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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Verliebte und galante Gedichte.


Die Lust des süssen Todes.

Aus dem Frantzösischen.

Die süsse Hefftigkeit der allerschönsten Lust
Ließ Tyrsis nächst bey nah in Phyllis Armen sterben/
Die da sein Himmelreich/ und Seele seiner Brust/
Der Phyllis deren Macht durch Blicke alles zwinget
Und in die Sclaverey des schönsten Gottes bringet.
Doch Phyllis wolte nicht/ daß Tyrsis solte sterben/
Sie wolt mit ihm zugleich in solcher Lust verderben.
Denn Tyrsis ließ hierauf von seinem Sterben ab/
Und lehnte sich aus Zwang auf seinen Schäffer-Stab;
Doch da er leben wolt/ starb er zu tausendmahlen
Als unterdessen nun auf ihrer schönen Brust
Der Schäffer Himmels-Kost geschmeckt in voller Lust/
Und sie sein Sterben sah/ und seine Liebes-Quaalen/
Sprach sie mit sanffter Stimm'/ und einem schwachen Blicke:
Mein liebster Schäffer stirb/ ihr Geister weicht zurücke/
Die Phyllis stirbt auch mit/ sie küßt den süssen Tod.
So starb nun dieses Paar/ indem es sich erhitzte/
Doch Tyrsis sagte bald/ du wunderschöne Noht/
So wie mein Leben stirbt/ so wil ich auch verderben/
Stirb/ liebste Phyllis stirb! die Ohmacht ficht mich an/
Wenn du mein Leben stirbst/ ich nicht mehr leben kan - - - -
So sind die Liebenden in Anmuth hingestorben/
Doch sie durch einen Tod/ der voller Lust/ verdorben/
Und dessen Lust verdient/ daß man um todt zu seyn/
Von neuem tausend mahl schöpfft Geist und Odem ein/
Weil ihre Sterbens-Pein zu neuen Lüsten nützte.


Als sie zu ihm sagte ihre Liebe gegen ihm
wäre gestorben.

Ringel-Gedichte.

Jch sterbe schon/ nun deine Gunst versenckt
Jm Grabe ist; denn kan es wol geschehen/
Daß ohne Hertz zu leben man gedenckt?
Und ich soll hier mein Hertz begraben sehen/
Das
Verliebte und galante Gedichte.


Die Luſt des ſuͤſſen Todes.

Aus dem Frantzoͤſiſchen.

Die ſuͤſſe Hefftigkeit der allerſchoͤnſten Luſt
Ließ Tyrſis naͤchſt bey nah in Phyllis Armen ſterben/
Die da ſein Himmelreich/ und Seele ſeiner Bruſt/
Der Phyllis deren Macht durch Blicke alles zwinget
Und in die Sclaverey des ſchoͤnſten Gottes bringet.
Doch Phyllis wolte nicht/ daß Tyrſis ſolte ſterben/
Sie wolt mit ihm zugleich in ſolcher Luſt verderben.
Denn Tyrſis ließ hierauf von ſeinem Sterben ab/
Und lehnte ſich aus Zwang auf ſeinen Schaͤffer-Stab;
Doch da er leben wolt/ ſtarb er zu tauſendmahlen
Als unterdeſſen nun auf ihrer ſchoͤnen Bruſt
Der Schaͤffer Himmels-Koſt geſchmeckt in voller Luſt/
Und ſie ſein Sterben ſah/ und ſeine Liebes-Quaalen/
Sprach ſie mit ſanffter Stimm’/ und einem ſchwachen Blicke:
Mein liebſter Schaͤffer ſtirb/ ihr Geiſter weicht zuruͤcke/
Die Phyllis ſtirbt auch mit/ ſie kuͤßt den ſuͤſſen Tod.
So ſtarb nun dieſes Paar/ indem es ſich erhitzte/
Doch Tyrſis ſagte bald/ du wunderſchoͤne Noht/
So wie mein Leben ſtirbt/ ſo wil ich auch verderben/
Stirb/ liebſte Phyllis ſtirb! die Ohmacht ficht mich an/
Wenn du mein Leben ſtirbſt/ ich nicht mehr leben kan - - - -
So ſind die Liebenden in Anmuth hingeſtorben/
Doch ſie durch einen Tod/ der voller Luſt/ verdorben/
Und deſſen Luſt verdient/ daß man um todt zu ſeyn/
Von neuem tauſend mahl ſchoͤpfft Geiſt und Odem ein/
Weil ihre Sterbens-Pein zu neuen Luͤſten nuͤtzte.


Als ſie zu ihm ſagte ihre Liebe gegen ihm
waͤre geſtorben.

Ringel-Gedichte.

Jch ſterbe ſchon/ nun deine Gunſt verſenckt
Jm Grabe iſt; denn kan es wol geſchehen/
Daß ohne Hertz zu leben man gedenckt?
Und ich ſoll hier mein Hertz begraben ſehen/
Das
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[154/0172] Verliebte und galante Gedichte. Die Luſt des ſuͤſſen Todes. Aus dem Frantzoͤſiſchen. Die ſuͤſſe Hefftigkeit der allerſchoͤnſten Luſt Ließ Tyrſis naͤchſt bey nah in Phyllis Armen ſterben/ Die da ſein Himmelreich/ und Seele ſeiner Bruſt/ Der Phyllis deren Macht durch Blicke alles zwinget Und in die Sclaverey des ſchoͤnſten Gottes bringet. Doch Phyllis wolte nicht/ daß Tyrſis ſolte ſterben/ Sie wolt mit ihm zugleich in ſolcher Luſt verderben. Denn Tyrſis ließ hierauf von ſeinem Sterben ab/ Und lehnte ſich aus Zwang auf ſeinen Schaͤffer-Stab; Doch da er leben wolt/ ſtarb er zu tauſendmahlen Als unterdeſſen nun auf ihrer ſchoͤnen Bruſt Der Schaͤffer Himmels-Koſt geſchmeckt in voller Luſt/ Und ſie ſein Sterben ſah/ und ſeine Liebes-Quaalen/ Sprach ſie mit ſanffter Stimm’/ und einem ſchwachen Blicke: Mein liebſter Schaͤffer ſtirb/ ihr Geiſter weicht zuruͤcke/ Die Phyllis ſtirbt auch mit/ ſie kuͤßt den ſuͤſſen Tod. So ſtarb nun dieſes Paar/ indem es ſich erhitzte/ Doch Tyrſis ſagte bald/ du wunderſchoͤne Noht/ So wie mein Leben ſtirbt/ ſo wil ich auch verderben/ Stirb/ liebſte Phyllis ſtirb! die Ohmacht ficht mich an/ Wenn du mein Leben ſtirbſt/ ich nicht mehr leben kan - - - - So ſind die Liebenden in Anmuth hingeſtorben/ Doch ſie durch einen Tod/ der voller Luſt/ verdorben/ Und deſſen Luſt verdient/ daß man um todt zu ſeyn/ Von neuem tauſend mahl ſchoͤpfft Geiſt und Odem ein/ Weil ihre Sterbens-Pein zu neuen Luͤſten nuͤtzte. Als ſie zu ihm ſagte ihre Liebe gegen ihm waͤre geſtorben. Ringel-Gedichte. Jch ſterbe ſchon/ nun deine Gunſt verſenckt Jm Grabe iſt; denn kan es wol geſchehen/ Daß ohne Hertz zu leben man gedenckt? Und ich ſoll hier mein Hertz begraben ſehen/ Das

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/172>, abgerufen am 19.04.2024.