Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. mittelhochdeutsche consonanten. gutturales.
(im Tit. pfingsten:ringsten) ferner crucifixen (cruci-
fixum) welches auf nixen syrenarum (M. S. 2, 200b)
reimt, letzteres als deutsches wort fordert die genauere
schreibung niches, gen. pl. nichesen. Indessen wird auch
ax oder axs f. ackes geschrieben. -- HT. ahte (observa-
tio) pfahte (aus pactum, lex) maht (vis) naht (nox) man-
slaht (homicidium) braht (clamor) trahten (meditari)
über das schwanken zwischen aht und aht s. 342. über
ehte st. ehte s. 334. wo beispiele angegeben sind; vehten.
flehten. reht. sleht. endungen -eht, -oht, -aht (? oht,
aht) iht. wiht. niht. pfliht. gesiht. gesciht. zuoversiht.
mastriht (Parc. 38b traj. ad mosam) gegihte (arthritis)
gedihte (spissus) tihten (dictare) slihten (planare) rihten.
rohter. mohte. tohte. fluht. fruht. genuht. zuht. suht.
duhte (videbatur) beihte (confessio) leihte (leviter) seihte
(sicce) lieht (lux) austrieht (terra ignota. troj. 128c) lauhte
(lucebat) suohte (quaesivit) ruohte (curavit). Manche
dieser ht slammen aus fremdem ct (pactum, trajectum,
dictare) einige aus deutschem ct und gt (die anomalen
praet. mahte oder mohte, duhte, ruohte, suohte, brahte,
braht). Die unorg. ht für ct und cht sieh s. 432.; viel-
leicht auch ht für st? (s. 416.). Von berührung des ht
mit st beim niederd. vgl. die reime krefte:geslchte
Wilh. 2, 38b maht:schaft:haft Wilh. 1, 17a braht:riter-
schaft Reinfr. 52d gemaht:schaft Bon. 49, 5.

Schlußbemerkungen.
1) durch assimilation wird der cons. einer vorstehenden
silbe dem der folgenden gleichgemacht, als küllinc (pro-
pinquus) kolocz 404. 407.) f. künelinc (ejusd. generis)
Roth. 35a Maria 200. noch konling, künlinge; ebenso
zwillinc (gemellus) aus zwinelinc (vgl. analoge lat. fälle
bei Schneider p. 300.). Das alth. guolleich f. guotlich (oben
s. 123.) scheint veraltet, wenn nicht beihtebuoch s. 31. 32.
die sonderbare form gvenlichi in guolleiche zu beßern
ist. Andere beispiele vorhin s. 419. beim ss. Zuwei-
len wird ein buchstabe der vorstehenden silbe unter-
drückt, um assim. oder einfachern laut hervorzubrin-
gen, wie in lussam, rileich, siecheit f. lustsam, reichlich,
siechheit (oben s. 419. 431.). -- Die einem eigennamen
vorgesetzten subst. herre und frouwe pflegen in her
und frou gekürzt zu werden, z. b. her heinrich, her
eisengrein, frou brünhilt; einigemahl zeigt sich schon
die stärkere kürzung des letzteren in ver, als ver
pinte, ver hersant (kolocz 363. 383. 384.) ver guete,

I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
(im Tit. pfingſten:ringſten) ferner crucifixen (cruci-
fixum) welches auf nixen ſyrenarum (M. S. 2, 200b)
reimt, letzteres als deutſches wort fordert die genauere
ſchreibung niches, gen. pl. nicheſen. Indeſſen wird auch
ax oder axs f. ackes geſchrieben. — HT. ahte (obſerva-
tio) pfahte (aus pactum, lex) maht (vis) naht (nox) man-
ſlaht (homicidium) braht (clamor) trahten (meditari)
über das ſchwanken zwiſchen aht und âht ſ. 342. über
ëhte ſt. ehte ſ. 334. wo beiſpiele angegeben ſind; vëhten.
flëhten. rëht. ſlëht. endungen -ëht, -oht, -aht (? ôht,
âht) iht. wiht. niht. pfliht. geſiht. geſciht. zuoverſiht.
maſtriht (Parc. 38b traj. ad moſam) gegihte (arthritis)
gedihte (ſpiſſus) tihten (dictare) ſlihten (planare) rihten.
rohter. mohte. tohte. fluht. fruht. genuht. zuht. ſuht.
duhte (videbatur) bîhte (confeſſio) lîhte (leviter) ſîhte
(ſicce) lieht (lux) ûſtrieht (terra ignota. troj. 128c) lûhte
(lucebat) ſuohte (quaeſivit) ruohte (curavit). Manche
dieſer ht ſlammen aus fremdem ct (pactum, trajectum,
dictare) einige aus deutſchem ct und gt (die anomalen
praet. mahte oder mohte, duhte, ruohte, ſuohte, brahte,
brâht). Die unorg. ht für ct und cht ſieh ſ. 432.; viel-
leicht auch ht für ſt? (ſ. 416.). Von berührung des ht
mit ſt beim niederd. vgl. die reime krefte:geſlchte
Wilh. 2, 38b maht:ſchaft:haft Wilh. 1, 17a braht:riter-
ſchaft Reinfr. 52d gemaht:ſchaft Bon. 49, 5.

Schlußbemerkungen.
1) durch aſſimilation wird der conſ. einer vorſtehenden
ſilbe dem der folgenden gleichgemacht, als küllinc (pro-
pinquus) kolocz 404. 407.) f. künelinc (ejusd. generis)
Roth. 35a Maria 200. noch konling, künlinge; ebenſo
zwillinc (gemellus) aus zwinelinc (vgl. analoge lat. fälle
bei Schneider p. 300.). Das alth. guollîch f. guotlìch (oben
ſ. 123.) ſcheint veraltet, wenn nicht bîhtebuoch ſ. 31. 32.
die ſonderbare form gvenlichi in guollîche zu beßern
iſt. Andere beiſpiele vorhin ſ. 419. beim ſſ. Zuwei-
len wird ein buchſtabe der vorſtehenden ſilbe unter-
drückt, um aſſim. oder einfachern laut hervorzubrin-
gen, wie in luſſam, rìlîch, ſiecheit f. luſtſam, rîchlìch,
ſiechheit (oben ſ. 419. 431.). — Die einem eigennamen
vorgeſetzten ſubſt. hërre und frouwe pflegen in hër
und frou gekürzt zu werden, z. b. hër heinrich, hër
îſengrîn, frou brünhilt; einigemahl zeigt ſich ſchon
die ſtärkere kürzung des letzteren in vër, als vër
pinte, vër hërſant (kolocz 363. 383. 384.) vër guete,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0469" n="443"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelhochdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. gutturales.</hi></fw><lb/>
(im Tit. pfing&#x017F;ten:ring&#x017F;ten) ferner crucifixen (cruci-<lb/>
fixum) welches auf nixen &#x017F;yrenarum (M. S. 2, 200<hi rendition="#sup">b</hi>)<lb/>
reimt, letzteres als deut&#x017F;ches wort fordert die genauere<lb/>
&#x017F;chreibung niches, gen. pl. niche&#x017F;en. Inde&#x017F;&#x017F;en wird auch<lb/>
ax oder axs f. ackes ge&#x017F;chrieben. &#x2014; HT. ahte (ob&#x017F;erva-<lb/>
tio) pfahte (aus pactum, lex) maht (vis) naht (nox) man-<lb/>
&#x017F;laht (homicidium) braht (clamor) trahten (meditari)<lb/>
über das &#x017F;chwanken zwi&#x017F;chen aht und âht &#x017F;. 342. über<lb/>
ëhte &#x017F;t. ehte &#x017F;. 334. wo bei&#x017F;piele angegeben &#x017F;ind; vëhten.<lb/>
flëhten. rëht. &#x017F;lëht. endungen -ëht, -oht, -aht (? ôht,<lb/>
âht) iht. wiht. niht. pfliht. ge&#x017F;iht. ge&#x017F;ciht. zuover&#x017F;iht.<lb/>
ma&#x017F;triht (Parc. 38<hi rendition="#sup">b</hi> traj. ad mo&#x017F;am) gegihte (arthritis)<lb/>
gedihte (&#x017F;pi&#x017F;&#x017F;us) tihten (dictare) &#x017F;lihten (planare) rihten.<lb/>
rohter. mohte. tohte. fluht. fruht. genuht. zuht. &#x017F;uht.<lb/>
duhte (videbatur) bîhte (confe&#x017F;&#x017F;io) lîhte (leviter) &#x017F;îhte<lb/>
(&#x017F;icce) lieht (lux) û&#x017F;trieht (terra ignota. troj. 128<hi rendition="#sup">c</hi>) lûhte<lb/>
(lucebat) &#x017F;uohte (quae&#x017F;ivit) ruohte (curavit). Manche<lb/>
die&#x017F;er ht &#x017F;lammen aus fremdem ct (pactum, trajectum,<lb/>
dictare) einige aus deut&#x017F;chem ct und gt (die anomalen<lb/>
praet. mahte oder mohte, duhte, ruohte, &#x017F;uohte, brahte,<lb/>
brâht). Die unorg. ht für ct und cht &#x017F;ieh &#x017F;. 432.; viel-<lb/>
leicht auch ht für &#x017F;t? (&#x017F;. 416.). Von berührung des ht<lb/>
mit &#x017F;t beim niederd. vgl. die reime krefte:ge&#x017F;lchte<lb/>
Wilh. 2, 38<hi rendition="#sup">b</hi> maht:&#x017F;chaft:haft Wilh. 1, 17<hi rendition="#sup">a</hi> braht:riter-<lb/>
&#x017F;chaft Reinfr. 52<hi rendition="#sup">d</hi> gemaht:&#x017F;chaft Bon. 49, 5.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">Schlußbemerkungen.</hi> </head><lb/>
              <list>
                <item>1) durch <hi rendition="#i">a&#x017F;&#x017F;imilation</hi> wird der con&#x017F;. einer vor&#x017F;tehenden<lb/>
&#x017F;ilbe dem der folgenden gleichgemacht, als küllinc (pro-<lb/>
pinquus) kolocz 404. 407.) f. künelinc (ejusd. generis)<lb/>
Roth. 35<hi rendition="#sup">a</hi> Maria 200. noch konling, künlinge; eben&#x017F;o<lb/>
zwillinc (gemellus) aus zwinelinc (vgl. analoge lat. fälle<lb/>
bei Schneider p. 300.). Das alth. guollîch f. guotlìch (oben<lb/>
&#x017F;. 123.) &#x017F;cheint veraltet, wenn nicht bîhtebuoch &#x017F;. 31. 32.<lb/>
die &#x017F;onderbare form gvenlichi in guollîche zu beßern<lb/>
i&#x017F;t. Andere bei&#x017F;piele vorhin &#x017F;. 419. beim &#x017F;&#x017F;. Zuwei-<lb/>
len wird ein buch&#x017F;tabe der vor&#x017F;tehenden &#x017F;ilbe unter-<lb/>
drückt, um a&#x017F;&#x017F;im. oder einfachern laut hervorzubrin-<lb/>
gen, wie in lu&#x017F;&#x017F;am, rìlîch, &#x017F;iecheit f. lu&#x017F;t&#x017F;am, rîchlìch,<lb/>
&#x017F;iechheit (oben &#x017F;. 419. 431.). &#x2014; Die einem eigennamen<lb/>
vorge&#x017F;etzten &#x017F;ub&#x017F;t. hërre und frouwe pflegen in <hi rendition="#i">hër</hi><lb/>
und <hi rendition="#i">frou</hi> gekürzt zu werden, z. b. hër heinrich, hër<lb/>
î&#x017F;engrîn, frou brünhilt; einigemahl zeigt &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
die &#x017F;tärkere kürzung des letzteren in <hi rendition="#i">vër</hi>, als vër<lb/>
pinte, vër hër&#x017F;ant (kolocz 363. 383. 384.) vër guete,<lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0469] I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales. (im Tit. pfingſten:ringſten) ferner crucifixen (cruci- fixum) welches auf nixen ſyrenarum (M. S. 2, 200b) reimt, letzteres als deutſches wort fordert die genauere ſchreibung niches, gen. pl. nicheſen. Indeſſen wird auch ax oder axs f. ackes geſchrieben. — HT. ahte (obſerva- tio) pfahte (aus pactum, lex) maht (vis) naht (nox) man- ſlaht (homicidium) braht (clamor) trahten (meditari) über das ſchwanken zwiſchen aht und âht ſ. 342. über ëhte ſt. ehte ſ. 334. wo beiſpiele angegeben ſind; vëhten. flëhten. rëht. ſlëht. endungen -ëht, -oht, -aht (? ôht, âht) iht. wiht. niht. pfliht. geſiht. geſciht. zuoverſiht. maſtriht (Parc. 38b traj. ad moſam) gegihte (arthritis) gedihte (ſpiſſus) tihten (dictare) ſlihten (planare) rihten. rohter. mohte. tohte. fluht. fruht. genuht. zuht. ſuht. duhte (videbatur) bîhte (confeſſio) lîhte (leviter) ſîhte (ſicce) lieht (lux) ûſtrieht (terra ignota. troj. 128c) lûhte (lucebat) ſuohte (quaeſivit) ruohte (curavit). Manche dieſer ht ſlammen aus fremdem ct (pactum, trajectum, dictare) einige aus deutſchem ct und gt (die anomalen praet. mahte oder mohte, duhte, ruohte, ſuohte, brahte, brâht). Die unorg. ht für ct und cht ſieh ſ. 432.; viel- leicht auch ht für ſt? (ſ. 416.). Von berührung des ht mit ſt beim niederd. vgl. die reime krefte:geſlchte Wilh. 2, 38b maht:ſchaft:haft Wilh. 1, 17a braht:riter- ſchaft Reinfr. 52d gemaht:ſchaft Bon. 49, 5. Schlußbemerkungen. 1) durch aſſimilation wird der conſ. einer vorſtehenden ſilbe dem der folgenden gleichgemacht, als küllinc (pro- pinquus) kolocz 404. 407.) f. künelinc (ejusd. generis) Roth. 35a Maria 200. noch konling, künlinge; ebenſo zwillinc (gemellus) aus zwinelinc (vgl. analoge lat. fälle bei Schneider p. 300.). Das alth. guollîch f. guotlìch (oben ſ. 123.) ſcheint veraltet, wenn nicht bîhtebuoch ſ. 31. 32. die ſonderbare form gvenlichi in guollîche zu beßern iſt. Andere beiſpiele vorhin ſ. 419. beim ſſ. Zuwei- len wird ein buchſtabe der vorſtehenden ſilbe unter- drückt, um aſſim. oder einfachern laut hervorzubrin- gen, wie in luſſam, rìlîch, ſiecheit f. luſtſam, rîchlìch, ſiechheit (oben ſ. 419. 431.). — Die einem eigennamen vorgeſetzten ſubſt. hërre und frouwe pflegen in hër und frou gekürzt zu werden, z. b. hër heinrich, hër îſengrîn, frou brünhilt; einigemahl zeigt ſich ſchon die ſtärkere kürzung des letzteren in vër, als vër pinte, vër hërſant (kolocz 363. 383. 384.) vër guete,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/469
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/469>, abgerufen am 29.03.2024.