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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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der Unterleibs-Organe.
Mündungen, ausgedehnte pericarditische Verwachsungen, die Hypertro-
phieen, Erweiterungen der verschiedenen Herzabschnitte, der Aorta etc.
Sie während des Lebens näher zu erkennen, ist begreiflicherweise
nur nach den Regeln einer genauen physicalischen Diagnostik möglich.

§. 151.

3) Abnormitäten in den Unterleibsorganen. Unter den
acuten, organischen Erkrankungen, an denen die Irren sterben, ist
nächst der Pneumonie die Enteritis am häufigsten und wichtigsten.
Sie besteht in einem oft rasch entstandenen und ebenso rasch ver-
laufenden Catarrh eines grösseren Abschnitts des Darms, häufig mit
Folliculargeschwüren, oder in einem exsudativen Processe mit Locke-
rung, Maceration und ausgedehnter Erweichung der Schleimhaut,
welche sich wie ein blutiger Brei abstreifen lässt (das Letztere vor-
zugsweise im Ileum). Jene Catarrhe sind die Grundlage der colliquativen
Diarrhöen, deren Eintritt bei heruntergekommenen, geschwächten Kran-
ken mit Recht so gefürchtet, gegen welche die Therapie so vergeblich
aufgeboten wird; den Erweichungsprocess des Ileum haben wir auch
ohne Diarrhöe verlaufen sehen. Durch diese Krankheiten werden
besonders die Paralytisch-Blödsinnigen, aber auch nicht wenige Me-
lancholische und Maniaci hingerafft. Ihre Ursachen sind durchaus
dunkel; in manchen Anstalten mag der Missbrauch der Purganzen zu
ihrer grössern Häufigkeit beitragen. Ihre Diagnose ist schwierig;
Appetitlosigkeit, schneller Verfall der Kräfte und Diarrhöe sind immer
noch die constantesten Erscheinungen. Ihr häufiges Vorkommen macht
eine sorgfältige Betrachtung des durch den Stuhl Entleerten unter
allen etwas verdächtigen Umständen zur Pflicht.

Verengerung des Dickdarms ist besonders von Bergmann *)
als ein häufiger und wichtiger Leichenbefund angegeben worden.
Manche dieser Fälle mögen indessen nichts Krankhaftes, sondern
nur jener so häufig vorfindige Zustand von Zusammengezogensein des
Dickdarms gewesen sein, wie man ihn in einer überaus grossen An-
zahl von Leichen findet; Andere mögen vielleicht die Ergebnisse einer
Schrumpfung des Darms nach längeren catarrhalischen Processen ge-
wesen sein. Verstopfung, Gefühl von Schwere und Härte im Bauch,
auch Erbrechen kamen während des Lebens vor; der psychische
Zustand soll sich durch vorwaltende hypochondrische und melancho-
lische Ideen (Wahn, ein Thier im Bauch zu haben, Unruhe, Argwohn,
Wahn eines begangenen Verbrechens) ausgezeichnet haben.

*) Nasse, Zeitschr. f. psych. Aerzte. 1821. III. p. 100 seqq.

der Unterleibs-Organe.
Mündungen, ausgedehnte pericarditische Verwachsungen, die Hypertro-
phieen, Erweiterungen der verschiedenen Herzabschnitte, der Aorta etc.
Sie während des Lebens näher zu erkennen, ist begreiflicherweise
nur nach den Regeln einer genauen physicalischen Diagnostik möglich.

§. 151.

3) Abnormitäten in den Unterleibsorganen. Unter den
acuten, organischen Erkrankungen, an denen die Irren sterben, ist
nächst der Pneumonie die Enteritis am häufigsten und wichtigsten.
Sie besteht in einem oft rasch entstandenen und ebenso rasch ver-
laufenden Catarrh eines grösseren Abschnitts des Darms, häufig mit
Folliculargeschwüren, oder in einem exsudativen Processe mit Locke-
rung, Maceration und ausgedehnter Erweichung der Schleimhaut,
welche sich wie ein blutiger Brei abstreifen lässt (das Letztere vor-
zugsweise im Ileum). Jene Catarrhe sind die Grundlage der colliquativen
Diarrhöen, deren Eintritt bei heruntergekommenen, geschwächten Kran-
ken mit Recht so gefürchtet, gegen welche die Therapie so vergeblich
aufgeboten wird; den Erweichungsprocess des Ileum haben wir auch
ohne Diarrhöe verlaufen sehen. Durch diese Krankheiten werden
besonders die Paralytisch-Blödsinnigen, aber auch nicht wenige Me-
lancholische und Maniaci hingerafft. Ihre Ursachen sind durchaus
dunkel; in manchen Anstalten mag der Missbrauch der Purganzen zu
ihrer grössern Häufigkeit beitragen. Ihre Diagnose ist schwierig;
Appetitlosigkeit, schneller Verfall der Kräfte und Diarrhöe sind immer
noch die constantesten Erscheinungen. Ihr häufiges Vorkommen macht
eine sorgfältige Betrachtung des durch den Stuhl Entleerten unter
allen etwas verdächtigen Umständen zur Pflicht.

Verengerung des Dickdarms ist besonders von Bergmann *)
als ein häufiger und wichtiger Leichenbefund angegeben worden.
Manche dieser Fälle mögen indessen nichts Krankhaftes, sondern
nur jener so häufig vorfindige Zustand von Zusammengezogensein des
Dickdarms gewesen sein, wie man ihn in einer überaus grossen An-
zahl von Leichen findet; Andere mögen vielleicht die Ergebnisse einer
Schrumpfung des Darms nach längeren catarrhalischen Processen ge-
wesen sein. Verstopfung, Gefühl von Schwere und Härte im Bauch,
auch Erbrechen kamen während des Lebens vor; der psychische
Zustand soll sich durch vorwaltende hypochondrische und melancho-
lische Ideen (Wahn, ein Thier im Bauch zu haben, Unruhe, Argwohn,
Wahn eines begangenen Verbrechens) ausgezeichnet haben.

*) Nasse, Zeitschr. f. psych. Aerzte. 1821. III. p. 100 seqq.
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[327/0341] der Unterleibs-Organe. Mündungen, ausgedehnte pericarditische Verwachsungen, die Hypertro- phieen, Erweiterungen der verschiedenen Herzabschnitte, der Aorta etc. Sie während des Lebens näher zu erkennen, ist begreiflicherweise nur nach den Regeln einer genauen physicalischen Diagnostik möglich. §. 151. 3) Abnormitäten in den Unterleibsorganen. Unter den acuten, organischen Erkrankungen, an denen die Irren sterben, ist nächst der Pneumonie die Enteritis am häufigsten und wichtigsten. Sie besteht in einem oft rasch entstandenen und ebenso rasch ver- laufenden Catarrh eines grösseren Abschnitts des Darms, häufig mit Folliculargeschwüren, oder in einem exsudativen Processe mit Locke- rung, Maceration und ausgedehnter Erweichung der Schleimhaut, welche sich wie ein blutiger Brei abstreifen lässt (das Letztere vor- zugsweise im Ileum). Jene Catarrhe sind die Grundlage der colliquativen Diarrhöen, deren Eintritt bei heruntergekommenen, geschwächten Kran- ken mit Recht so gefürchtet, gegen welche die Therapie so vergeblich aufgeboten wird; den Erweichungsprocess des Ileum haben wir auch ohne Diarrhöe verlaufen sehen. Durch diese Krankheiten werden besonders die Paralytisch-Blödsinnigen, aber auch nicht wenige Me- lancholische und Maniaci hingerafft. Ihre Ursachen sind durchaus dunkel; in manchen Anstalten mag der Missbrauch der Purganzen zu ihrer grössern Häufigkeit beitragen. Ihre Diagnose ist schwierig; Appetitlosigkeit, schneller Verfall der Kräfte und Diarrhöe sind immer noch die constantesten Erscheinungen. Ihr häufiges Vorkommen macht eine sorgfältige Betrachtung des durch den Stuhl Entleerten unter allen etwas verdächtigen Umständen zur Pflicht. Verengerung des Dickdarms ist besonders von Bergmann *) als ein häufiger und wichtiger Leichenbefund angegeben worden. Manche dieser Fälle mögen indessen nichts Krankhaftes, sondern nur jener so häufig vorfindige Zustand von Zusammengezogensein des Dickdarms gewesen sein, wie man ihn in einer überaus grossen An- zahl von Leichen findet; Andere mögen vielleicht die Ergebnisse einer Schrumpfung des Darms nach längeren catarrhalischen Processen ge- wesen sein. Verstopfung, Gefühl von Schwere und Härte im Bauch, auch Erbrechen kamen während des Lebens vor; der psychische Zustand soll sich durch vorwaltende hypochondrische und melancho- lische Ideen (Wahn, ein Thier im Bauch zu haben, Unruhe, Argwohn, Wahn eines begangenen Verbrechens) ausgezeichnet haben. *) Nasse, Zeitschr. f. psych. Aerzte. 1821. III. p. 100 seqq.

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/341>, abgerufen am 28.03.2024.