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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. NN. SS.
-ung, -nis, f. -unge, -nisse sagt)? Einige schreiben auch
im sg. -inn. -- Rask vermuthet §. 330. daß die ableitung
-inna erst aus Deutschland nach Island gedrungen sei,
welchem ich auch deshalb beipflichte, weil der gen. des
masc. dazu gesetzt wird, folglich wahre composita ent-
springen: lions-inna (leaena) keisara-inna (imperatrix)
von den masc. lion, keisari; gleichsam den vollen be-
griff frau in das inna gelegt. Die Schweden haben mehr
das ableitende -inna: lejon-inna, keisar-inna, värt-inna;
die Dänen -inde (f. -inne): löv-inde, keiser-inde, slav-
inde, tiener-inde, ven-inde (amica) vert-inde (hospita)
u. a. m.; im dän. ist diese ableitung häufiger als im schwed.
z. b. der Schwede sagt nicht vän-inna (amica), altn.
vin-kona.


ableitungen mit SS.

der vorstehende vocal ist bald a (und umgelautet e), bald
i, bald u; auch schwankt genus und declination.

goth. finden nur -assus und ussi statt: a) die mascu-
lina blotin-assus (cultus); gudjin-assus (sacerdotium); ho-
rin-assus (adulterium); kalkin-assus (scortatio); leikin-as-
sus (curatio); thiudin-assus (dominatio) alle diese aus ver-
bis auf -inon gebildet und ihr -in daher habend; ufar-
assus (abundantia) wovon nur der adverbialisch gesetzte
dat. ufarassau (uperperissos) vorkommt Marc. 7, 37. Luc.
15, 17. -- b) das fem. fil-ussi (turba) dat. filussjai Neh.
5, 18. (wo filussiai). --

ahd. herrscht viel verschiedenheit: a) bei J. und T.
stehen diese bildungen sehr häufig, auch in den gl. jun.
mons.; seltner bei K. und O.; noch seltner bei N. und
W.; in gl. hrab. beinahe gar nicht. -- b) die organisch
mit einem vocal anhebende ableitung gilt nur in weni-
gen wörtern, nämlich folgenden weiblichen: *) gab-issa
(quisquiliae) O. I. 27, 132. mons. 344; rat-ussa (aenigma)
jun. 218. 245. hrab. 953a mons. 344. doc. 231a rat-issa jun.
177. T. 72, 1. 73, 1; scrunt-ussa (rima) mons. 332. 353.
384. 389; wohin man auch die mit adj. oder part., welche
auf -n ausgehen, gebildeten zählen darf, wenn sie nur

*) gehört hierher auch das sonderbare masc. oder neutr. meß-
ßar-as, gen. meßar-asses (culter) oder meßar-assi? gl. aug. 118a
meßr-as (cultrum) doc. 233b screip-meßer-esse (scalpellum) mons.
337. screip-mesr-esse (scalpello).
X

III. conſonantiſche ableitungen. NN. SS.
-ung, -nis, f. -unge, -niſſe ſagt)? Einige ſchreiben auch
im ſg. -inn. — Raſk vermuthet §. 330. daß die ableitung
-inna erſt aus Deutſchland nach Island gedrungen ſei,
welchem ich auch deshalb beipflichte, weil der gen. des
maſc. dazu geſetzt wird, folglich wahre compoſita ent-
ſpringen: liônſ-inna (leaena) keiſara-inna (imperatrix)
von den maſc. liôn, keiſari; gleichſam den vollen be-
griff frau in das inna gelegt. Die Schweden haben mehr
das ableitende -inna: lejon-inna, keiſar-inna, värt-inna;
die Dänen -inde (f. -inne): löv-inde, keiſer-inde, ſlav-
inde, tiener-inde, ven-inde (amica) vert-inde (hoſpita)
u. a. m.; im dän. iſt dieſe ableitung häufiger als im ſchwed.
z. b. der Schwede ſagt nicht vän-inna (amica), altn.
vin-kona.


ableitungen mit SS.

der vorſtehende vocal iſt bald a (und umgelautet e), bald
i, bald u; auch ſchwankt genus und declination.

goth. finden nur -aſſus und uſſi ſtatt: α) die maſcu-
lina blôtin-aſſus (cultus); gudjin-aſſus (ſacerdotium); hô-
rin-aſſus (adulterium); kalkin-aſſus (ſcortatio); leikin-aſ-
ſus (curatio); þiudin-aſſus (dominatio) alle dieſe aus ver-
bis auf -inôn gebildet und ihr -in daher habend; ufar-
aſſus (abundantia) wovon nur der adverbialiſch geſetzte
dat. ufaraſſáu (ὑπερπερισσῶς) vorkommt Marc. 7, 37. Luc.
15, 17. — β) das fem. fil-uſſi (turba) dat. filuſſjái Neh.
5, 18. (wo filuſſiai). —

ahd. herrſcht viel verſchiedenheit: α) bei J. und T.
ſtehen dieſe bildungen ſehr häufig, auch in den gl. jun.
monſ.; ſeltner bei K. und O.; noch ſeltner bei N. und
W.; in gl. hrab. beinahe gar nicht. — β) die organiſch
mit einem vocal anhebende ableitung gilt nur in weni-
gen wörtern, nämlich folgenden weiblichen: *) gab-iſſa
(quisquiliae) O. I. 27, 132. monſ. 344; rât-uſſa (aenigma)
jun. 218. 245. hrab. 953a monſ. 344. doc. 231a rât-iſſa jun.
177. T. 72, 1. 73, 1; ſcrunt-uſſa (rima) monſ. 332. 353.
384. 389; wohin man auch die mit adj. oder part., welche
auf -n ausgehen, gebildeten zählen darf, wenn ſie nur

*) gehört hierher auch das ſonderbare maſc. oder neutr. mëƷ-
Ʒar-as, gen. mëƷƷar-aſſes (culter) oder mëƷƷar-aſſi? gl. aug. 118a
mëƷƷr-as (cultrum) doc. 233b ſcrîp-mëƷer-eſſe (ſcalpellum) monſ.
337. ſcrîp-mëſr-eſſe (ſcalpello).
X
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[321/0339] III. conſonantiſche ableitungen. NN. SS. -ung, -nis, f. -unge, -niſſe ſagt)? Einige ſchreiben auch im ſg. -inn. — Raſk vermuthet §. 330. daß die ableitung -inna erſt aus Deutſchland nach Island gedrungen ſei, welchem ich auch deshalb beipflichte, weil der gen. des maſc. dazu geſetzt wird, folglich wahre compoſita ent- ſpringen: liônſ-inna (leaena) keiſara-inna (imperatrix) von den maſc. liôn, keiſari; gleichſam den vollen be- griff frau in das inna gelegt. Die Schweden haben mehr das ableitende -inna: lejon-inna, keiſar-inna, värt-inna; die Dänen -inde (f. -inne): löv-inde, keiſer-inde, ſlav- inde, tiener-inde, ven-inde (amica) vert-inde (hoſpita) u. a. m.; im dän. iſt dieſe ableitung häufiger als im ſchwed. z. b. der Schwede ſagt nicht vän-inna (amica), altn. vin-kona. ableitungen mit SS. der vorſtehende vocal iſt bald a (und umgelautet e), bald i, bald u; auch ſchwankt genus und declination. goth. finden nur -aſſus und uſſi ſtatt: α) die maſcu- lina blôtin-aſſus (cultus); gudjin-aſſus (ſacerdotium); hô- rin-aſſus (adulterium); kalkin-aſſus (ſcortatio); leikin-aſ- ſus (curatio); þiudin-aſſus (dominatio) alle dieſe aus ver- bis auf -inôn gebildet und ihr -in daher habend; ufar- aſſus (abundantia) wovon nur der adverbialiſch geſetzte dat. ufaraſſáu (ὑπερπερισσῶς) vorkommt Marc. 7, 37. Luc. 15, 17. — β) das fem. fil-uſſi (turba) dat. filuſſjái Neh. 5, 18. (wo filuſſiai). — ahd. herrſcht viel verſchiedenheit: α) bei J. und T. ſtehen dieſe bildungen ſehr häufig, auch in den gl. jun. monſ.; ſeltner bei K. und O.; noch ſeltner bei N. und W.; in gl. hrab. beinahe gar nicht. — β) die organiſch mit einem vocal anhebende ableitung gilt nur in weni- gen wörtern, nämlich folgenden weiblichen: *) gab-iſſa (quisquiliae) O. I. 27, 132. monſ. 344; rât-uſſa (aenigma) jun. 218. 245. hrab. 953a monſ. 344. doc. 231a rât-iſſa jun. 177. T. 72, 1. 73, 1; ſcrunt-uſſa (rima) monſ. 332. 353. 384. 389; wohin man auch die mit adj. oder part., welche auf -n ausgehen, gebildeten zählen darf, wenn ſie nur *) gehört hierher auch das ſonderbare maſc. oder neutr. mëƷ- Ʒar-as, gen. mëƷƷar-aſſes (culter) oder mëƷƷar-aſſi? gl. aug. 118a mëƷƷr-as (cultrum) doc. 233b ſcrîp-mëƷer-eſſe (ſcalpellum) monſ. 337. ſcrîp-mëſr-eſſe (ſcalpello). X

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/339>, abgerufen am 26.04.2024.