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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. neuhochdeutsche consonanten. labiales, ling.
(magis), nicht aber die andern (s. 387.); stern, fern, nicht
sterr, ferr (s. 390.). In der liq. verbindung gilt schilde
(clypeo) milde (mitis) hingegen alten, selten, schelten etc.
(s. 393. 394.) munter, unter, hinter neben den übrigen
nd. (s. 394.) und überall winter, mantel, unreime auf
kinder, handel.

(P. B. F. V. W.) labiales.

Des besondern ist wenig zu bemerken übrig. f.
steht anlautend vor u, ü, au, ü, ei, eu, 1, r, sodann in
fremden wörtern und ausnahmsweise in deutschen statt
v, als: fangen, fieng, befelen, folgen etc. während man
vater, ver-, vor, veil, voll, vogel etc. beibehielt. Beßer
stünde überall f, zumahl auch das inlautende v ver-
stoßen ist (grafen, zweifel, wölfe) mit ausnahme des ge-
bliebenen frevel (flagitium). Das in- und auslautende
w. wird gleichfalls aufgegeben: frau, treu, reue, blau,
blaues, sene (nervus) mel, meles (far) schne, schnees etc.
Nach l. und r. hat sich med. eingedrängt: schwalbe (hi-
rundo) farbe (color) milbe (tinea) wittib neben witwe
(vidua); in loewe (leo) moewe (larus) dauert w. --
Schriebe man das dehnzeichen über jeden langen vocal
z. b. schafen (ovibus) raufen (vocare) so könnte ohne ir-
rung schafen (creare) ofen (patens) wie schaphen, ophen,
gelten st. schaffen, offen; einige vereinfachen das zeichen
inlautend bei nachfolgendem cons. als treffen, trift; hof-
fen, hofnung, consequenter scheint mir trifft, hoff-
nung. -- Die lab. verbindung fs (s. 407.) hört ganz auf,
man sagt wespe, aber fehlerhaft lefze.

(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Auffällt die wiedererscheinung des im mittelh. längst
ausgegangnen th. Es läßt sich aber nicht bergen, daß
sein gebrauch unorg. und ganz verwerflich sey. Mit dem
th. Otfrieds und Tat. s. 161. 162. (die sonst in einigem
zu dem neuh. stimmen, worin dieses vom mittelh. ab-
weicht) hat es sichtbar gar nichts zu thun, ja steht nie
in denselben wörtern, vielmehr lauter solchen, wo O.
media (anl.) oder ten. (in- und ausl.) setzt. Es ist we-
der in aussprache, noch abkunft eigentlich asp., sondern
nichts als baare tenuis, welche man nun seit einigen
jahrh. ohne allen grund nicht schreibt 1) anlautend in:
thal, that, thau (ros) theil, theidigen, theuer, thier,
thon, thor, thüre, thurm, -thaum, thaun, thraene; wäh-
rend in org. gleichen andern, z. b. tag, tanne, taube,
teich etc. die ten. ungekränkt haftete. 2) in- und ausl.
z. b. in athem, rath, miethe, noth, roth, mauth, wauth

I. neuhochdeutſche conſonanten. labiales, ling.
(magis), nicht aber die andern (ſ. 387.); ſtern, fern, nicht
ſterr, ferr (ſ. 390.). In der liq. verbindung gilt ſchilde
(clypeo) milde (mitis) hingegen alten, ſelten, ſchelten etc.
(ſ. 393. 394.) munter, unter, hinter neben den übrigen
nd. (ſ. 394.) und überall winter, mantel, unreime auf
kinder, handel.

(P. B. F. V. W.) labiales.

Des beſondern iſt wenig zu bemerken übrig. f.
ſteht anlautend vor u, ü, û, uͤ, ei, eu, 1, r, ſodann in
fremden wörtern und ausnahmsweiſe in deutſchen ſtatt
v, als: fangen, fieng, befêlen, folgen etc. während man
vâter, ver-, vôr, vîl, voll, vôgel etc. beibehielt. Beßer
ſtünde überall f, zumahl auch das inlautende v ver-
ſtoßen iſt (grâfen, zweifel, wölfe) mit ausnahme des ge-
bliebenen frêvel (flagitium). Das in- und auslautende
w. wird gleichfalls aufgegeben: frau, treu, reue, blau,
blaues, ſêne (nervus) mêl, mêles (far) ſchnê, ſchnêes etc.
Nach l. und r. hat ſich med. eingedrängt: ſchwalbe (hi-
rundo) farbe (color) milbe (tinea) wittib neben witwe
(vidua); in lœwe (leo) mœwe (larus) dauert w. —
Schriebe man das dehnzeichen über jeden langen vocal
z. b. ſchâfen (ovibus) rûfen (vocare) ſo könnte ohne ir-
rung ſchafen (creare) ofen (patens) wie ſchaphen, ophen,
gelten ſt. ſchaffen, offen; einige vereinfachen das zeichen
inlautend bei nachfolgendem conſ. als treffen, trift; hof-
fen, hofnung, conſequenter ſcheint mir trifft, hoff-
nung. — Die lab. verbindung fs (ſ. 407.) hört ganz auf,
man ſagt weſpe, aber fehlerhaft lefze.

(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Auffällt die wiedererſcheinung des im mittelh. längſt
ausgegangnen th. Es läßt ſich aber nicht bergen, daß
ſein gebrauch unorg. und ganz verwerflich ſey. Mit dem
th. Otfrieds und Tat. ſ. 161. 162. (die ſonſt in einigem
zu dem neuh. ſtimmen, worin dieſes vom mittelh. ab-
weicht) hat es ſichtbar gar nichts zu thun, ja ſteht nie
in denſelben wörtern, vielmehr lauter ſolchen, wo O.
media (anl.) oder ten. (in- und ausl.) ſetzt. Es iſt we-
der in ausſprache, noch abkunft eigentlich aſp., ſondern
nichts als baare tenuis, welche man nun ſeit einigen
jahrh. ohne allen grund nicht ſchreibt 1) anlautend in:
thâl, thât, thau (ros) theil, theidigen, theuer, thier,
thôn, thôr, thuͤre, thurm, -thûm, thûn, thræne; wäh-
rend in org. gleichen andern, z. b. tâg, tanne, taube,
teich etc. die ten. ungekränkt haftete. 2) in- und ausl.
z. b. in âthem, râth, miethe, nôth, rôth, mûth, wûth

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[525/0551] I. neuhochdeutſche conſonanten. labiales, ling. (magis), nicht aber die andern (ſ. 387.); ſtern, fern, nicht ſterr, ferr (ſ. 390.). In der liq. verbindung gilt ſchilde (clypeo) milde (mitis) hingegen alten, ſelten, ſchelten etc. (ſ. 393. 394.) munter, unter, hinter neben den übrigen nd. (ſ. 394.) und überall winter, mantel, unreime auf kinder, handel. (P. B. F. V. W.) labiales. Des beſondern iſt wenig zu bemerken übrig. f. ſteht anlautend vor u, ü, û, uͤ, ei, eu, 1, r, ſodann in fremden wörtern und ausnahmsweiſe in deutſchen ſtatt v, als: fangen, fieng, befêlen, folgen etc. während man vâter, ver-, vôr, vîl, voll, vôgel etc. beibehielt. Beßer ſtünde überall f, zumahl auch das inlautende v ver- ſtoßen iſt (grâfen, zweifel, wölfe) mit ausnahme des ge- bliebenen frêvel (flagitium). Das in- und auslautende w. wird gleichfalls aufgegeben: frau, treu, reue, blau, blaues, ſêne (nervus) mêl, mêles (far) ſchnê, ſchnêes etc. Nach l. und r. hat ſich med. eingedrängt: ſchwalbe (hi- rundo) farbe (color) milbe (tinea) wittib neben witwe (vidua); in lœwe (leo) mœwe (larus) dauert w. — Schriebe man das dehnzeichen über jeden langen vocal z. b. ſchâfen (ovibus) rûfen (vocare) ſo könnte ohne ir- rung ſchafen (creare) ofen (patens) wie ſchaphen, ophen, gelten ſt. ſchaffen, offen; einige vereinfachen das zeichen inlautend bei nachfolgendem conſ. als treffen, trift; hof- fen, hofnung, conſequenter ſcheint mir trifft, hoff- nung. — Die lab. verbindung fs (ſ. 407.) hört ganz auf, man ſagt weſpe, aber fehlerhaft lefze. (T. D. TH. Z. S.) linguales. Auffällt die wiedererſcheinung des im mittelh. längſt ausgegangnen th. Es läßt ſich aber nicht bergen, daß ſein gebrauch unorg. und ganz verwerflich ſey. Mit dem th. Otfrieds und Tat. ſ. 161. 162. (die ſonſt in einigem zu dem neuh. ſtimmen, worin dieſes vom mittelh. ab- weicht) hat es ſichtbar gar nichts zu thun, ja ſteht nie in denſelben wörtern, vielmehr lauter ſolchen, wo O. media (anl.) oder ten. (in- und ausl.) ſetzt. Es iſt we- der in ausſprache, noch abkunft eigentlich aſp., ſondern nichts als baare tenuis, welche man nun ſeit einigen jahrh. ohne allen grund nicht ſchreibt 1) anlautend in: thâl, thât, thau (ros) theil, theidigen, theuer, thier, thôn, thôr, thuͤre, thurm, -thûm, thûn, thræne; wäh- rend in org. gleichen andern, z. b. tâg, tanne, taube, teich etc. die ten. ungekränkt haftete. 2) in- und ausl. z. b. in âthem, râth, miethe, nôth, rôth, mûth, wûth

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/551>, abgerufen am 29.03.2024.