliteratur gemahnen läßt, den Grimmelhausenschen
Simplizissimus. Mancher wird nicht mit den politischen Ansichten in "Unan"
einiggelm. Ebenso stehts mit dem dritten Roman aus der Spätkriegszeit "Das
Marienwunder" von Hans Christoph Kaergel, einem jungen Dichter.
Grethlein (Leipzig) hat ihn in den Kreis seiner Autoren gezogen. Ein geistig
beschränktes Mädchen in einsamem Wildwärtcrhäuschcu erlebt den Heldentod ihres
Bräutigams so überaus tief, daß es selber dem Wahnsinn verfällt und Vater,
Schwiegervater bis an dessen Rand bringt durch eindrucksstarke Phantasmagorien,
die jeden Leser überwältigen werden. Mitten da hinein spielt der Ausbruch der
Revolution im Walddorfc, wie ich ihn in solcher Plastik auf engstem Raume
auch noch nirgends gelesen habe. Prächtig eindringlich versteht Kaergel zu
schildern, auf eine ganz neue Art, die oft wie Offenbarung wirkt, ganz zeitlos
wird, Hier ist ein Werdender von großartigem Wurf!


Romane und Novellen als Weihnacht-gaben

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arabes Besondere und Ungewöhnliche weiß uns dieses Jahr der
Büchermarkt zu bieten. Greifen wir gleich mittenhinein in ti?
Fülle der Gaben! Da ist unter den Schweizerdichtern, die sich
ja seit Jahren einer stets zunehmenden Beliebtheit im deutschen
Leserpublikum erfreuen, einer der feinsten Köpfe und stillsten
Herzen: Heinrich Federer mit einer Erzählung, die er der
verwundeten Seele der heutigen Menschheit hinbreitet. Einen tröstlichen Finger¬
zeig will er geben, einen kleinen Finger nnr, „aber auch ein kleiner Finger kaun
richtig und weit, weithin zeigen!" Sein Buch „Spitzbube über Spitzbube"
(G. Grote, Berlin) malt die kraftvollen Schweizer zu Ausgang des 15. Jahr¬
hunderts und wird die große Verehrerschar Federers baß überraschen. Historisch
ist ja im Roman die — große Mode, dem, die Ernsthaften im Lande kehren sich
gern ab von unserer krausen und grausen Gegenwart, weilen gern in ferngelebten
Zeitaltern. Da hat Willi Hirt, ein neuer Mann des Bergstadtverlages i»
Breslau, einen kosmischen Roman „Die Harmonie der Welt" geschrieben, welcher
Kepler als Helden und die Zeit eines Rudolf II., Tycho Brahe", Wallenstein Wohl
zu gestalten weiß. In fast dialogloser Beschreibung! Noch mehr als dieser
Dichter, nämlich ganz und gar auf jedes Zwiegespräch in seinem Roman verzichter
Kaspar Ludwig Merkl, ebenfalls ein neuer Mann, den der Dom-Verlag
in Berlin mit einem gehaltvollen Erstling „Die Geige in Gottes Hand" ein¬
führt. Es ist etwas Seltsames, fast Symbolisches um dieses stille und dabei doch
haudluugsreiche Buch von jenein Michel, der mit viel Ohrfeigen aufwuchs, ein
Lump wurde und hernach ein reicher und ein armer, 'letzlich ein beseligter Manu
war. Ein ungewöhnliches Buch, das ich unsern Umreisen und Halbstarken in
die Hand gegeben wissen möchte, allen jenen ein wenig haltlosen Burschen und
Mädchen, die in Kriegsjahren ohne Väterzucht der Mutter über den Kopf wuchsen,
jetzt der strammen militärischen und beruflichen Zucht vollends entbehren und auf
dem besten Weg sind, zu verlumpen. Ein höchst zeitgemäßes, erzieherisches Buch!

Zu den ungewöhnlichen Weihnachtsgaben zähle ich dann weiter das neu«
Buch von Hermann Horn, der einstmals die Meere als Matrose befuhr und
sich eine überaus scharfe Veobachtungs- und Schilderungsgabe mit nach Hause
brachte. „Tage um ein Schloß" (bei'Egon Fleischel, Berlin) sind wiederum er¬
füllt davon. Menschen ihrer Landschaft erleben wir hier und einen Künstler in¬
mitten, unbehaust. Neben diesen einstigen Matrosendichter stelle ich einen alten
Soldaten, den gleichfalls Egon Fleischel verlegt. Er heißt: Karl Goldmann,
geberdet sich als Satiriker und hat bisher erst einen Novellenband gebracht.
Nun gibt er in „Numa" den Roman eines Soldaten und einer Hündin 1915
im serbischen Feldzuge. Bücher von Tieren und über Tiere waren die gestrige
Mode, der viele nachliefen. Diese Dichtung reicht weit darüber hinaus, denn ihr
Schöpfer vereinfacht uns Welt, Mensch und Tier auf eine einfache Gleichung, die
an ein großes Werk der Weltliteratur gemahnen läßt, den Grimmelhausenschen
Simplizissimus. Mancher wird nicht mit den politischen Ansichten in „Unan"
einiggelm. Ebenso stehts mit dem dritten Roman aus der Spätkriegszeit „Das
Marienwunder" von Hans Christoph Kaergel, einem jungen Dichter.
Grethlein (Leipzig) hat ihn in den Kreis seiner Autoren gezogen. Ein geistig
beschränktes Mädchen in einsamem Wildwärtcrhäuschcu erlebt den Heldentod ihres
Bräutigams so überaus tief, daß es selber dem Wahnsinn verfällt und Vater,
Schwiegervater bis an dessen Rand bringt durch eindrucksstarke Phantasmagorien,
die jeden Leser überwältigen werden. Mitten da hinein spielt der Ausbruch der
Revolution im Walddorfc, wie ich ihn in solcher Plastik auf engstem Raume
auch noch nirgends gelesen habe. Prächtig eindringlich versteht Kaergel zu
schildern, auf eine ganz neue Art, die oft wie Offenbarung wirkt, ganz zeitlos
wird, Hier ist ein Werdender von großartigem Wurf!


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[0321] Romane und Novellen als Weihnacht-gaben Romane und Novellen als Weihnachtsgaben j? aut Burg Bericht von arabes Besondere und Ungewöhnliche weiß uns dieses Jahr der Büchermarkt zu bieten. Greifen wir gleich mittenhinein in ti? Fülle der Gaben! Da ist unter den Schweizerdichtern, die sich ja seit Jahren einer stets zunehmenden Beliebtheit im deutschen Leserpublikum erfreuen, einer der feinsten Köpfe und stillsten Herzen: Heinrich Federer mit einer Erzählung, die er der verwundeten Seele der heutigen Menschheit hinbreitet. Einen tröstlichen Finger¬ zeig will er geben, einen kleinen Finger nnr, „aber auch ein kleiner Finger kaun richtig und weit, weithin zeigen!" Sein Buch „Spitzbube über Spitzbube" (G. Grote, Berlin) malt die kraftvollen Schweizer zu Ausgang des 15. Jahr¬ hunderts und wird die große Verehrerschar Federers baß überraschen. Historisch ist ja im Roman die — große Mode, dem, die Ernsthaften im Lande kehren sich gern ab von unserer krausen und grausen Gegenwart, weilen gern in ferngelebten Zeitaltern. Da hat Willi Hirt, ein neuer Mann des Bergstadtverlages i» Breslau, einen kosmischen Roman „Die Harmonie der Welt" geschrieben, welcher Kepler als Helden und die Zeit eines Rudolf II., Tycho Brahe", Wallenstein Wohl zu gestalten weiß. In fast dialogloser Beschreibung! Noch mehr als dieser Dichter, nämlich ganz und gar auf jedes Zwiegespräch in seinem Roman verzichter Kaspar Ludwig Merkl, ebenfalls ein neuer Mann, den der Dom-Verlag in Berlin mit einem gehaltvollen Erstling „Die Geige in Gottes Hand" ein¬ führt. Es ist etwas Seltsames, fast Symbolisches um dieses stille und dabei doch haudluugsreiche Buch von jenein Michel, der mit viel Ohrfeigen aufwuchs, ein Lump wurde und hernach ein reicher und ein armer, 'letzlich ein beseligter Manu war. Ein ungewöhnliches Buch, das ich unsern Umreisen und Halbstarken in die Hand gegeben wissen möchte, allen jenen ein wenig haltlosen Burschen und Mädchen, die in Kriegsjahren ohne Väterzucht der Mutter über den Kopf wuchsen, jetzt der strammen militärischen und beruflichen Zucht vollends entbehren und auf dem besten Weg sind, zu verlumpen. Ein höchst zeitgemäßes, erzieherisches Buch! Zu den ungewöhnlichen Weihnachtsgaben zähle ich dann weiter das neu« Buch von Hermann Horn, der einstmals die Meere als Matrose befuhr und sich eine überaus scharfe Veobachtungs- und Schilderungsgabe mit nach Hause brachte. „Tage um ein Schloß" (bei'Egon Fleischel, Berlin) sind wiederum er¬ füllt davon. Menschen ihrer Landschaft erleben wir hier und einen Künstler in¬ mitten, unbehaust. Neben diesen einstigen Matrosendichter stelle ich einen alten Soldaten, den gleichfalls Egon Fleischel verlegt. Er heißt: Karl Goldmann, geberdet sich als Satiriker und hat bisher erst einen Novellenband gebracht. Nun gibt er in „Numa" den Roman eines Soldaten und einer Hündin 1915 im serbischen Feldzuge. Bücher von Tieren und über Tiere waren die gestrige Mode, der viele nachliefen. Diese Dichtung reicht weit darüber hinaus, denn ihr Schöpfer vereinfacht uns Welt, Mensch und Tier auf eine einfache Gleichung, die an ein großes Werk der Weltliteratur gemahnen läßt, den Grimmelhausenschen Simplizissimus. Mancher wird nicht mit den politischen Ansichten in „Unan" einiggelm. Ebenso stehts mit dem dritten Roman aus der Spätkriegszeit „Das Marienwunder" von Hans Christoph Kaergel, einem jungen Dichter. Grethlein (Leipzig) hat ihn in den Kreis seiner Autoren gezogen. Ein geistig beschränktes Mädchen in einsamem Wildwärtcrhäuschcu erlebt den Heldentod ihres Bräutigams so überaus tief, daß es selber dem Wahnsinn verfällt und Vater, Schwiegervater bis an dessen Rand bringt durch eindrucksstarke Phantasmagorien, die jeden Leser überwältigen werden. Mitten da hinein spielt der Ausbruch der Revolution im Walddorfc, wie ich ihn in solcher Plastik auf engstem Raume auch noch nirgends gelesen habe. Prächtig eindringlich versteht Kaergel zu schildern, auf eine ganz neue Art, die oft wie Offenbarung wirkt, ganz zeitlos wird, Hier ist ein Werdender von großartigem Wurf!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/321>, abgerufen am 28.04.2024.