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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Verliebte und galante Gedichte.
Er pochet gar darauf/ daß er den Wolcken gleicht/
Und denckt nicht/ daß der Schmuck im Augenblick entweicht.
Allein/ wer will die Schooß/ die schöne Schooß beschämen?
Woher wir unser Licht/ und unser Leben nehmen/
Wo die Gedancken hin/ und jeder Wünschen geht/
Woher was kömmt und wird in Leib und Seel besteht.
Den Sammel-Platz der Lust/ den Ebenbild des Leben/
Das jene erste Welt verächtlich hingegeben/
Und unser Wohl verspielt/ verlachet jene Lust/
Daß uns im Schatten-Werck nur wird die Lust bewust.
Das schöne Morgenland/ die rechte Glückes Jnsuli
Dionens Wunder-Schloß; allein hier fehlt der Pinsul/
Zu mahlen seine Pracht/ die alles übertrifft/
Weil Liebreitz und Cyther' es selbsten angestifft:
Rubinen und Albast/ die diese Grotte zieren/
Und uns in einem Gang voll süsser Früchte führen/
Sind nicht von Sodom her/ nicht falscher Augen Schein/
Dieweil sie von dem Baum des ersten Garten seyn.
Wer will/ kan dieser Pracht nur ihre Fehler zeigen/
Jch halte schon den Mund und werde davon schweigen.
Jch zähme meine Hand/ und zwinge meinen Kiel/
Wenn er zu dessen Schimpff nur etwas schreiben will.
Mit jenem Mahler will ich mich mit Schweigen decken/
Und Schweigend übergehn was selben kan beflecken/
Jch sage nichts von Lust/ von Pracht/ noch dessen Zier/
Und werffe vor dem Fehl die Schweigens-Decke für.


Antwort einer Comoediantinn/ auf eines
Barons Liebes-Declaration.
Baron!
wenn eure Hand die Slaven Ketten träget/
Und wenn eur Hertz so spricht als eure Feder schreibt?
So spühr' ich/ daß mein Hertz ein solcher Trieb beweget/
Denn die erfreute Brust den Sternen ein verleibt.
Al-
A 5
Verliebte und galante Gedichte.
Er pochet gar darauf/ daß er den Wolcken gleicht/
Und denckt nicht/ daß der Schmuck im Augenblick entweicht.
Allein/ wer will die Schooß/ die ſchoͤne Schooß beſchaͤmen?
Woher wir unſer Licht/ und unſer Leben nehmen/
Wo die Gedancken hin/ und jeder Wuͤnſchen geht/
Woher was koͤmmt und wird in Leib und Seel beſteht.
Den Sammel-Platz der Luſt/ den Ebenbild des Leben/
Das jene erſte Welt veraͤchtlich hingegeben/
Und unſer Wohl verſpielt/ verlachet jene Luſt/
Daß uns im Schatten-Werck nur wird die Luſt bewuſt.
Das ſchoͤne Morgenland/ die rechte Gluͤckes Jnſuli
Dionens Wunder-Schloß; allein hier fehlt der Pinſul/
Zu mahlen ſeine Pracht/ die alles uͤbertrifft/
Weil Liebreitz und Cyther’ es ſelbſten angeſtifft:
Rubinen und Albaſt/ die dieſe Grotte zieren/
Und uns in einem Gang voll ſuͤſſer Fruͤchte fuͤhren/
Sind nicht von Sodom her/ nicht falſcher Augen Schein/
Dieweil ſie von dem Baum des erſten Garten ſeyn.
Wer will/ kan dieſer Pracht nur ihre Fehler zeigen/
Jch halte ſchon den Mund und werde davon ſchweigen.
Jch zaͤhme meine Hand/ und zwinge meinen Kiel/
Wenn er zu deſſen Schimpff nur etwas ſchreiben will.
Mit jenem Mahler will ich mich mit Schweigen decken/
Und Schweigend uͤbergehn was ſelben kan beflecken/
Jch ſage nichts von Luſt/ von Pracht/ noch deſſen Zier/
Und werffe vor dem Fehl die Schweigens-Decke fuͤr.


Antwort einer Comœdiantinn/ auf eines
Barons Liebes-Declaration.
Baron!
wenn eure Hand die Slaven Ketten traͤget/
Und wenn eur Hertz ſo ſpricht als eure Feder ſchreibt?
So ſpuͤhr’ ich/ daß mein Hertz ein ſolcher Trieb beweget/
Denn die erfreute Bruſt den Sternen ein verleibt.
Al-
A 5
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[9/0027] Verliebte und galante Gedichte. Er pochet gar darauf/ daß er den Wolcken gleicht/ Und denckt nicht/ daß der Schmuck im Augenblick entweicht. Allein/ wer will die Schooß/ die ſchoͤne Schooß beſchaͤmen? Woher wir unſer Licht/ und unſer Leben nehmen/ Wo die Gedancken hin/ und jeder Wuͤnſchen geht/ Woher was koͤmmt und wird in Leib und Seel beſteht. Den Sammel-Platz der Luſt/ den Ebenbild des Leben/ Das jene erſte Welt veraͤchtlich hingegeben/ Und unſer Wohl verſpielt/ verlachet jene Luſt/ Daß uns im Schatten-Werck nur wird die Luſt bewuſt. Das ſchoͤne Morgenland/ die rechte Gluͤckes Jnſuli Dionens Wunder-Schloß; allein hier fehlt der Pinſul/ Zu mahlen ſeine Pracht/ die alles uͤbertrifft/ Weil Liebreitz und Cyther’ es ſelbſten angeſtifft: Rubinen und Albaſt/ die dieſe Grotte zieren/ Und uns in einem Gang voll ſuͤſſer Fruͤchte fuͤhren/ Sind nicht von Sodom her/ nicht falſcher Augen Schein/ Dieweil ſie von dem Baum des erſten Garten ſeyn. Wer will/ kan dieſer Pracht nur ihre Fehler zeigen/ Jch halte ſchon den Mund und werde davon ſchweigen. Jch zaͤhme meine Hand/ und zwinge meinen Kiel/ Wenn er zu deſſen Schimpff nur etwas ſchreiben will. Mit jenem Mahler will ich mich mit Schweigen decken/ Und Schweigend uͤbergehn was ſelben kan beflecken/ Jch ſage nichts von Luſt/ von Pracht/ noch deſſen Zier/ Und werffe vor dem Fehl die Schweigens-Decke fuͤr. Antwort einer Comœdiantinn/ auf eines Barons Liebes-Declaration. Baron! wenn eure Hand die Slaven Ketten traͤget/ Und wenn eur Hertz ſo ſpricht als eure Feder ſchreibt? So ſpuͤhr’ ich/ daß mein Hertz ein ſolcher Trieb beweget/ Denn die erfreute Bruſt den Sternen ein verleibt. Al- A 5

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/27>, abgerufen am 29.03.2024.