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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Verliebte und galante Gedichte.
Die schöne/ aber unempfindliche
Urania.
SO wie Aurora pflegt mit ihren Rosen-Wangen
Bey früher Tages-Zeit an grauer Wolck zu prangen/
So wie die Sonne scheint wenn sie aus Thetys Bett
Jn Purpur eingehüllt mit munterm Lauf aufsteht;
So wie ein Rosen-Stock mit halb eröffnten Rosen
Bey kühler Morgen-Zeit den Thau pflegt liebzukosen/
So prangt Urania, wenn sie unangelegt
Den Alabaster Leib aus weichen Federn trägt.
Die Wangen stehen weg den lichten Rosen-Morgen/
Von ihren Augen muß die Nacht die Schwärtze borgen/
Der Sonnen Purpur weicht vor den Rubinen-Mund/
Und hüllt sich/ als beschämt/ in Amphitritens Schlund.
Narcissen kriechen weg/ vor denen klahren Brüsten/
Den Liljen fehlet selbst das Wollen und Gelüsten/
An Klahrheit siegt der Leib den heitern Himmel an;
Was irrets? daß man sie nicht Himmel nennen kan.
Vor ihren Strahlen muß der Strahl der Sonnen weichen/
Jn dessen Feur zu sehn durch Witz man kan erreichen (q)
Allein wer bleibet hier mit Adlers Augen stehn/
Wer unterwindet sich die Augen anzusehn?
Der nicht so gleich sein Hertz in heisser Gluht befindet/
Die ihrer Augen-Blitz darinnen angezündet.
Sie aber bleibet Stahl/ ihr Hertze gleicht dem Eyß/
Das keine Flammen fängt/ und nichts vom Lieben weiß:
Dem auch der Kieselstein an der Empfindung weichet/
Daran ein Regen-Tropff doch mit der Zeit erreichet/
Was ein geschwollner Bach in eile nicht verricht/
Allein sie bleibet hart/ mein Weinen nützt mir nicht.
Der Diamant zerspringt in schlechter Thiere Blute
Sie aber wird erhärt von meiner Adern-Glute/
Und übertrifft darinn den Stein und Diamant/
Daß Blut und Thränen sind umsonst an ihr gewandt.
(q) Wenn man/ wie die gemeine Rede gehet/ durch einen Flohr
siehet.
Auf
L 4
Verliebte und galante Gedichte.
Die ſchoͤne/ aber unempfindliche
Urania.
SO wie Aurora pflegt mit ihren Roſen-Wangen
Bey fruͤher Tages-Zeit an grauer Wolck zu prangen/
So wie die Sonne ſcheint wenn ſie aus Thetys Bett
Jn Purpur eingehuͤllt mit munterm Lauf aufſteht;
So wie ein Roſen-Stock mit halb eroͤffnten Roſen
Bey kuͤhler Morgen-Zeit den Thau pflegt liebzukoſen/
So prangt Urania, wenn ſie unangelegt
Den Alabaſter Leib aus weichen Federn traͤgt.
Die Wangen ſtehen weg den lichten Roſen-Morgen/
Von ihren Augen muß die Nacht die Schwaͤrtze borgen/
Der Sonnen Purpur weicht vor den Rubinen-Mund/
Und huͤllt ſich/ als beſchaͤmt/ in Amphitritens Schlund.
Narciſſen kriechen weg/ vor denen klahren Bruͤſten/
Den Liljen fehlet ſelbſt das Wollen und Geluͤſten/
An Klahrheit ſiegt der Leib den heitern Himmel an;
Was irrets? daß man ſie nicht Himmel nennen kan.
Vor ihren Strahlen muß der Strahl der Sonnen weichen/
Jn deſſen Feur zu ſehn durch Witz man kan erreichen (q)
Allein wer bleibet hier mit Adlers Augen ſtehn/
Wer unterwindet ſich die Augen anzuſehn?
Der nicht ſo gleich ſein Hertz in heiſſer Gluht befindet/
Die ihrer Augen-Blitz darinnen angezuͤndet.
Sie aber bleibet Stahl/ ihr Hertze gleicht dem Eyß/
Das keine Flammen faͤngt/ und nichts vom Lieben weiß:
Dem auch der Kieſelſtein an der Empfindung weichet/
Daran ein Regen-Tropff doch mit der Zeit erreichet/
Was ein geſchwollner Bach in eile nicht verricht/
Allein ſie bleibet hart/ mein Weinen nuͤtzt mir nicht.
Der Diamant zerſpringt in ſchlechter Thiere Blute
Sie aber wird erhaͤrt von meiner Adern-Glute/
Und uͤbertrifft darinn den Stein und Diamant/
Daß Blut und Thraͤnen ſind umſonſt an ihr gewandt.
(q) Wenn man/ wie die gemeine Rede gehet/ durch einen Flohr
ſiehet.
Auf
L 4
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[167/0185] Verliebte und galante Gedichte. Die ſchoͤne/ aber unempfindliche Urania. SO wie Aurora pflegt mit ihren Roſen-Wangen Bey fruͤher Tages-Zeit an grauer Wolck zu prangen/ So wie die Sonne ſcheint wenn ſie aus Thetys Bett Jn Purpur eingehuͤllt mit munterm Lauf aufſteht; So wie ein Roſen-Stock mit halb eroͤffnten Roſen Bey kuͤhler Morgen-Zeit den Thau pflegt liebzukoſen/ So prangt Urania, wenn ſie unangelegt Den Alabaſter Leib aus weichen Federn traͤgt. Die Wangen ſtehen weg den lichten Roſen-Morgen/ Von ihren Augen muß die Nacht die Schwaͤrtze borgen/ Der Sonnen Purpur weicht vor den Rubinen-Mund/ Und huͤllt ſich/ als beſchaͤmt/ in Amphitritens Schlund. Narciſſen kriechen weg/ vor denen klahren Bruͤſten/ Den Liljen fehlet ſelbſt das Wollen und Geluͤſten/ An Klahrheit ſiegt der Leib den heitern Himmel an; Was irrets? daß man ſie nicht Himmel nennen kan. Vor ihren Strahlen muß der Strahl der Sonnen weichen/ Jn deſſen Feur zu ſehn durch Witz man kan erreichen ⁽q⁾ Allein wer bleibet hier mit Adlers Augen ſtehn/ Wer unterwindet ſich die Augen anzuſehn? Der nicht ſo gleich ſein Hertz in heiſſer Gluht befindet/ Die ihrer Augen-Blitz darinnen angezuͤndet. Sie aber bleibet Stahl/ ihr Hertze gleicht dem Eyß/ Das keine Flammen faͤngt/ und nichts vom Lieben weiß: Dem auch der Kieſelſtein an der Empfindung weichet/ Daran ein Regen-Tropff doch mit der Zeit erreichet/ Was ein geſchwollner Bach in eile nicht verricht/ Allein ſie bleibet hart/ mein Weinen nuͤtzt mir nicht. Der Diamant zerſpringt in ſchlechter Thiere Blute Sie aber wird erhaͤrt von meiner Adern-Glute/ Und uͤbertrifft darinn den Stein und Diamant/ Daß Blut und Thraͤnen ſind umſonſt an ihr gewandt. ⁽q⁾ Wenn man/ wie die gemeine Rede gehet/ durch einen Flohr ſiehet. Auf L 4

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/185>, abgerufen am 23.04.2024.