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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Verliebte und galante Gedichte.
Wenn ihm die Maure wird der zarten Brust entrissen/
So muß das Winter-Grün/ und er die Erde küssen;
Wenn ihn der Glieder-Agt wie Stroh nicht zu sich reißt/
Und ihr Magnet als Feind sein Eisen von sich schmeist (c)
Alsdann so muß ich mich dem Sterben übergeben/
Weil ohn' Asterien ich nicht vermag zu leben.
(c) Erasmus Francisci berichtet/ daß in Jndien eine Art Magneten
zu finden sey/ welche dem Eisen feind/ und es von sich stoßt.


Almidor an die sich zornig stellende Selinde.
Selinde siehe doch/ und lencke jene Strahlen
Der schönen Augen her auf dieses Blat Papier/
Ließ es nur obenhin/ denn wirff es weg von dir/
Wenn es den Augen kan die Mühe nicht bezahlen/
Daß sie es angesehn.
Wann aber/ schönstes Kind/ die Worte dir gefallen/
So ließ sie gäntzlich durch/ dein Zürnen stelle ein/
Und laß sie zwischen uns die Friedens-Stiffter seyn;
Hernach so stecke es zu deinen Marmor-Ballen
Wie sonsten wol geschehn.
Wenn eine treue Hand der Liebsten etwas schicket/
Das/ weil es heimlich ist/ nicht jeder darf besehn/
So muß der Busen ihm zur Frey-Stadt offen stehn/
Eh denn das liebe Blat ihr wird hinweg gerücket
Von dem/ der Hüter ist.
Jst nun das Blat versteckt/ so darf dein Ohr nicht hören
Das Lästern/ so der Mund der Mutter sonst ausspeit/
Die auf dich Achtung giebt bey Nacht und Tages-Zeit/
Und als ein Argus mir den Zutritt will verwehren
Zu dir/ die ich erkießt.
Sie aber wird von uns arglistiglich betrogen/
Wenn du/ mein Kind/ und ich nur eines Sinnes sind;
Sie wolte Argus seyn/ und war doch starre blind/
Als dein Almidor ward durchs Fenster auffgezogen/
Und in dein Bette kahm.
Da hat dein Enge-Land ihn inniglich ergötzet/
Mit mehr als Ambrosin und Götter Nectar Most/
Jhn
C 5
Verliebte und galante Gedichte.
Wenn ihm die Maure wird der zarten Bruſt entriſſen/
So muß das Winter-Gruͤn/ und er die Erde kuͤſſen;
Wenn ihn der Glieder-Agt wie Stroh nicht zu ſich reißt/
Und ihr Magnet als Feind ſein Eiſen von ſich ſchmeiſt (c)
Alsdann ſo muß ich mich dem Sterben uͤbergeben/
Weil ohn’ Aſterien ich nicht vermag zu leben.
(c) Erasmus Francisci berichtet/ daß in Jndien eine Art Magneten
zu finden ſey/ welche dem Eiſen feind/ und es von ſich ſtoßt.


Almidor an die ſich zornig ſtellende Selinde.
Selinde ſiehe doch/ und lencke jene Strahlen
Der ſchoͤnen Augen her auf dieſes Blat Papier/
Ließ es nur obenhin/ denn wirff es weg von dir/
Wenn es den Augen kan die Muͤhe nicht bezahlen/
Daß ſie es angeſehn.
Wann aber/ ſchoͤnſtes Kind/ die Worte dir gefallen/
So ließ ſie gaͤntzlich durch/ dein Zuͤrnen ſtelle ein/
Und laß ſie zwiſchen uns die Friedens-Stiffter ſeyn;
Hernach ſo ſtecke es zu deinen Marmor-Ballen
Wie ſonſten wol geſchehn.
Wenn eine treue Hand der Liebſten etwas ſchicket/
Das/ weil es heimlich iſt/ nicht jeder darf beſehn/
So muß der Buſen ihm zur Frey-Stadt offen ſtehn/
Eh denn das liebe Blat ihr wird hinweg geruͤcket
Von dem/ der Huͤter iſt.
Jſt nun das Blat verſteckt/ ſo darf dein Ohr nicht hoͤren
Das Laͤſtern/ ſo der Mund der Mutter ſonſt ausſpeit/
Die auf dich Achtung giebt bey Nacht und Tages-Zeit/
Und als ein Argus mir den Zutritt will verwehren
Zu dir/ die ich erkießt.
Sie aber wird von uns argliſtiglich betrogen/
Wenn du/ mein Kind/ und ich nur eines Sinnes ſind;
Sie wolte Argus ſeyn/ und war doch ſtarre blind/
Als dein Almidor ward durchs Fenſter auffgezogen/
Und in dein Bette kahm.
Da hat dein Enge-Land ihn inniglich ergoͤtzet/
Mit mehr als Ambroſin und Goͤtter Nectar Moſt/
Jhn
C 5
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[41/0059] Verliebte und galante Gedichte. Wenn ihm die Maure wird der zarten Bruſt entriſſen/ So muß das Winter-Gruͤn/ und er die Erde kuͤſſen; Wenn ihn der Glieder-Agt wie Stroh nicht zu ſich reißt/ Und ihr Magnet als Feind ſein Eiſen von ſich ſchmeiſt ⁽c⁾ Alsdann ſo muß ich mich dem Sterben uͤbergeben/ Weil ohn’ Aſterien ich nicht vermag zu leben. ⁽c⁾ Erasmus Francisci berichtet/ daß in Jndien eine Art Magneten zu finden ſey/ welche dem Eiſen feind/ und es von ſich ſtoßt. Almidor an die ſich zornig ſtellende Selinde. Selinde ſiehe doch/ und lencke jene Strahlen Der ſchoͤnen Augen her auf dieſes Blat Papier/ Ließ es nur obenhin/ denn wirff es weg von dir/ Wenn es den Augen kan die Muͤhe nicht bezahlen/ Daß ſie es angeſehn. Wann aber/ ſchoͤnſtes Kind/ die Worte dir gefallen/ So ließ ſie gaͤntzlich durch/ dein Zuͤrnen ſtelle ein/ Und laß ſie zwiſchen uns die Friedens-Stiffter ſeyn; Hernach ſo ſtecke es zu deinen Marmor-Ballen Wie ſonſten wol geſchehn. Wenn eine treue Hand der Liebſten etwas ſchicket/ Das/ weil es heimlich iſt/ nicht jeder darf beſehn/ So muß der Buſen ihm zur Frey-Stadt offen ſtehn/ Eh denn das liebe Blat ihr wird hinweg geruͤcket Von dem/ der Huͤter iſt. Jſt nun das Blat verſteckt/ ſo darf dein Ohr nicht hoͤren Das Laͤſtern/ ſo der Mund der Mutter ſonſt ausſpeit/ Die auf dich Achtung giebt bey Nacht und Tages-Zeit/ Und als ein Argus mir den Zutritt will verwehren Zu dir/ die ich erkießt. Sie aber wird von uns argliſtiglich betrogen/ Wenn du/ mein Kind/ und ich nur eines Sinnes ſind; Sie wolte Argus ſeyn/ und war doch ſtarre blind/ Als dein Almidor ward durchs Fenſter auffgezogen/ Und in dein Bette kahm. Da hat dein Enge-Land ihn inniglich ergoͤtzet/ Mit mehr als Ambroſin und Goͤtter Nectar Moſt/ Jhn C 5

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/59>, abgerufen am 25.04.2024.