Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. mittelniederdeutsche consonanten. labiales.
geve (donnm), mittelh. vaß, gebe, goth. fat, giba. --
2) auslautend steht nur f. (nie v) z. b. gaf (dedit) dief
(fur) scref (scripsit) lof (laus) hof (aula) wolf (lupus)
starf (mortuus est) entspricht also theils dem mittelh. p
(das für b. auslautet) theils dem f. Veld. reim lief:
brief En. 81b 83a 93a; seven-warf (septies): bedarf (opus
habet) En. 93a widerstreitet der mittelh. mundart, welche
bedarf:scharf (acer) reimt, das aber mittelniederd. scarp
lautet und zu warp (feriit) stimmt (En. 25a 65c 94c). --
3) inlautend wird das ausl. f. zu v, als gaf, gaven
(:graven En. 100a; mittelh. gaben, graven) graf, graves;
snaven (titubare); geneve (cognatus) reven (delirare);
ensuof (intellexit,) ensuoven; dief, dieve; viever (fe-
bris); lief, liever etc. Vor t bleibt auch inlautend f,
kraft, scaft etc. desgl. bei contractionen vor d, als hofde
(capite) gelofde (credidit) st. gelovede, hovede. Bemer-
kenswerth der reim gelofde:kopde En. 3b, der auch im
mittelh. geloupte (geloubte): koufte ungenau wäre. Veld.
scheint, wie vorhin bei kamp und lam, hoch und nie-
derd. formen zu vermischen. Reinniederd. reimen aber
orlove:hove; lieve:brieve En. 5b 34c.

(W) von v. genau zu unterscheiden. Das anlautende
w. galt ohne zweifel noch vor l und r, läßt sich aber
aus den verderbten denkmählern nicht bestimmen (beßer
aus der analogie des alts. angels. und fries. s. 216. 251.
276.). Einzelne spuren hat der abschreiber im Rother
stehen laßen, z. b. wref (fricavit) 11b wrang (strinxit)
25b und so ist 5b (z. 437. statt want) zu lesen. -- Das
inlautende w duldet keinen kurzen voc. vor sich, unter
den langen nur a, e, o, kein ei, au, iu, uo; vgl. pawe
(pavo) lewe (leo) snewe (nive) und zumahl begegnen sich
in ow die mittelh. ouw, auw und iuw, howen, scowen,
bowen, towen (parare En. 11a) frowe (femina) mowe
(manica En. 92b) rowe (dolor) trowe (fides) getrowe (fi-
dus) gerowen (dolere); beweisende reime sind, die ent-
schiedne mittelh. iuw mit ouw binden (M. S. 1, 18a. b.
En. 4b 33b 37b 60c 62a 87a) vgl. das vorhin s. 461. an-
geführte iu:to. -- Auslautend kein w. --

Die gemination pp. hat statt, kein ff; bb scheint in
wörtern wie sibbe, ribbe möglich. Bei der verbindung
ft. ist zu merken, daß sie häufig mit ht reimt (mehr da-
von beim kehllaut).

(T. D. S.) linguales.

Eine unvollkommenheit zeigt sich im mangel der
asp. th; sollte sich vielleicht auch anlautend d und th.

I. mittelniederdeutſche conſonanten. labiales.
gëve (donnm), mittelh. vaƷ, gëbe, goth. fat, giba. —
2) auslautend ſteht nur f. (nie v) z. b. gaf (dedit) dief
(fur) ſcrêf (ſcripſit) lof (laus) hof (aula) wolf (lupus)
ſtarf (mortuus eſt) entſpricht alſo theils dem mittelh. p
(das für b. auslautet) theils dem f. Veld. reim lief:
brief En. 81b 83a 93a; ſëven-warf (ſepties): bedarf (opus
habet) En. 93a widerſtreitet der mittelh. mundart, welche
bedarf:ſcharf (acer) reimt, das aber mittelniederd. ſcarp
lautet und zu warp (feriit) ſtimmt (En. 25a 65c 94c). —
3) inlautend wird das ausl. f. zu v, als gaf, gâven
(:grâven En. 100a; mittelh. gâben, grâven) graf, graves;
ſnaven (titubare); genëve (cognatus) rëven (delirare);
enſuof (intellexit,) enſuoven; dief, dieve; viever (fe-
bris); lief, liever etc. Vor t bleibt auch inlautend f,
kraft, ſcaft etc. desgl. bei contractionen vor d, als hôfde
(capite) gelôfde (credidit) ſt. gelôvede, hôvede. Bemer-
kenswerth der reim gelôfde:kôpde En. 3b, der auch im
mittelh. geloupte (geloubte): koufte ungenau wäre. Veld.
ſcheint, wie vorhin bei kamp und lam, hoch und nie-
derd. formen zu vermiſchen. Reinniederd. reimen aber
orlove:hove; lieve:brieve En. 5b 34c.

(W) von v. genau zu unterſcheiden. Das anlautende
w. galt ohne zweifel noch vor l und r, läßt ſich aber
aus den verderbten denkmählern nicht beſtimmen (beßer
aus der analogie des altſ. angelſ. und frieſ. ſ. 216. 251.
276.). Einzelne ſpuren hat der abſchreiber im Rother
ſtehen laßen, z. b. wrêf (fricavit) 11b wrang (ſtrinxit)
25b und ſo iſt 5b (z. 437. ſtatt want) zu leſen. — Das
inlautende w duldet keinen kurzen voc. vor ſich, unter
den langen nur â, ê, ô, kein î, û, iu, uo; vgl. pâwe
(pavo) lêwe (leo) ſnêwe (nive) und zumahl begegnen ſich
in ôw die mittelh. ouw, ûw und iuw, hôwen, ſcôwen,
bôwen, tôwen (parare En. 11a) frôwe (femina) môwe
(manica En. 92b) rôwe (dolor) trôwe (fides) getrôwe (fi-
dus) gerôwen (dolere); beweiſende reime ſind, die ent-
ſchiedne mittelh. iuw mit ouw binden (M. S. 1, 18a. b.
En. 4b 33b 37b 60c 62a 87a) vgl. das vorhin ſ. 461. an-
geführte iu:tô. — Auslautend kein w. —

Die gemination pp. hat ſtatt, kein ff; bb ſcheint in
wörtern wie ſibbe, ribbe möglich. Bei der verbindung
ft. iſt zu merken, daß ſie häufig mit ht reimt (mehr da-
von beim kehllaut).

(T. D. S.) linguales.

Eine unvollkommenheit zeigt ſich im mangel der
aſp. th; ſollte ſich vielleicht auch anlautend d und th.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0489" n="463"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelniederdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. labiales.</hi></fw><lb/>
gëve (donnm), mittelh. va&#x01B7;, gëbe, goth. fat, giba. &#x2014;<lb/>
2) auslautend &#x017F;teht nur f. (nie v) z. b. gaf (dedit) dief<lb/>
(fur) &#x017F;crêf (&#x017F;crip&#x017F;it) lof (laus) hof (aula) wolf (lupus)<lb/>
&#x017F;tarf (mortuus e&#x017F;t) ent&#x017F;pricht al&#x017F;o theils dem mittelh. p<lb/>
(das für b. auslautet) theils dem f. Veld. reim lief:<lb/>
brief En. 81<hi rendition="#sup">b</hi> 83<hi rendition="#sup">a</hi> 93<hi rendition="#sup">a</hi>; &#x017F;ëven-warf (&#x017F;epties): bedarf (opus<lb/>
habet) En. 93<hi rendition="#sup">a</hi> wider&#x017F;treitet der mittelh. mundart, welche<lb/>
bedarf:&#x017F;charf (acer) reimt, das aber mittelniederd. &#x017F;carp<lb/>
lautet und zu warp (feriit) &#x017F;timmt (En. 25<hi rendition="#sup">a</hi> 65<hi rendition="#sup">c</hi> 94<hi rendition="#sup">c</hi>). &#x2014;<lb/>
3) inlautend wird das ausl. f. zu v, als gaf, gâven<lb/>
(:grâven En. 100<hi rendition="#sup">a</hi>; mittelh. gâben, grâven) graf, graves;<lb/>
&#x017F;naven (titubare); genëve (cognatus) rëven (delirare);<lb/>
en&#x017F;uof (intellexit,) en&#x017F;uoven; dief, dieve; viever (fe-<lb/>
bris); lief, liever etc. Vor t bleibt auch inlautend f,<lb/>
kraft, &#x017F;caft etc. desgl. bei contractionen vor d, als hôfde<lb/>
(capite) gelôfde (credidit) &#x017F;t. gelôvede, hôvede. Bemer-<lb/>
kenswerth der reim gelôfde:kôpde En. 3<hi rendition="#sup">b</hi>, der auch im<lb/>
mittelh. geloupte (geloubte): koufte ungenau wäre. Veld.<lb/>
&#x017F;cheint, wie vorhin bei kamp und lam, hoch und nie-<lb/>
derd. formen zu vermi&#x017F;chen. Reinniederd. reimen aber<lb/>
orlove:hove; lieve:brieve En. 5<hi rendition="#sup">b</hi> 34<hi rendition="#sup">c</hi>.</p><lb/>
              <p>(W) von v. genau zu unter&#x017F;cheiden. Das anlautende<lb/>
w. galt ohne zweifel noch vor l und r, läßt &#x017F;ich aber<lb/>
aus den verderbten denkmählern nicht be&#x017F;timmen (beßer<lb/>
aus der analogie des alt&#x017F;. angel&#x017F;. und frie&#x017F;. &#x017F;. 216. 251.<lb/>
276.). Einzelne &#x017F;puren hat der ab&#x017F;chreiber im Rother<lb/>
&#x017F;tehen laßen, z. b. wrêf (fricavit) 11<hi rendition="#sup">b</hi> wrang (&#x017F;trinxit)<lb/>
25<hi rendition="#sup">b</hi> und &#x017F;o i&#x017F;t 5<hi rendition="#sup">b</hi> (z. 437. &#x017F;tatt want) zu le&#x017F;en. &#x2014; Das<lb/>
inlautende w duldet keinen kurzen voc. vor &#x017F;ich, unter<lb/>
den langen nur â, ê, ô, kein î, û, iu, uo; vgl. pâwe<lb/>
(pavo) lêwe (leo) &#x017F;nêwe (nive) und zumahl begegnen &#x017F;ich<lb/>
in <hi rendition="#i">ôw</hi> die mittelh. ouw, ûw und iuw, hôwen, &#x017F;côwen,<lb/>
bôwen, tôwen (parare En. 11<hi rendition="#sup">a</hi>) frôwe (femina) môwe<lb/>
(manica En. 92<hi rendition="#sup">b</hi>) rôwe (dolor) trôwe (fides) getrôwe (fi-<lb/>
dus) gerôwen (dolere); bewei&#x017F;ende reime &#x017F;ind, die ent-<lb/>
&#x017F;chiedne mittelh. iuw mit ouw binden (M. S. 1, 18<hi rendition="#sup">a. b.</hi><lb/>
En. 4<hi rendition="#sup">b</hi> 33<hi rendition="#sup">b</hi> 37<hi rendition="#sup">b</hi> 60<hi rendition="#sup">c</hi> 62<hi rendition="#sup">a</hi> 87<hi rendition="#sup">a</hi>) vgl. das vorhin &#x017F;. 461. an-<lb/>
geführte iu:tô. &#x2014; Auslautend kein w. &#x2014;</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#i">gemination</hi> pp. hat &#x017F;tatt, kein ff; bb &#x017F;cheint in<lb/>
wörtern wie &#x017F;ibbe, ribbe möglich. Bei der verbindung<lb/>
ft. i&#x017F;t zu merken, daß &#x017F;ie häufig mit ht reimt (mehr da-<lb/>
von beim kehllaut).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>(T. D. S.) <hi rendition="#i">linguales.</hi></head><lb/>
              <p>Eine unvollkommenheit zeigt &#x017F;ich im mangel der<lb/>
a&#x017F;p. th; &#x017F;ollte &#x017F;ich vielleicht auch anlautend d und th.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0489] I. mittelniederdeutſche conſonanten. labiales. gëve (donnm), mittelh. vaƷ, gëbe, goth. fat, giba. — 2) auslautend ſteht nur f. (nie v) z. b. gaf (dedit) dief (fur) ſcrêf (ſcripſit) lof (laus) hof (aula) wolf (lupus) ſtarf (mortuus eſt) entſpricht alſo theils dem mittelh. p (das für b. auslautet) theils dem f. Veld. reim lief: brief En. 81b 83a 93a; ſëven-warf (ſepties): bedarf (opus habet) En. 93a widerſtreitet der mittelh. mundart, welche bedarf:ſcharf (acer) reimt, das aber mittelniederd. ſcarp lautet und zu warp (feriit) ſtimmt (En. 25a 65c 94c). — 3) inlautend wird das ausl. f. zu v, als gaf, gâven (:grâven En. 100a; mittelh. gâben, grâven) graf, graves; ſnaven (titubare); genëve (cognatus) rëven (delirare); enſuof (intellexit,) enſuoven; dief, dieve; viever (fe- bris); lief, liever etc. Vor t bleibt auch inlautend f, kraft, ſcaft etc. desgl. bei contractionen vor d, als hôfde (capite) gelôfde (credidit) ſt. gelôvede, hôvede. Bemer- kenswerth der reim gelôfde:kôpde En. 3b, der auch im mittelh. geloupte (geloubte): koufte ungenau wäre. Veld. ſcheint, wie vorhin bei kamp und lam, hoch und nie- derd. formen zu vermiſchen. Reinniederd. reimen aber orlove:hove; lieve:brieve En. 5b 34c. (W) von v. genau zu unterſcheiden. Das anlautende w. galt ohne zweifel noch vor l und r, läßt ſich aber aus den verderbten denkmählern nicht beſtimmen (beßer aus der analogie des altſ. angelſ. und frieſ. ſ. 216. 251. 276.). Einzelne ſpuren hat der abſchreiber im Rother ſtehen laßen, z. b. wrêf (fricavit) 11b wrang (ſtrinxit) 25b und ſo iſt 5b (z. 437. ſtatt want) zu leſen. — Das inlautende w duldet keinen kurzen voc. vor ſich, unter den langen nur â, ê, ô, kein î, û, iu, uo; vgl. pâwe (pavo) lêwe (leo) ſnêwe (nive) und zumahl begegnen ſich in ôw die mittelh. ouw, ûw und iuw, hôwen, ſcôwen, bôwen, tôwen (parare En. 11a) frôwe (femina) môwe (manica En. 92b) rôwe (dolor) trôwe (fides) getrôwe (fi- dus) gerôwen (dolere); beweiſende reime ſind, die ent- ſchiedne mittelh. iuw mit ouw binden (M. S. 1, 18a. b. En. 4b 33b 37b 60c 62a 87a) vgl. das vorhin ſ. 461. an- geführte iu:tô. — Auslautend kein w. — Die gemination pp. hat ſtatt, kein ff; bb ſcheint in wörtern wie ſibbe, ribbe möglich. Bei der verbindung ft. iſt zu merken, daß ſie häufig mit ht reimt (mehr da- von beim kehllaut). (T. D. S.) linguales. Eine unvollkommenheit zeigt ſich im mangel der aſp. th; ſollte ſich vielleicht auch anlautend d und th.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/489
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/489>, abgerufen am 25.04.2024.