Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. mittelniederdeutsche consonanten. ling. gutt.
unterscheiden z. b. dochte (valuit) dag, del, thochte
(videbatur) thagen (tacere) thief etc. (welches sich aus
den vorliegenden quellen nicht ergibt, indessen nach
dem maßstab des hochd. t und d. leicht herzustellen
wäre; im fragm. belli, zuweilen auch in Roth. werden
d und th noch geschieden); so fallen sie in - und ausl.
sicher zusammen, denn broder (st. brother) reimt auf
moder En. 11a 76b 81a 102c; scade (damnum, f. scathe):
stade (occasio) En. 87c scaden:unstaden En. 82b.

(T) entspricht dem mittelh. z und ß, daher scat
und vat (schaz, vaß) reimen; eben so wenig bedenken
machen hier herte (cor) hert (cervus) der schwan würde
elvet oder elft heißen; baltieren En. 39c ist cingere, bau-
droier, mittelh. balzieren (balz, balteus). -- Ob aber
nicht t znweilen auslautend für d steht, wie schon im
alts. (s. 216.)? das müsten reine quellen lehren, vorläufig
nehme ich das strengrichtigere d in der regel an, und
begnüge mich hier, auf die reime niet:scriet, riet, siet
(En. 5a 11c 51a) zu weisen, welche die schreibung scried,
ried verdächtigen. Eine mischung des hoch- und nie-
derd. t. gestattet sich Heinr. v. mor. M. S. 1, 52a in dem
reime bat (rogavit):nat (madidus), der in beiden mund-
arten ungenau ist (mittelh. bat:naß; mitteln. bad:nat)
vgl. dieselbe anomalie bei Veld. vorhin s. 463. -- Die nie-
derd. apocope des t ist oben s. 409. unter 5. erwähnt, vgl.
den reim bes (es):gewes En. 74c. und die belege s. 456.

(D) parallel dem goth. d und th, folglich dem mit-
telh. t und d. bade (commodum, auf stade opportunitas
reimend, Herb. 15c 18a 31b) scheint mir das s. 204. an-
geführte gibada und löst den zweifel über das kurze a.
Wie eben erwähnt setze ich d auch auslautend in den
verbindungen nd, ld, z. b. gewald, bald, kind und
diese reimen auf sald (debes) En. 24c 73b permind (per-
gamenum) En. 81c 84c.

(S) gibt nichts zu erinnern. Auch nicht die gemi-
nationen und verbindungen. --

(K. G. J. CH. H.) gutturales.

Eigentlich fehlt, wie beim zungenlaut, asp. und ch
scheint mir nur in cht für ht vorzukommen.

(K. C.) wie im altsächs.

(G) 1) vom übertritt in i vorhin beim ei. 2) die
verwandlung des h in g ist noch beliebter, als im mit-
telh. (s. 427.) gesag (vidit) reimt: dag, lag, mag

I. mittelniederdeutſche conſonanten. ling. gutt.
unterſcheiden z. b. dochte (valuit) dag, dêl, thochte
(videbatur) thagen (tacere) thief etc. (welches ſich aus
den vorliegenden quellen nicht ergibt, indeſſen nach
dem maßſtab des hochd. t und d. leicht herzuſtellen
wäre; im fragm. belli, zuweilen auch in Roth. werden
d und th noch geſchieden); ſo fallen ſie in - und ausl.
ſicher zuſammen, denn brôder (ſt. brôther) reimt auf
môder En. 11a 76b 81a 102c; ſcade (damnum, f. ſcathe):
ſtade (occaſio) En. 87c ſcaden:unſtaden En. 82b.

(T) entſpricht dem mittelh. z und Ʒ, daher ſcat
und vat (ſchaz, vaƷ) reimen; eben ſo wenig bedenken
machen hier hërte (cor) hërt (cervus) der ſchwan würde
elvet oder elft heißen; baltieren En. 39c iſt cingere, bau-
droier, mittelh. balzieren (balz, balteus). — Ob aber
nicht t znweilen auslautend für d ſteht, wie ſchon im
altſ. (ſ. 216.)? das müſten reine quellen lehren, vorläufig
nehme ich das ſtrengrichtigere d in der regel an, und
begnüge mich hier, auf die reime niet:ſcriet, riet, ſiet
(En. 5a 11c 51a) zu weiſen, welche die ſchreibung ſcried,
ried verdächtigen. Eine miſchung des hoch- und nie-
derd. t. geſtattet ſich Heinr. v. mor. M. S. 1, 52a in dem
reime bat (rogavit):nat (madidus), der in beiden mund-
arten ungenau iſt (mittelh. bat:naƷ; mitteln. bad:nat)
vgl. dieſelbe anomalie bei Veld. vorhin ſ. 463. — Die nie-
derd. apocope des t iſt oben ſ. 409. unter 5. erwähnt, vgl.
den reim bës (es):gewës En. 74c. und die belege ſ. 456.

(D) parallel dem goth. d und þ, folglich dem mit-
telh. t und d. bade (commodum, auf ſtade opportunitas
reimend, Herb. 15c 18a 31b) ſcheint mir das ſ. 204. an-
geführte gibada und löſt den zweifel über das kurze a.
Wie eben erwähnt ſetze ich d auch auslautend in den
verbindungen nd, ld, z. b. gewald, bald, kind und
dieſe reimen auf ſald (debes) En. 24c 73b përmind (per-
gamenum) En. 81c 84c.

(S) gibt nichts zu erinnern. Auch nicht die gemi-
nationen und verbindungen. —

(K. G. J. CH. H.) gutturales.

Eigentlich fehlt, wie beim zungenlaut, aſp. und ch
ſcheint mir nur in cht für ht vorzukommen.

(K. C.) wie im altſächſ.

(G) 1) vom übertritt in i vorhin beim ei. 2) die
verwandlung des h in g iſt noch beliebter, als im mit-
telh. (ſ. 427.) geſag (vidit) reimt: dag, lag, mag

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0490" n="464"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelniederdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. ling. gutt.</hi></fw><lb/>
unter&#x017F;cheiden z. b. dochte (valuit) dag, dêl, thochte<lb/>
(videbatur) thagen (tacere) thief etc. (welches &#x017F;ich aus<lb/>
den vorliegenden quellen nicht ergibt, inde&#x017F;&#x017F;en nach<lb/>
dem maß&#x017F;tab des hochd. t und d. leicht herzu&#x017F;tellen<lb/>
wäre; im fragm. belli, zuweilen auch in Roth. werden<lb/>
d und th noch ge&#x017F;chieden); &#x017F;o fallen &#x017F;ie in - und ausl.<lb/>
&#x017F;icher zu&#x017F;ammen, denn brôder (&#x017F;t. brôther) reimt auf<lb/>
môder En. 11<hi rendition="#sup">a</hi> 76<hi rendition="#sup">b</hi> 81<hi rendition="#sup">a</hi> 102<hi rendition="#sup">c</hi>; &#x017F;cade (damnum, f. &#x017F;cathe):<lb/>
&#x017F;tade (occa&#x017F;io) En. 87<hi rendition="#sup">c</hi> &#x017F;caden:un&#x017F;taden En. 82<hi rendition="#sup">b</hi>.</p><lb/>
              <p>(T) ent&#x017F;pricht dem mittelh. z und &#x01B7;, daher &#x017F;cat<lb/>
und vat (&#x017F;chaz, va&#x01B7;) reimen; eben &#x017F;o wenig bedenken<lb/>
machen hier hërte (cor) hërt (cervus) der &#x017F;chwan würde<lb/>
elvet oder elft heißen; baltieren En. 39<hi rendition="#sup">c</hi> i&#x017F;t cingere, bau-<lb/>
droier, mittelh. balzieren (balz, balteus). &#x2014; Ob aber<lb/>
nicht t znweilen auslautend für d &#x017F;teht, wie &#x017F;chon im<lb/>
alt&#x017F;. (&#x017F;. 216.)? das mü&#x017F;ten reine quellen lehren, vorläufig<lb/>
nehme ich das &#x017F;trengrichtigere d in der regel an, und<lb/>
begnüge mich hier, auf die reime niet:&#x017F;criet, riet, &#x017F;iet<lb/>
(En. 5<hi rendition="#sup">a</hi> 11<hi rendition="#sup">c</hi> 51<hi rendition="#sup">a</hi>) zu wei&#x017F;en, welche die &#x017F;chreibung &#x017F;cried,<lb/>
ried verdächtigen. Eine mi&#x017F;chung des hoch- und nie-<lb/>
derd. t. ge&#x017F;tattet &#x017F;ich Heinr. v. mor. M. S. 1, 52<hi rendition="#sup">a</hi> in dem<lb/>
reime bat (rogavit):nat (madidus), der in beiden mund-<lb/>
arten ungenau i&#x017F;t (mittelh. bat:na&#x01B7;; mitteln. bad:nat)<lb/>
vgl. die&#x017F;elbe anomalie bei Veld. vorhin &#x017F;. 463. &#x2014; Die nie-<lb/>
derd. apocope des t i&#x017F;t oben &#x017F;. 409. unter 5. erwähnt, vgl.<lb/>
den reim bës (es):gewës En. 74<hi rendition="#sup">c</hi>. und die belege &#x017F;. 456.</p><lb/>
              <p>(D) parallel dem goth. d und þ, folglich dem mit-<lb/>
telh. t und d. bade (commodum, auf &#x017F;tade opportunitas<lb/>
reimend, Herb. 15<hi rendition="#sup">c</hi> 18<hi rendition="#sup">a</hi> 31<hi rendition="#sup">b</hi>) &#x017F;cheint mir das &#x017F;. 204. an-<lb/>
geführte gibada und lö&#x017F;t den zweifel über das kurze a.<lb/>
Wie eben erwähnt &#x017F;etze ich d auch auslautend in den<lb/>
verbindungen <hi rendition="#i">nd, ld</hi>, z. b. gewald, bald, kind und<lb/>
die&#x017F;e reimen auf &#x017F;ald (debes) En. 24<hi rendition="#sup">c</hi> 73<hi rendition="#sup">b</hi> përmind (per-<lb/>
gamenum) En. 81<hi rendition="#sup">c</hi> 84<hi rendition="#sup">c</hi>.</p><lb/>
              <p>(S) gibt nichts zu erinnern. Auch nicht die gemi-<lb/>
nationen und verbindungen. &#x2014;</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>(K. G. J. CH. H.) <hi rendition="#i">gutturales.</hi></head><lb/>
              <p>Eigentlich fehlt, wie beim zungenlaut, a&#x017F;p. und ch<lb/>
&#x017F;cheint mir nur in cht für ht vorzukommen.</p><lb/>
              <p>(K. C.) wie im alt&#x017F;äch&#x017F;.</p><lb/>
              <p>(G) 1) vom übertritt in i vorhin beim <hi rendition="#i">ei</hi>. 2) die<lb/>
verwandlung des h in g i&#x017F;t noch beliebter, als im mit-<lb/>
telh. (&#x017F;. 427.) <hi rendition="#i">ge&#x017F;ag</hi> (vidit) reimt: dag, lag, mag<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0490] I. mittelniederdeutſche conſonanten. ling. gutt. unterſcheiden z. b. dochte (valuit) dag, dêl, thochte (videbatur) thagen (tacere) thief etc. (welches ſich aus den vorliegenden quellen nicht ergibt, indeſſen nach dem maßſtab des hochd. t und d. leicht herzuſtellen wäre; im fragm. belli, zuweilen auch in Roth. werden d und th noch geſchieden); ſo fallen ſie in - und ausl. ſicher zuſammen, denn brôder (ſt. brôther) reimt auf môder En. 11a 76b 81a 102c; ſcade (damnum, f. ſcathe): ſtade (occaſio) En. 87c ſcaden:unſtaden En. 82b. (T) entſpricht dem mittelh. z und Ʒ, daher ſcat und vat (ſchaz, vaƷ) reimen; eben ſo wenig bedenken machen hier hërte (cor) hërt (cervus) der ſchwan würde elvet oder elft heißen; baltieren En. 39c iſt cingere, bau- droier, mittelh. balzieren (balz, balteus). — Ob aber nicht t znweilen auslautend für d ſteht, wie ſchon im altſ. (ſ. 216.)? das müſten reine quellen lehren, vorläufig nehme ich das ſtrengrichtigere d in der regel an, und begnüge mich hier, auf die reime niet:ſcriet, riet, ſiet (En. 5a 11c 51a) zu weiſen, welche die ſchreibung ſcried, ried verdächtigen. Eine miſchung des hoch- und nie- derd. t. geſtattet ſich Heinr. v. mor. M. S. 1, 52a in dem reime bat (rogavit):nat (madidus), der in beiden mund- arten ungenau iſt (mittelh. bat:naƷ; mitteln. bad:nat) vgl. dieſelbe anomalie bei Veld. vorhin ſ. 463. — Die nie- derd. apocope des t iſt oben ſ. 409. unter 5. erwähnt, vgl. den reim bës (es):gewës En. 74c. und die belege ſ. 456. (D) parallel dem goth. d und þ, folglich dem mit- telh. t und d. bade (commodum, auf ſtade opportunitas reimend, Herb. 15c 18a 31b) ſcheint mir das ſ. 204. an- geführte gibada und löſt den zweifel über das kurze a. Wie eben erwähnt ſetze ich d auch auslautend in den verbindungen nd, ld, z. b. gewald, bald, kind und dieſe reimen auf ſald (debes) En. 24c 73b përmind (per- gamenum) En. 81c 84c. (S) gibt nichts zu erinnern. Auch nicht die gemi- nationen und verbindungen. — (K. G. J. CH. H.) gutturales. Eigentlich fehlt, wie beim zungenlaut, aſp. und ch ſcheint mir nur in cht für ht vorzukommen. (K. C.) wie im altſächſ. (G) 1) vom übertritt in i vorhin beim ei. 2) die verwandlung des h in g iſt noch beliebter, als im mit- telh. (ſ. 427.) geſag (vidit) reimt: dag, lag, mag

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/490
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/490>, abgerufen am 28.03.2024.