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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Offizier der Zukunft

Die Einheit der Wehrmacht ist nur eine Utopie, wenn der Führer der
Wehrmacht, der Offizier, nicht seine Mission erkennt:

Weltanschauungen in der Wehrmacht zu vereinigen.

Nicht die Masse der Offiziere ist dazu berufen.

Nur die wenigen:

die Führer der Führer.

Klassenverwischung ist unmöglich, Stände sind weltgegeben, aber Klassen¬
achtung und Fortfall der Überhebung: das muß erreicht werden.---

Für die breite Masse, aber auch für die Führerschicht Deutschlands ist
der Offizier noch immer ein Typ.

Der Masse gilt der Offizier als Paradestück einer kapitalistischen Führer¬
schicht, in deren Knechtschaft sie sich zu befinden glaubt. Er gilt als der Ver¬
treter des diktatorischen Gedankens (im Gegensatz zum demokratischen) und des
Herrentums.

Die ausgeprägte, auffallende Gestalt des Offiziers ist in den Augen der
Masse der Stoßtruppführer des Kapitalismus. Der glühende Haß gegen den
Kapitalismus, der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewachsen ist und weiter wachsen
wird, je mehr die Welt durch die Kriegsfolgen in wirtschaftliche Verelendung gerät,
überträgt sich bei jedem äußeren Anlaß auf den aktiven oder inaktiven Offizier
als Typ des Kapitalismus.

Andererseits betrachtet die herrschende Klasse, die kapitalistische, den Offizier
tatsächlich als ihren Interessen dienstbar. Man stützt und unterstützt ihn. Man
verteidigt in ihm das eigene Herrentum und stellt es -- allerdings in vergröberter
Weise -- im Offizier zur Parade.

Damit wird der Offizier für Herrschende wie für Beherrschte ein Sinnbild.

Ein Sinnbild, dem man am 9. November das Achselstück abriß.

Wenn es gelingt, dies Sinnbild umzustürzen, von einem Sinnbild der Klasse
zu einem der Klassenlosigkeit und der Klassenverständigung: wenn das gelingt, so
würde das in seiner Grundsätzlichkeit und in seiner Wirkung ein Beispiel und
einen weit sichtbaren Schritt zur Klassenachtung und zur Klassenzusammenarbeit
in Deutschland bedeuten.

Dies Problem kann nicht in überstürzter Weise gelöst werden, sondern die
Zeit, die schwere Zeit, muß den "Offizier der Zukunft" entwickeln.

Was hat der Offizier gemein mit einem kleingeistigen, üblen Geschäfte- und
Wucherkapitalismus?

Ist er nicht vielfach unbewußt, oder gedankenlos, oder in Unkenntnis ver¬
strickt mit jenem Kapitalismus, dessen fettglänzende Fratze anwidert, bei dessen An¬
blick wir demonstrativ nach der schwieligen Hand einer redlichen Arbeit greifen?

Der Offizier muß solchen Vekennermut haben.

Er kann es wagen, wenn er sich zusammenschließt.

Der Offizier der Zukunft muß politisch urteilsfähig werden, jede Mauer
niederreißen, die ihm den Blick ins andere Land verwehren will. Er darf weder
die sozialistische Presse mit einem Ausruf der Verachtung, noch die sozialistische
Theorie mit einem Lächeln in die Ecke legen, oder das tatsächliche Vorhandensein
der Not leugnen.


Altes und neues Heer

Offizier der Zukunft

Die Einheit der Wehrmacht ist nur eine Utopie, wenn der Führer der
Wehrmacht, der Offizier, nicht seine Mission erkennt:

Weltanschauungen in der Wehrmacht zu vereinigen.

Nicht die Masse der Offiziere ist dazu berufen.

Nur die wenigen:

die Führer der Führer.

Klassenverwischung ist unmöglich, Stände sind weltgegeben, aber Klassen¬
achtung und Fortfall der Überhebung: das muß erreicht werden.---

Für die breite Masse, aber auch für die Führerschicht Deutschlands ist
der Offizier noch immer ein Typ.

Der Masse gilt der Offizier als Paradestück einer kapitalistischen Führer¬
schicht, in deren Knechtschaft sie sich zu befinden glaubt. Er gilt als der Ver¬
treter des diktatorischen Gedankens (im Gegensatz zum demokratischen) und des
Herrentums.

Die ausgeprägte, auffallende Gestalt des Offiziers ist in den Augen der
Masse der Stoßtruppführer des Kapitalismus. Der glühende Haß gegen den
Kapitalismus, der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewachsen ist und weiter wachsen
wird, je mehr die Welt durch die Kriegsfolgen in wirtschaftliche Verelendung gerät,
überträgt sich bei jedem äußeren Anlaß auf den aktiven oder inaktiven Offizier
als Typ des Kapitalismus.

Andererseits betrachtet die herrschende Klasse, die kapitalistische, den Offizier
tatsächlich als ihren Interessen dienstbar. Man stützt und unterstützt ihn. Man
verteidigt in ihm das eigene Herrentum und stellt es — allerdings in vergröberter
Weise — im Offizier zur Parade.

Damit wird der Offizier für Herrschende wie für Beherrschte ein Sinnbild.

Ein Sinnbild, dem man am 9. November das Achselstück abriß.

Wenn es gelingt, dies Sinnbild umzustürzen, von einem Sinnbild der Klasse
zu einem der Klassenlosigkeit und der Klassenverständigung: wenn das gelingt, so
würde das in seiner Grundsätzlichkeit und in seiner Wirkung ein Beispiel und
einen weit sichtbaren Schritt zur Klassenachtung und zur Klassenzusammenarbeit
in Deutschland bedeuten.

Dies Problem kann nicht in überstürzter Weise gelöst werden, sondern die
Zeit, die schwere Zeit, muß den „Offizier der Zukunft" entwickeln.

Was hat der Offizier gemein mit einem kleingeistigen, üblen Geschäfte- und
Wucherkapitalismus?

Ist er nicht vielfach unbewußt, oder gedankenlos, oder in Unkenntnis ver¬
strickt mit jenem Kapitalismus, dessen fettglänzende Fratze anwidert, bei dessen An¬
blick wir demonstrativ nach der schwieligen Hand einer redlichen Arbeit greifen?

Der Offizier muß solchen Vekennermut haben.

Er kann es wagen, wenn er sich zusammenschließt.

Der Offizier der Zukunft muß politisch urteilsfähig werden, jede Mauer
niederreißen, die ihm den Blick ins andere Land verwehren will. Er darf weder
die sozialistische Presse mit einem Ausruf der Verachtung, noch die sozialistische
Theorie mit einem Lächeln in die Ecke legen, oder das tatsächliche Vorhandensein
der Not leugnen.


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[0343] Altes und neues Heer Offizier der Zukunft Die Einheit der Wehrmacht ist nur eine Utopie, wenn der Führer der Wehrmacht, der Offizier, nicht seine Mission erkennt: Weltanschauungen in der Wehrmacht zu vereinigen. Nicht die Masse der Offiziere ist dazu berufen. Nur die wenigen: die Führer der Führer. Klassenverwischung ist unmöglich, Stände sind weltgegeben, aber Klassen¬ achtung und Fortfall der Überhebung: das muß erreicht werden.--- Für die breite Masse, aber auch für die Führerschicht Deutschlands ist der Offizier noch immer ein Typ. Der Masse gilt der Offizier als Paradestück einer kapitalistischen Führer¬ schicht, in deren Knechtschaft sie sich zu befinden glaubt. Er gilt als der Ver¬ treter des diktatorischen Gedankens (im Gegensatz zum demokratischen) und des Herrentums. Die ausgeprägte, auffallende Gestalt des Offiziers ist in den Augen der Masse der Stoßtruppführer des Kapitalismus. Der glühende Haß gegen den Kapitalismus, der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewachsen ist und weiter wachsen wird, je mehr die Welt durch die Kriegsfolgen in wirtschaftliche Verelendung gerät, überträgt sich bei jedem äußeren Anlaß auf den aktiven oder inaktiven Offizier als Typ des Kapitalismus. Andererseits betrachtet die herrschende Klasse, die kapitalistische, den Offizier tatsächlich als ihren Interessen dienstbar. Man stützt und unterstützt ihn. Man verteidigt in ihm das eigene Herrentum und stellt es — allerdings in vergröberter Weise — im Offizier zur Parade. Damit wird der Offizier für Herrschende wie für Beherrschte ein Sinnbild. Ein Sinnbild, dem man am 9. November das Achselstück abriß. Wenn es gelingt, dies Sinnbild umzustürzen, von einem Sinnbild der Klasse zu einem der Klassenlosigkeit und der Klassenverständigung: wenn das gelingt, so würde das in seiner Grundsätzlichkeit und in seiner Wirkung ein Beispiel und einen weit sichtbaren Schritt zur Klassenachtung und zur Klassenzusammenarbeit in Deutschland bedeuten. Dies Problem kann nicht in überstürzter Weise gelöst werden, sondern die Zeit, die schwere Zeit, muß den „Offizier der Zukunft" entwickeln. Was hat der Offizier gemein mit einem kleingeistigen, üblen Geschäfte- und Wucherkapitalismus? Ist er nicht vielfach unbewußt, oder gedankenlos, oder in Unkenntnis ver¬ strickt mit jenem Kapitalismus, dessen fettglänzende Fratze anwidert, bei dessen An¬ blick wir demonstrativ nach der schwieligen Hand einer redlichen Arbeit greifen? Der Offizier muß solchen Vekennermut haben. Er kann es wagen, wenn er sich zusammenschließt. Der Offizier der Zukunft muß politisch urteilsfähig werden, jede Mauer niederreißen, die ihm den Blick ins andere Land verwehren will. Er darf weder die sozialistische Presse mit einem Ausruf der Verachtung, noch die sozialistische Theorie mit einem Lächeln in die Ecke legen, oder das tatsächliche Vorhandensein der Not leugnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/343>, abgerufen am 28.04.2024.