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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten. linguales.
betwanch 125. 230. twuoch 116. *). Das alte münchn.
fr. liest Wilh. 2, 73b 74a dwanch, und Nib hss 232. 388.
erdwingen, dwang. Jenes twingen etc. ist nicht beßer,
als wenn man tringen, tri etc. f. dringen, drei eingeführt
hätte. Ob eine zeitlang tw und dw noch dialectisch un-
terschieden waren, könnten wir nur erfahren wenn un-
sere dichter alliteration gebraucht hät en. -- ZW. überall
richtig, wie im alth. Im neuh. werden wir auch alle
tw. in zw. übergehen sehen, so daß nunmehr zw die
drei org. ganz verschiedenen anlaute tw. dw. zw. aus-
drücken muß. -- SL. SM. SN. SP. SPR. ST. STR. SW. **)
bestehen und nicht schl. schm etc wohl aber gehen die
alth. sc. scr. über in SCH. SCHR. Daß dieser übergang
viel früher begonnen habe, wurde s. 173-175. darge-
than; die meisten denkmähler des 12. jahrh. haben be-
reits sch. schr, z. b. die gl. herrad. In Maria bald sc.
bald sch; im münchn. fr. des Wilh. 2. und des Parc.,
im giess. lw. entschieden sch. schr; nur der s. gall. Parc.
(der gerade das anlautende ch statt k hegt) gibt häufiger
sc als sch, und vor allen vocalen, z. b. scande, gesce-
hen, scoup, sciere. lst bei dieser verschiedenen schrei-
bung auch verschiedene aussprache? oder umgekehrt
dieselbe aussprache anzunehmen, es stehe nun sc oder
sch geschrieben? In letztem fall aber welche aussprache
ist die richtige, sc oder sch? Ich wage keine entschei-
dung; zum theil wird sie von der ansicht abhängen,
welche man sich über k und ch bildet. In rom. wör-
tern scheint sch bald aus sc (schumpfentiure, sconfitura)
bald aus ch (schapel, schanze, schevalier, wofür Trist.
40b chevalier, Wigal. 170. sogar zevalier) bald aus einf.
s zu entspringen (scheneschalt Parc. 36c 49a. c rom. sene-
schal ***), schariant Parc. 188c, im Wigal. sariant; vgl.

*) Das schwauken hub schon im 12. jahrh. an; gl herr. 181a
thwe[r]he, aber 179a unrichtig twerheme (obliquo); cod.
pal 361. 88b dewerhes. 90b betwanc. 91c twanc etc.
**) Dieses sw erscheint noch in swuoß (dulcis) in der kaiser-
chron. des 12. jahrh. cod. pal. 361. 18c 19d etc. (vgl. oben
s. 112. 141); das mittelh. des 13ten kennt nur sueße.
***) In diesem worte ahnt Wolf. das urdeutsche sini-scalc
(primicerius aulae, ältester hosdiener) gar nicht mehr;
warum er es beständig auf -aut reimt, so daß die schrei-
bung scheneschlant 46c 49a richtiger scheint, als schene-
schalt? muß sich aus dem romanischen aufklären, wo et-
wan ein verb. seneschaler und davon ein partic. senescha-
laut vorkam.

I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
betwanch 125. 230. twuoch 116. *). Das alte münchn.
fr. lieſt Wilh. 2, 73b 74a dwanch, und Nib hſſ 232. 388.
erdwingen, dwang. Jenes twingen etc. iſt nicht beßer,
als wenn man tringen, trì etc. f. dringen, drî eingeführt
hätte. Ob eine zeitlang tw und dw noch dialectiſch un-
terſchieden waren, könnten wir nur erfahren wenn un-
ſere dichter alliteration gebraucht hät en. — ZW. überall
richtig, wie im alth. Im neuh. werden wir auch alle
tw. in zw. übergehen ſehen, ſo daß nunmehr zw die
drei org. ganz verſchiedenen anlaute tw. dw. zw. aus-
drücken muß. — SL. SM. SN. SP. SPR. ST. STR. SW. **)
beſtehen und nicht ſchl. ſchm etc wohl aber gehen die
alth. ſc. ſcr. über in SCH. SCHR. Daß dieſer übergang
viel früher begonnen habe, wurde ſ. 173-175. darge-
than; die meiſten denkmähler des 12. jahrh. haben be-
reits ſch. ſchr, z. b. die gl. herrad. In Maria bald ſc.
bald ſch; im münchn. fr. des Wilh. 2. und des Parc.,
im gieſſ. lw. entſchieden ſch. ſchr; nur der ſ. gall. Parc.
(der gerade das anlautende ch ſtatt k hegt) gibt häufiger
ſc als ſch, und vor allen vocalen, z. b. ſcande, geſcë-
hen, ſcoup, ſciere. lſt bei dieſer verſchiedenen ſchrei-
bung auch verſchiedene ausſprache? oder umgekehrt
dieſelbe ausſprache anzunehmen, es ſtehe nun ſc oder
ſch geſchrieben? In letztem fall aber welche ausſprache
iſt die richtige, ſc oder ſch? Ich wage keine entſchei-
dung; zum theil wird ſie von der anſicht abhängen,
welche man ſich über k und ch bildet. In rom. wör-
tern ſcheint ſch bald aus ſc (ſchumpfentiure, ſconfitura)
bald aus ch (ſchapel, ſchanze, ſchëvalier, wofür Triſt.
40b chëvalier, Wigal. 170. ſogar zëvalier) bald aus einf.
ſ zu entſpringen (ſchëneſchalt Parc. 36c 49a. c rom. ſene-
ſchal ***), ſchariant Parc. 188c, im Wigal. ſariant; vgl.

*) Das ſchwauken hub ſchon im 12. jahrh. an; gl herr. 181a
thwë[r]he, aber 179a unrichtig twërheme (obliquo); cod.
pal 361. 88b dewërhes. 90b betwanc. 91c twanc etc.
**) Dieſes ſw erſcheint noch in ſwuoƷ (dulcis) in der kaiſer-
chron. des 12. jahrh. cod. pal. 361. 18c 19d etc. (vgl. oben
ſ. 112. 141); das mittelh. des 13ten kennt nur ſueƷe.
***) In dieſem worte ahnt Wolf. das urdeutſche ſini-ſcalc
(primicerius aulae, älteſter hoſdiener) gar nicht mehr;
warum er es beſtändig auf -aut reimt, ſo daß die ſchrei-
bung ſcheneſchlant 46c 49a richtiger ſcheint, als ſchene-
ſchalt? muß ſich aus dem romaniſchen aufklären, wo et-
wan ein verb. ſeneſchaler und davon ein partic. ſeneſcha-
laut vorkam.
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[420/0446] I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales. betwanch 125. 230. twuoch 116. *). Das alte münchn. fr. lieſt Wilh. 2, 73b 74a dwanch, und Nib hſſ 232. 388. erdwingen, dwang. Jenes twingen etc. iſt nicht beßer, als wenn man tringen, trì etc. f. dringen, drî eingeführt hätte. Ob eine zeitlang tw und dw noch dialectiſch un- terſchieden waren, könnten wir nur erfahren wenn un- ſere dichter alliteration gebraucht hät en. — ZW. überall richtig, wie im alth. Im neuh. werden wir auch alle tw. in zw. übergehen ſehen, ſo daß nunmehr zw die drei org. ganz verſchiedenen anlaute tw. dw. zw. aus- drücken muß. — SL. SM. SN. SP. SPR. ST. STR. SW. **) beſtehen und nicht ſchl. ſchm etc wohl aber gehen die alth. ſc. ſcr. über in SCH. SCHR. Daß dieſer übergang viel früher begonnen habe, wurde ſ. 173-175. darge- than; die meiſten denkmähler des 12. jahrh. haben be- reits ſch. ſchr, z. b. die gl. herrad. In Maria bald ſc. bald ſch; im münchn. fr. des Wilh. 2. und des Parc., im gieſſ. lw. entſchieden ſch. ſchr; nur der ſ. gall. Parc. (der gerade das anlautende ch ſtatt k hegt) gibt häufiger ſc als ſch, und vor allen vocalen, z. b. ſcande, geſcë- hen, ſcoup, ſciere. lſt bei dieſer verſchiedenen ſchrei- bung auch verſchiedene ausſprache? oder umgekehrt dieſelbe ausſprache anzunehmen, es ſtehe nun ſc oder ſch geſchrieben? In letztem fall aber welche ausſprache iſt die richtige, ſc oder ſch? Ich wage keine entſchei- dung; zum theil wird ſie von der anſicht abhängen, welche man ſich über k und ch bildet. In rom. wör- tern ſcheint ſch bald aus ſc (ſchumpfentiure, ſconfitura) bald aus ch (ſchapel, ſchanze, ſchëvalier, wofür Triſt. 40b chëvalier, Wigal. 170. ſogar zëvalier) bald aus einf. ſ zu entſpringen (ſchëneſchalt Parc. 36c 49a. c rom. ſene- ſchal ***), ſchariant Parc. 188c, im Wigal. ſariant; vgl. *) Das ſchwauken hub ſchon im 12. jahrh. an; gl herr. 181a thwërhe, aber 179a unrichtig twërheme (obliquo); cod. pal 361. 88b dewërhes. 90b betwanc. 91c twanc etc. **) Dieſes ſw erſcheint noch in ſwuoƷ (dulcis) in der kaiſer- chron. des 12. jahrh. cod. pal. 361. 18c 19d etc. (vgl. oben ſ. 112. 141); das mittelh. des 13ten kennt nur ſueƷe. ***) In dieſem worte ahnt Wolf. das urdeutſche ſini-ſcalc (primicerius aulae, älteſter hoſdiener) gar nicht mehr; warum er es beſtändig auf -aut reimt, ſo daß die ſchrei- bung ſcheneſchlant 46c 49a richtiger ſcheint, als ſchene- ſchalt? muß ſich aus dem romaniſchen aufklären, wo et- wan ein verb. ſeneſchaler und davon ein partic. ſeneſcha- laut vorkam.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/446>, abgerufen am 24.04.2024.