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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Nur in einem Gemüte voll Tatkraft kann
sich die tatenreiche Zukunft verkündigen.

"Llausewitz


Der Arier-Gedanke
Professor Dr. Adolf Rapp, von

!le Deutschen haben immer wieder das Bedürfnis gefühlt, sich einer
Gemeinschaft zurechnen zu können, die über die Grenzen des
Deutschtums noch hinausgeht. Als vom 18. zum 19. Jahrhundert
endlich das deutsche Nationalbewußtsein geweckt war, suchte es noch
immer zugleich eine allgemeine Menschheitsidee zu umfassen, der
das Deutschtum dienen sollte, und meinte, sich selbst damit erst rechtfertigen zu
müssen. Das Nationalbewußtsein der Deutschen ist eben nicht durch einen mäch¬
tigen Nationalstaat ausgebildet worden, der ihm ein überlegenes Gefühl der
Sicherheit eingegeben hätte -- den suchte es vielmehr erst--, sondern es hat sich
im Zustand der Zersplitterung und Fremdherrschaft aus der Besinnung auf
geistige Güter genährt.

Unbestreitbar gibt es Gemeinschaften über den Nationen, zu denen sich
der Einzelne mit einem ähnlichen Gefühl von Erhabenheit und Pietät bekennen
mag wie zu seiner Nation: in früheren Jahrhunderten die Gemeinschaft des
Rittertums oder der Mönche, früher und heute die der katholischen Kirche und
andere Glaubens- und Gesinnungsgemeinschaften, bei denen der Einzelne übe"
die Schranken der Nation hinweg sozusagen einer Auslese aus den Nationen
sich angehörig fühlt. Für die Deutschen besonders gibt es aber auch die Idee
einer Blutsgemeinschaft über die deutsche Nation hinaus: die Gemeinschaft der
Nachkommen der Germanen aus der großen Wanderzeit. Sie wurde schon im
18. Jahrhundert mit Stolz empfunden, wobei die Deutschen sich als die erstberech¬
tigten Blutserben jener Erneuerer des Abendlandes fühlten? sie sagten es gern,
daß die mächtigen Engländer und die Begründer und Beherrscher der romanischen
Staaten ursprünglich "Deutsche" seien. Und wenn die anderen mächtig waren


Grenzboten IV 1921 1


Nur in einem Gemüte voll Tatkraft kann
sich die tatenreiche Zukunft verkündigen.

«Llausewitz


Der Arier-Gedanke
Professor Dr. Adolf Rapp, von

!le Deutschen haben immer wieder das Bedürfnis gefühlt, sich einer
Gemeinschaft zurechnen zu können, die über die Grenzen des
Deutschtums noch hinausgeht. Als vom 18. zum 19. Jahrhundert
endlich das deutsche Nationalbewußtsein geweckt war, suchte es noch
immer zugleich eine allgemeine Menschheitsidee zu umfassen, der
das Deutschtum dienen sollte, und meinte, sich selbst damit erst rechtfertigen zu
müssen. Das Nationalbewußtsein der Deutschen ist eben nicht durch einen mäch¬
tigen Nationalstaat ausgebildet worden, der ihm ein überlegenes Gefühl der
Sicherheit eingegeben hätte — den suchte es vielmehr erst—, sondern es hat sich
im Zustand der Zersplitterung und Fremdherrschaft aus der Besinnung auf
geistige Güter genährt.

Unbestreitbar gibt es Gemeinschaften über den Nationen, zu denen sich
der Einzelne mit einem ähnlichen Gefühl von Erhabenheit und Pietät bekennen
mag wie zu seiner Nation: in früheren Jahrhunderten die Gemeinschaft des
Rittertums oder der Mönche, früher und heute die der katholischen Kirche und
andere Glaubens- und Gesinnungsgemeinschaften, bei denen der Einzelne übe«
die Schranken der Nation hinweg sozusagen einer Auslese aus den Nationen
sich angehörig fühlt. Für die Deutschen besonders gibt es aber auch die Idee
einer Blutsgemeinschaft über die deutsche Nation hinaus: die Gemeinschaft der
Nachkommen der Germanen aus der großen Wanderzeit. Sie wurde schon im
18. Jahrhundert mit Stolz empfunden, wobei die Deutschen sich als die erstberech¬
tigten Blutserben jener Erneuerer des Abendlandes fühlten? sie sagten es gern,
daß die mächtigen Engländer und die Begründer und Beherrscher der romanischen
Staaten ursprünglich „Deutsche" seien. Und wenn die anderen mächtig waren


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[0009] [Abbildung] Nur in einem Gemüte voll Tatkraft kann sich die tatenreiche Zukunft verkündigen. «Llausewitz Der Arier-Gedanke Professor Dr. Adolf Rapp, von !le Deutschen haben immer wieder das Bedürfnis gefühlt, sich einer Gemeinschaft zurechnen zu können, die über die Grenzen des Deutschtums noch hinausgeht. Als vom 18. zum 19. Jahrhundert endlich das deutsche Nationalbewußtsein geweckt war, suchte es noch immer zugleich eine allgemeine Menschheitsidee zu umfassen, der das Deutschtum dienen sollte, und meinte, sich selbst damit erst rechtfertigen zu müssen. Das Nationalbewußtsein der Deutschen ist eben nicht durch einen mäch¬ tigen Nationalstaat ausgebildet worden, der ihm ein überlegenes Gefühl der Sicherheit eingegeben hätte — den suchte es vielmehr erst—, sondern es hat sich im Zustand der Zersplitterung und Fremdherrschaft aus der Besinnung auf geistige Güter genährt. Unbestreitbar gibt es Gemeinschaften über den Nationen, zu denen sich der Einzelne mit einem ähnlichen Gefühl von Erhabenheit und Pietät bekennen mag wie zu seiner Nation: in früheren Jahrhunderten die Gemeinschaft des Rittertums oder der Mönche, früher und heute die der katholischen Kirche und andere Glaubens- und Gesinnungsgemeinschaften, bei denen der Einzelne übe« die Schranken der Nation hinweg sozusagen einer Auslese aus den Nationen sich angehörig fühlt. Für die Deutschen besonders gibt es aber auch die Idee einer Blutsgemeinschaft über die deutsche Nation hinaus: die Gemeinschaft der Nachkommen der Germanen aus der großen Wanderzeit. Sie wurde schon im 18. Jahrhundert mit Stolz empfunden, wobei die Deutschen sich als die erstberech¬ tigten Blutserben jener Erneuerer des Abendlandes fühlten? sie sagten es gern, daß die mächtigen Engländer und die Begründer und Beherrscher der romanischen Staaten ursprünglich „Deutsche" seien. Und wenn die anderen mächtig waren Grenzboten IV 1921 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/9>, abgerufen am 29.04.2024.