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Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.

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Sappho
(fährt bey den letzten Worten empor, und blickt die Knie-
enden mit einem starren Blicke an, wendet sich dann
schnell um und geht.)
Melitta.
Weh mir! sie flieht, sie hat ihr Kind verstoßen.
(Sappho ab. Eucharis und Dienerinnen
folgen.)
Vierter Auftritt.
Vorige, ohne Sappho, und Eucharis.
Phaon.
Steh auf, mein Kind! Zu Menschen flehe nicht,
Noch bleiben uns die Götter und wir selbst!
Melitta.
Ich kann nicht leben, wenn sie mich verdammt,
Ihr Auge war von jeher mir der Spiegel,
Vor dem ich all mein Thun und Fühlen prüfte,
Er zeigt mir jetzt die eig'ne Ungestalt.
Was muß sie leiden, die gekränkte Frau!
Phaon.
Du leihst ihr dein Gefühl. Ganz and're Wogen
Erheben sich in dieser Stolzen Brust!
Melitta.
Scheint sie auch stolz, mir war sie immer gütig,
Sappho
(fährt bey den letzten Worten empor, und blickt die Knie-
enden mit einem ſtarren Blicke an, wendet ſich dann
ſchnell um und geht.)
Melitta.
Weh mir! ſie flieht, ſie hat ihr Kind verſtoßen.
(Sappho ab. Eucharis und Dienerinnen
folgen.)
Vierter Auftritt.
Vorige, ohne Sappho, und Eucharis.
Phaon.
Steh auf, mein Kind! Zu Menſchen flehe nicht,
Noch bleiben uns die Götter und wir ſelbſt!
Melitta.
Ich kann nicht leben, wenn ſie mich verdammt,
Ihr Auge war von jeher mir der Spiegel,
Vor dem ich all mein Thun und Fühlen prüfte,
Er zeigt mir jetzt die eig'ne Ungeſtalt.
Was muß ſie leiden, die gekränkte Frau!
Phaon.
Du leihſt ihr dein Gefühl. Ganz and're Wogen
Erheben ſich in dieſer Stolzen Bruſt!
Melitta.
Scheint ſie auch ſtolz, mir war ſie immer gütig,
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[113/0123] Sappho (fährt bey den letzten Worten empor, und blickt die Knie- enden mit einem ſtarren Blicke an, wendet ſich dann ſchnell um und geht.) Melitta. Weh mir! ſie flieht, ſie hat ihr Kind verſtoßen. (Sappho ab. Eucharis und Dienerinnen folgen.) Vierter Auftritt. Vorige , ohne Sappho , und Eucharis. Phaon. Steh auf, mein Kind! Zu Menſchen flehe nicht, Noch bleiben uns die Götter und wir ſelbſt! Melitta. Ich kann nicht leben, wenn ſie mich verdammt, Ihr Auge war von jeher mir der Spiegel, Vor dem ich all mein Thun und Fühlen prüfte, Er zeigt mir jetzt die eig'ne Ungeſtalt. Was muß ſie leiden, die gekränkte Frau! Phaon. Du leihſt ihr dein Gefühl. Ganz and're Wogen Erheben ſich in dieſer Stolzen Bruſt! Melitta. Scheint ſie auch ſtolz, mir war ſie immer gütig,

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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/123>, abgerufen am 19.03.2024.