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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Vermischte Gedichte.
9.
Unsre Stadt rühmt deine Gaben/
Womit dich der Himmel ziert/
Und wird noch mehr Nutzen haben/
Wenn der nun den Scepter führt/
Welcher ist zu unsrer Zeit
Mehr als Stahl und Hebenstreit.
10.
Brauche denn was dir gegeben
Künfftig zur Gerechtigkeit:
Laß den Purpur Geist und Leben
Uns zum besten seyn geweyht:
Bös' und gute distinguirt
Heißt den Scepter wohlgeführt.


Bey der Beerdigung
Der Hoch-Ehr und Tugend-belobten Frauen/
Frauen Marien Pflügerin/etc.
Legten gegen den Hoch-betrübten Hrn. Wittwer ihr hertzliches
Mitleyden drey Verwandte durch Folgendes an den Tag.
Copiantes..
Wenn dir das bange Hertz in tausend Stücken springet/
Ja/ wenn dir selber fast der Lebens-Faden bricht;
Wenn dir ein scharffes Schwerdt durch deine Seele dringet/
Und aller Muth entfällt/ so wundern wir uns nicht/
Denn jetzund wird dein Hertz zu Grabe hingetragen/
Dein Leben siehest du auf einer Bahre stehn/
Du must/ und wir mit dir/ aus gleicher Wehmuth klagen/
Daß wir dich/ welcher Riß? als Wittwer müssen sehn.
So gehts/ so drehet sich das Blat der Eitelkeiten;
So spielt das Wechsel-Glück mit uns als einem Ball:
Offt schenckt uns seine Brust vergnügte Lieblichkeiten/
Doch aber sie sind nichts als nur verfüßte Gall.
Wenn man ihm heute noch vergnügt im Schoosse lieget/
So macht es morgen Strick' aus unserm eignen Haar:
Es ist ein irrend Licht/ das uns des Nachts betrieget/
Daß/ wenn es schön gegläntzt/ bald Schleim und Unflath war.
Ach!
E e 5
Vermiſchte Gedichte.
9.
Unſre Stadt ruͤhmt deine Gaben/
Womit dich der Himmel ziert/
Und wird noch mehr Nutzen haben/
Wenn der nun den Scepter fuͤhrt/
Welcher iſt zu unſrer Zeit
Mehr als Stahl und Hebenſtreit.
10.
Brauche denn was dir gegeben
Kuͤnfftig zur Gerechtigkeit:
Laß den Purpur Geiſt und Leben
Uns zum beſten ſeyn geweyht:
Boͤſ’ und gute diſtinguirt
Heißt den Scepter wohlgefuͤhrt.


Bey der Beerdigung
Der Hoch-Ehr und Tugend-belobten Frauen/
Frauen Marien Pfluͤgerin/ꝛc.
Legten gegen den Hoch-betruͤbten Hrn. Wittwer ihr hertzliches
Mitleyden drey Verwandte durch Folgendes an den Tag.
Copiantes..
Wenn dir das bange Hertz in tauſend Stuͤcken ſpringet/
Ja/ wenn dir ſelber faſt der Lebens-Faden bricht;
Wenn dir ein ſcharffes Schwerdt durch deine Seele dringet/
Und aller Muth entfaͤllt/ ſo wundern wir uns nicht/
Denn jetzund wird dein Hertz zu Grabe hingetragen/
Dein Leben ſieheſt du auf einer Bahre ſtehn/
Du muſt/ und wir mit dir/ aus gleicher Wehmuth klagen/
Daß wir dich/ welcher Riß? als Wittwer muͤſſen ſehn.
So gehts/ ſo drehet ſich das Blat der Eitelkeiten;
So ſpielt das Wechſel-Gluͤck mit uns als einem Ball:
Offt ſchenckt uns ſeine Bruſt vergnuͤgte Lieblichkeiten/
Doch aber ſie ſind nichts als nur verfuͤßte Gall.
Wenn man ihm heute noch vergnuͤgt im Schooſſe lieget/
So macht es morgen Strick’ aus unſerm eignen Haar:
Es iſt ein irrend Licht/ das uns des Nachts betrieget/
Daß/ weñ es ſchoͤn geglaͤntzt/ bald Schleim und Unflath war.
Ach!
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[441/0459] Vermiſchte Gedichte. 9. Unſre Stadt ruͤhmt deine Gaben/ Womit dich der Himmel ziert/ Und wird noch mehr Nutzen haben/ Wenn der nun den Scepter fuͤhrt/ Welcher iſt zu unſrer Zeit Mehr als Stahl und Hebenſtreit. 10. Brauche denn was dir gegeben Kuͤnfftig zur Gerechtigkeit: Laß den Purpur Geiſt und Leben Uns zum beſten ſeyn geweyht: Boͤſ’ und gute diſtinguirt Heißt den Scepter wohlgefuͤhrt. Bey der Beerdigung Der Hoch-Ehr und Tugend-belobten Frauen/ Frauen Marien Pfluͤgerin/ꝛc. Legten gegen den Hoch-betruͤbten Hrn. Wittwer ihr hertzliches Mitleyden drey Verwandte durch Folgendes an den Tag. Copiantes.. Wenn dir das bange Hertz in tauſend Stuͤcken ſpringet/ Ja/ wenn dir ſelber faſt der Lebens-Faden bricht; Wenn dir ein ſcharffes Schwerdt durch deine Seele dringet/ Und aller Muth entfaͤllt/ ſo wundern wir uns nicht/ Denn jetzund wird dein Hertz zu Grabe hingetragen/ Dein Leben ſieheſt du auf einer Bahre ſtehn/ Du muſt/ und wir mit dir/ aus gleicher Wehmuth klagen/ Daß wir dich/ welcher Riß? als Wittwer muͤſſen ſehn. So gehts/ ſo drehet ſich das Blat der Eitelkeiten; So ſpielt das Wechſel-Gluͤck mit uns als einem Ball: Offt ſchenckt uns ſeine Bruſt vergnuͤgte Lieblichkeiten/ Doch aber ſie ſind nichts als nur verfuͤßte Gall. Wenn man ihm heute noch vergnuͤgt im Schooſſe lieget/ So macht es morgen Strick’ aus unſerm eignen Haar: Es iſt ein irrend Licht/ das uns des Nachts betrieget/ Daß/ weñ es ſchoͤn geglaͤntzt/ bald Schleim und Unflath war. Ach! E e 5

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/459>, abgerufen am 25.04.2024.