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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Verliebte und galante Gedichte.
Mit süssen Uberzug der glatten Wort' bedecket/
Das den/ so leichtlich traut/ aufs äuserste verzehrt.
Hier aber scheinet nichts als nur der Warheit-Schimmer/
Der keine Lügen liebt/ dem Falschheit unbewust/
Der in Gedancken nie betrübt ein Frauen-Zimmer/
Jn dessen Seele nicht die ungerechte Lust.
Je ihren Sitz gehabt noch Wohnung auffgeschlagen/
Hier zeigt ein reiner Brief die längst verborgne Glut/
So dein Gesicht erregt: Ach! könnt' ich sie vertragen/
Es solte dir mein Brief noch nicht mein letztes Guht
Zu deinen Füssen streun. Jtzt aber da mein Leben
Fast mit dem Tode ringt/ so will ich dir mein Hertz
Und deiner Schönheit-Zier zum Opffer übergeben.
Will nun Dulcinde seyn der Artzt vor meinen Schmertz?
So lasse deine Hand mir wenig Zeilen lesen/
Doch mache/ daß dein Knecht nicht Brief und Leben bricht/
Ach straffe nicht zu hart/ wenn ich zu frech gewesen/
Gedenck wer murrisch schweigt/ der haßt und liebet nicht.


Der entwaffnete Cupido.
Als nächst der Chloris Schooß die kühlen Fluhten küßte/
Versah' es Cypripor, so von der Reise kahm/
Daß er dis nackte Bild als seine Mutter grüßte
Dieweil sie ihn aus Schertz auf ihre Arme nahm.
Doch sah er den Betrug/ und weil er ohne Waffen/
Die er am Strand gelegt/ nicht kunte Rache schaffen/
So rieß er sich geschwind von ihren Armen loß/
Und flog dem Lande zu; wo er den Bogen bloß
Nicht Sehn' und Pfeile fand/ die Harpagus gestohln/
Der Chloris unvermerckt von ferne nachgeschlichen/
Und heimlich mit dem Raub war in dem Busch entwichen/
Daselbsten einen Stock zu seiner Sehn zu hohln.
Cupido durffte nicht zu seiner Mutter kommen/
Weil ihm die Sehn' und Pfeil so liederlich genommen/
Jndem er nun betrübt bey seinem Bogen saß
War er der Chloris Spott/ sie machte ihn gantz naß.
Er
Verliebte und galante Gedichte.
Mit ſuͤſſen Uberzug der glatten Wort’ bedecket/
Das den/ ſo leichtlich traut/ aufs aͤuſerſte verzehrt.
Hier aber ſcheinet nichts als nur der Warheit-Schimmer/
Der keine Luͤgen liebt/ dem Falſchheit unbewuſt/
Der in Gedancken nie betruͤbt ein Frauen-Zimmer/
Jn deſſen Seele nicht die ungerechte Luſt.
Je ihren Sitz gehabt noch Wohnung auffgeſchlagen/
Hier zeigt ein reiner Brief die laͤngſt verborgne Glut/
So dein Geſicht erregt: Ach! koͤnnt’ ich ſie vertragen/
Es ſolte dir mein Brief noch nicht mein letztes Guht
Zu deinen Fuͤſſen ſtreun. Jtzt aber da mein Leben
Faſt mit dem Tode ringt/ ſo will ich dir mein Hertz
Und deiner Schoͤnheit-Zier zum Opffer uͤbergeben.
Will nun Dulcinde ſeyn der Artzt vor meinen Schmertz?
So laſſe deine Hand mir wenig Zeilen leſen/
Doch mache/ daß dein Knecht nicht Brief und Leben bricht/
Ach ſtraffe nicht zu hart/ wenn ich zu frech geweſen/
Gedenck wer murriſch ſchweigt/ der haßt und liebet nicht.


Der entwaffnete Cupido.
Als naͤchſt der Chloris Schooß die kuͤhlen Fluhten kuͤßte/
Verſah’ es Cypripor, ſo von der Reiſe kahm/
Daß er dis nackte Bild als ſeine Mutter gruͤßte
Dieweil ſie ihn aus Schertz auf ihre Arme nahm.
Doch ſah er den Betrug/ und weil er ohne Waffen/
Die er am Strand gelegt/ nicht kunte Rache ſchaffen/
So rieß er ſich geſchwind von ihren Armen loß/
Und flog dem Lande zu; wo er den Bogen bloß
Nicht Sehn’ und Pfeile fand/ die Harpagus geſtohln/
Der Chloris unvermerckt von ferne nachgeſchlichen/
Und heimlich mit dem Raub war in dem Buſch entwichen/
Daſelbſten einen Stock zu ſeiner Sehn zu hohln.
Cupido durffte nicht zu ſeiner Mutter kommen/
Weil ihm die Sehn’ und Pfeil ſo liederlich genommen/
Jndem er nun betruͤbt bey ſeinem Bogen ſaß
War er der Chloris Spott/ ſie machte ihn gantz naß.
Er
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[45/0063] Verliebte und galante Gedichte. Mit ſuͤſſen Uberzug der glatten Wort’ bedecket/ Das den/ ſo leichtlich traut/ aufs aͤuſerſte verzehrt. Hier aber ſcheinet nichts als nur der Warheit-Schimmer/ Der keine Luͤgen liebt/ dem Falſchheit unbewuſt/ Der in Gedancken nie betruͤbt ein Frauen-Zimmer/ Jn deſſen Seele nicht die ungerechte Luſt. Je ihren Sitz gehabt noch Wohnung auffgeſchlagen/ Hier zeigt ein reiner Brief die laͤngſt verborgne Glut/ So dein Geſicht erregt: Ach! koͤnnt’ ich ſie vertragen/ Es ſolte dir mein Brief noch nicht mein letztes Guht Zu deinen Fuͤſſen ſtreun. Jtzt aber da mein Leben Faſt mit dem Tode ringt/ ſo will ich dir mein Hertz Und deiner Schoͤnheit-Zier zum Opffer uͤbergeben. Will nun Dulcinde ſeyn der Artzt vor meinen Schmertz? So laſſe deine Hand mir wenig Zeilen leſen/ Doch mache/ daß dein Knecht nicht Brief und Leben bricht/ Ach ſtraffe nicht zu hart/ wenn ich zu frech geweſen/ Gedenck wer murriſch ſchweigt/ der haßt und liebet nicht. Der entwaffnete Cupido. Als naͤchſt der Chloris Schooß die kuͤhlen Fluhten kuͤßte/ Verſah’ es Cypripor, ſo von der Reiſe kahm/ Daß er dis nackte Bild als ſeine Mutter gruͤßte Dieweil ſie ihn aus Schertz auf ihre Arme nahm. Doch ſah er den Betrug/ und weil er ohne Waffen/ Die er am Strand gelegt/ nicht kunte Rache ſchaffen/ So rieß er ſich geſchwind von ihren Armen loß/ Und flog dem Lande zu; wo er den Bogen bloß Nicht Sehn’ und Pfeile fand/ die Harpagus geſtohln/ Der Chloris unvermerckt von ferne nachgeſchlichen/ Und heimlich mit dem Raub war in dem Buſch entwichen/ Daſelbſten einen Stock zu ſeiner Sehn zu hohln. Cupido durffte nicht zu ſeiner Mutter kommen/ Weil ihm die Sehn’ und Pfeil ſo liederlich genommen/ Jndem er nun betruͤbt bey ſeinem Bogen ſaß War er der Chloris Spott/ ſie machte ihn gantz naß. Er

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/63>, abgerufen am 25.04.2024.