Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
II. allgemeine vergleichung der conjugation.
III. erwägung der flexion.

Die flexion ist schon s. 835. 836. im allgemeinen charac-
terisiert worden; nähere erläuterungen sind erst jetzt
möglich. Redupl. und ablaut waren, wie wir gesehn
haben, unterscheidendes merkmahl der starken, ablei-
tungsvoc. und eingeschaltetes d, t der schwachen con-
jugation, in der eigentlichen flexion dienen consonanten,
um das verhältnis der personen, vocale, um das der
zeit und modalität auszudrücken.

1) (consonanten) die erste person sg. endigt in der re-
gel ohne consonanz, ausgenommen a) im alth. praes.
ind. zweiter und dritter schwacher conj. auf -om,
-em
(späterhin -on, -en, gegen das 13. jahrh. all-
mählich aussterbend). b) gleichfalls auf -m im alth.
gam oder gem, stam oder stem, tuom oder tom und
pim (s. 868. 885. 881.) woraus wiederum später gan,
stan, tuon, pin erwächst; mittelh. beharren gan, stan
(gen, sten) tuon, han, bin (s. 944. 965. 966. 962.) ob
noch andere? vgl. s. 945. 958.; neuh. nur bin, volks-
mundarten setzen -en auch anderwärts (Schm. §. 906.).
g) im goth. findet sich das einzige im (s. 851.); angels.
das einzige eom, beom (s. 909.) altn. das einzige em
(s. 925.) alts. außer bium, biun auch noch sten und don
neben dom (s. 890. 894.). d) schwed. und dän. durch-
gehends auf -r. Letztere ausnahme ist offenbar un-
organisch, nämlich das -r aus der zweiten pers. vor-
gedrungen; das -m (-n) der übrigen ausnahmen
scheint hingegen die uralte allgemeine flexion der
ersten pers. anzuzeigen und nicht bloß ein goth. sal-
bom, habaim oder habam, sondern auch ein haifam
(voco) haitaum (vocem) haihaitam (vocavi) zu verra-
then. Vergleichbar ist das dem dat. sg. abgefallene
-m, neben dem dat. pl. -ms st. des spätern -m (oben
s. 808). -- Die zweite pers. sg. flectiert in der regel
consonantisch, ausgenommen im alth. mittelh. alts,
und angels. (nicht aber niederl. und neuh.) starken praet.
ind., wo sie bloßen vocal besitzt. Die consonanz
schwankt zwischen -s (nord. -r) -st und -t, näm-
lich a) -s herrscht im goth. alth. alts. und niederl.
praes. starker und schwacher, sodann im praet. ind.
schwacher (nicht starker, außer im niederl.) endlich
im praet. conj. starker und schwacher form, ihm ent-
spricht das nord. -r. b) st findet sich angels. statt
des goth. -s, alth. nur zuweilen (entschieden bei N.)
U u u 2
II. allgemeine vergleichung der conjugation.
III. erwägung der flexion.

Die flexion iſt ſchon ſ. 835. 836. im allgemeinen charac-
teriſiert worden; nähere erläuterungen ſind erſt jetzt
möglich. Redupl. und ablaut waren, wie wir geſehn
haben, unterſcheidendes merkmahl der ſtarken, ablei-
tungsvoc. und eingeſchaltetes d, t der ſchwachen con-
jugation, in der eigentlichen flexion dienen conſonanten,
um das verhältnis der perſonen, vocale, um das der
zeit und modalität auszudrücken.

1) (conſonanten) die erſte perſon ſg. endigt in der re-
gel ohne conſonanz, ausgenommen α) im alth. praeſ.
ind. zweiter und dritter ſchwacher conj. auf -ôm,
-êm
(ſpäterhin -ôn, -ên, gegen das 13. jahrh. all-
mählich ausſterbend). β) gleichfalls auf -m im alth.
gâm oder gêm, ſtâm oder ſtêm, tuom oder tôm und
pim (ſ. 868. 885. 881.) woraus wiederum ſpäter gân,
ſtân, tuon, pin erwächſt; mittelh. beharren gân, ſtân
(gên, ſtên) tuon, hân, bin (ſ. 944. 965. 966. 962.) ob
noch andere? vgl. ſ. 945. 958.; neuh. nur bin, volks-
mundarten ſetzen -en auch anderwärts (Schm. §. 906.).
γ) im goth. findet ſich das einzige ïm (ſ. 851.); angelſ.
das einzige ëom, bëom (ſ. 909.) altn. das einzige ëm
(ſ. 925.) altſ. außer bium, biun auch noch ſtên und dôn
neben dôm (ſ. 890. 894.). δ) ſchwed. und dän. durch-
gehends auf -r. Letztere ausnahme iſt offenbar un-
organiſch, nämlich das -r aus der zweiten perſ. vor-
gedrungen; das -m (-n) der übrigen ausnahmen
ſcheint hingegen die uralte allgemeine flexion der
erſten perſ. anzuzeigen und nicht bloß ein goth. ſal-
bôm, habáim oder habam, ſondern auch ein háifam
(voco) haitáum (vocem) háiháitam (vocavi) zu verra-
then. Vergleichbar iſt das dem dat. ſg. abgefallene
-m, neben dem dat. pl. -ms ſt. des ſpätern -m (oben
ſ. 808). — Die zweite perſ. ſg. flectiert in der regel
conſonantiſch, ausgenommen im alth. mittelh. altſ,
und angelſ. (nicht aber niederl. und neuh.) ſtarken praet.
ind., wo ſie bloßen vocal beſitzt. Die conſonanz
ſchwankt zwiſchen -s (nord. -r) -ſt und -t, näm-
lich α) -s herrſcht im goth. alth. altſ. und niederl.
praeſ. ſtarker und ſchwacher, ſodann im praet. ind.
ſchwacher (nicht ſtarker, außer im niederl.) endlich
im praet. conj. ſtarker und ſchwacher form, ihm ent-
ſpricht das nord. -r. β) ſt findet ſich angelſ. ſtatt
des goth. -s, alth. nur zuweilen (entſchieden bei N.)
U u u 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f1069" n="1043"/>
            <fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">allgemeine vergleichung der conjugation.</hi></fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">III. erwägung der flexion.</hi> </head><lb/>
              <p>Die flexion i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;. 835. 836. im allgemeinen charac-<lb/>
teri&#x017F;iert worden; nähere erläuterungen &#x017F;ind er&#x017F;t jetzt<lb/>
möglich. Redupl. und ablaut waren, wie wir ge&#x017F;ehn<lb/>
haben, unter&#x017F;cheidendes merkmahl der &#x017F;tarken, ablei-<lb/>
tungsvoc. und einge&#x017F;chaltetes d, t der &#x017F;chwachen con-<lb/>
jugation, in der eigentlichen flexion dienen con&#x017F;onanten,<lb/>
um das verhältnis der per&#x017F;onen, vocale, um das der<lb/>
zeit und modalität auszudrücken.</p><lb/>
              <list>
                <item>1) (<hi rendition="#i">con&#x017F;onanten</hi>) <hi rendition="#i">die er&#x017F;te per&#x017F;on &#x017F;g.</hi> endigt in der re-<lb/>
gel ohne con&#x017F;onanz, ausgenommen <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) im alth. prae&#x017F;.<lb/>
ind. zweiter und dritter &#x017F;chwacher conj. auf <hi rendition="#i">-ôm,<lb/>
-êm</hi> (&#x017F;päterhin -ôn, -ên, gegen das 13. jahrh. all-<lb/>
mählich aus&#x017F;terbend). <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) gleichfalls auf <hi rendition="#i">-m</hi> im alth.<lb/>
gâm oder gêm, &#x017F;tâm oder &#x017F;têm, tuom oder tôm und<lb/>
pim (&#x017F;. 868. 885. 881.) woraus wiederum &#x017F;päter gân,<lb/>
&#x017F;tân, tuon, pin erwäch&#x017F;t; mittelh. beharren gân, &#x017F;tân<lb/>
(gên, &#x017F;tên) tuon, hân, bin (&#x017F;. 944. 965. 966. 962.) ob<lb/>
noch andere? vgl. &#x017F;. 945. 958.; neuh. nur bin, volks-<lb/>
mundarten &#x017F;etzen -en auch anderwärts (Schm. §. 906.).<lb/><hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) im goth. findet &#x017F;ich das einzige ïm (&#x017F;. 851.); angel&#x017F;.<lb/>
das einzige ëom, bëom (&#x017F;. 909.) altn. das einzige ëm<lb/>
(&#x017F;. 925.) alt&#x017F;. außer bium, biun auch noch &#x017F;tên und dôn<lb/>
neben dôm (&#x017F;. 890. 894.). <hi rendition="#i">&#x03B4;</hi>) &#x017F;chwed. und dän. durch-<lb/>
gehends auf -r. Letztere ausnahme i&#x017F;t offenbar un-<lb/>
organi&#x017F;ch, nämlich das -r aus der zweiten per&#x017F;. vor-<lb/>
gedrungen; das -m (-n) der übrigen ausnahmen<lb/>
&#x017F;cheint hingegen die uralte allgemeine flexion der<lb/>
er&#x017F;ten per&#x017F;. anzuzeigen und nicht bloß ein goth. &#x017F;al-<lb/>
bôm, habáim oder habam, &#x017F;ondern auch ein háifam<lb/>
(voco) haitáum (vocem) háiháitam (vocavi) zu verra-<lb/>
then. Vergleichbar i&#x017F;t das dem dat. &#x017F;g. abgefallene<lb/>
-m, neben dem dat. pl. -ms &#x017F;t. des &#x017F;pätern -m (oben<lb/>
&#x017F;. 808). &#x2014; Die <hi rendition="#i">zweite per&#x017F;</hi>. <hi rendition="#i">&#x017F;g</hi>. flectiert in der regel<lb/>
con&#x017F;onanti&#x017F;ch, ausgenommen im alth. mittelh. alt&#x017F;,<lb/>
und angel&#x017F;. (nicht aber niederl. und neuh.) &#x017F;tarken praet.<lb/>
ind., wo &#x017F;ie bloßen vocal be&#x017F;itzt. Die con&#x017F;onanz<lb/>
&#x017F;chwankt zwi&#x017F;chen -s (nord. -r) -&#x017F;t und -t, näm-<lb/>
lich <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) -s herr&#x017F;cht im goth. alth. alt&#x017F;. und niederl.<lb/>
prae&#x017F;. &#x017F;tarker und &#x017F;chwacher, &#x017F;odann im praet. ind.<lb/>
&#x017F;chwacher (nicht &#x017F;tarker, außer im niederl.) endlich<lb/>
im praet. conj. &#x017F;tarker und &#x017F;chwacher form, ihm ent-<lb/>
&#x017F;pricht das nord. -r. <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) <hi rendition="#i">&#x017F;t</hi> findet &#x017F;ich angel&#x017F;. &#x017F;tatt<lb/>
des goth. -s, alth. nur zuweilen (ent&#x017F;chieden bei N.)<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u u 2</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1043/1069] II. allgemeine vergleichung der conjugation. III. erwägung der flexion. Die flexion iſt ſchon ſ. 835. 836. im allgemeinen charac- teriſiert worden; nähere erläuterungen ſind erſt jetzt möglich. Redupl. und ablaut waren, wie wir geſehn haben, unterſcheidendes merkmahl der ſtarken, ablei- tungsvoc. und eingeſchaltetes d, t der ſchwachen con- jugation, in der eigentlichen flexion dienen conſonanten, um das verhältnis der perſonen, vocale, um das der zeit und modalität auszudrücken. 1) (conſonanten) die erſte perſon ſg. endigt in der re- gel ohne conſonanz, ausgenommen α) im alth. praeſ. ind. zweiter und dritter ſchwacher conj. auf -ôm, -êm (ſpäterhin -ôn, -ên, gegen das 13. jahrh. all- mählich ausſterbend). β) gleichfalls auf -m im alth. gâm oder gêm, ſtâm oder ſtêm, tuom oder tôm und pim (ſ. 868. 885. 881.) woraus wiederum ſpäter gân, ſtân, tuon, pin erwächſt; mittelh. beharren gân, ſtân (gên, ſtên) tuon, hân, bin (ſ. 944. 965. 966. 962.) ob noch andere? vgl. ſ. 945. 958.; neuh. nur bin, volks- mundarten ſetzen -en auch anderwärts (Schm. §. 906.). γ) im goth. findet ſich das einzige ïm (ſ. 851.); angelſ. das einzige ëom, bëom (ſ. 909.) altn. das einzige ëm (ſ. 925.) altſ. außer bium, biun auch noch ſtên und dôn neben dôm (ſ. 890. 894.). δ) ſchwed. und dän. durch- gehends auf -r. Letztere ausnahme iſt offenbar un- organiſch, nämlich das -r aus der zweiten perſ. vor- gedrungen; das -m (-n) der übrigen ausnahmen ſcheint hingegen die uralte allgemeine flexion der erſten perſ. anzuzeigen und nicht bloß ein goth. ſal- bôm, habáim oder habam, ſondern auch ein háifam (voco) haitáum (vocem) háiháitam (vocavi) zu verra- then. Vergleichbar iſt das dem dat. ſg. abgefallene -m, neben dem dat. pl. -ms ſt. des ſpätern -m (oben ſ. 808). — Die zweite perſ. ſg. flectiert in der regel conſonantiſch, ausgenommen im alth. mittelh. altſ, und angelſ. (nicht aber niederl. und neuh.) ſtarken praet. ind., wo ſie bloßen vocal beſitzt. Die conſonanz ſchwankt zwiſchen -s (nord. -r) -ſt und -t, näm- lich α) -s herrſcht im goth. alth. altſ. und niederl. praeſ. ſtarker und ſchwacher, ſodann im praet. ind. ſchwacher (nicht ſtarker, außer im niederl.) endlich im praet. conj. ſtarker und ſchwacher form, ihm ent- ſpricht das nord. -r. β) ſt findet ſich angelſ. ſtatt des goth. -s, alth. nur zuweilen (entſchieden bei N.) U u u 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1069
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 1043. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1069>, abgerufen am 25.04.2024.