Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
III. consonantische ableitungen. ST.
ableitungen mit ST.

Von dem superlativischen -st, vor welchem die vocale i,
o (entstellt in e und a?) stattfinden, wird cap. VII. ge-
handelt werden. Vor andern wörtern dieser ableitung
stehen a, i und u; zweifelhaft ei.

[AST] hier ist nur wenig anzuführen: das alts. ob-ast
(studium, festinatio) ags. os-est, ef-est (fehlerhaft geschr.
aefest) dessen wurzel objan (colere, exercere) kaum eini-
gem zweifel unterliegt, also ahd. uopan und uop-ast?
Nächstdem das weiter mit r abgeleitete ahd. a-gal-astra
(pica) vgl. oben s. 133. Die wurzel galan (canere
nr. 67.) und das componierende a = ar genommen
(a-galan, ar- galan) geben den sinn: der singende,
schreiende vogel, und wenn das in dem -astr be-
gründet sein kann, den nebensinn: der rauhschreiende,
krächzende. Mhd. a-gel-ster, nhd. verkürzt elster.
Wie aber aus agalastra agelster wird, kann auch in an-
dern fällen das a weggefallen sein. Entspringt ahd. kal-
star, gal-star (incantatio) aus kal-astar? (wurzel galan
nr. 67.) vin-star (obscurus) aus vin-astar? steht fin-istrei
(tenebrae) f. fin-astrei? Haben die altn. masc. bak-str
(panificium); rek-str (propulsio); die neutra blom-str (flos);
hul-str (theca); lem-str (contusio) ein a ausgeworfen?
Der unumlaut zeugt, daß es nicht i und u waren, und
bei lemstr liegt der umlaut schon in dem verbo lemja. --
Die nhd. mor-ast und pal-ast sind unorganisch und aus-
ländisch (franz. marais, palais). --

[IST] hierher zuvörderst die ahd. starken masc. heng-
ist (equus) und herp-ist (auctumnus), beide mit umgelau-
tetem a der wurzel? Für hengist haben trev. 11b blas.
65a heingist, inzwischen spricht das ags. heng-est, viel-
leicht das chengisto (caballus spathus) der malb. gl. für
kurzen vocal, nhd. heng-st. Wurzelhaft scheint mir nur
h-n, nicht das g, jenes nach der lautverschiebung stim-
mend zu dem flav. kon' (jeriert, also koni, sprich wie
franz. cogne) allgemein für pferd, vgl. litth. kuinas
(schlechtes pferd). Sollte dem jer das g (für j?) gleichen,
hengist für henjist stehen? Dann erklärte sich auch die
altn. auswerfung des nasallauts leichter: hestr (? hestr) für
hen-str wie ast f. anst; dän. hest, schw. häst (daneben hinxt
für den bestimmteren begriff aus dem hochd.?). Hengist und
hestr müßen dasselbe wort sein. (oben s. 199). Ahd. herp-
ist, herb-ist N. 80, 4. mhd. herb-est fragm. 30b MS. 2,

III. conſonantiſche ableitungen. ST.
ableitungen mit ST.

Von dem ſuperlativiſchen -ſt, vor welchem die vocale i,
ô (entſtellt in ë und â?) ſtattfinden, wird cap. VII. ge-
handelt werden. Vor andern wörtern dieſer ableitung
ſtehen a, i und u; zweifelhaft ei.

[AST] hier iſt nur wenig anzuführen: das altſ. ôb-aſt
(ſtudium, feſtinatio) agſ. ôſ-eſt, êf-eſt (fehlerhaft geſchr.
æfeſt) deſſen wurzel ôbjan (colere, exercere) kaum eini-
gem zweifel unterliegt, alſo ahd. uopan und uop-aſt?
Nächſtdem das weiter mit r abgeleitete ahd. â-gal-aſtra
(pica) vgl. oben ſ. 133. Die wurzel galan (canere
nr. 67.) und das componierende â = ar genommen
(â-galan, ar- galan) geben den ſinn: der ſingende,
ſchreiende vogel, und wenn das in dem -aſtr be-
gründet ſein kann, den nebenſinn: der rauhſchreiende,
krächzende. Mhd. â-gel-ſter, nhd. verkürzt elſter.
Wie aber aus âgalaſtra âgelſter wird, kann auch in an-
dern fällen das a weggefallen ſein. Entſpringt ahd. kal-
ſtar, gal-ſtar (incantatio) aus kal-aſtar? (wurzel galan
nr. 67.) vin-ſtar (obſcurus) aus vin-aſtar? ſteht fin-iſtrî
(tenebrae) f. fin-aſtrî? Haben die altn. maſc. bak-ſtr
(panificium); rëk-ſtr (propulſio); die neutra blôm-ſtr (flos);
hul-ſtr (theca); lem-ſtr (contuſio) ein a ausgeworfen?
Der unumlaut zeugt, daß es nicht i und u waren, und
bei lemſtr liegt der umlaut ſchon in dem verbo lemja. —
Die nhd. môr-aſt und pal-aſt ſind unorganiſch und aus-
ländiſch (franz. marais, palais). —

[IST] hierher zuvörderſt die ahd. ſtarken maſc. heng-
iſt (equus) und herp-iſt (auctumnus), beide mit umgelau-
tetem a der wurzel? Für hengiſt haben trev. 11b blaſ.
65a heingiſt, inzwiſchen ſpricht das agſ. heng-eſt, viel-
leicht das chengiſto (caballus ſpathus) der malb. gl. für
kurzen vocal, nhd. heng-ſt. Wurzelhaft ſcheint mir nur
h-n, nicht das g, jenes nach der lautverſchiebung ſtim-
mend zu dem flav. kon’ (jeriert, alſo koni, ſprich wie
franz. cogne) allgemein für pferd, vgl. litth. kuinas
(ſchlechtes pferd). Sollte dem jer das g (für j?) gleichen,
hengiſt für henjiſt ſtehen? Dann erklärte ſich auch die
altn. auswerfung des naſallauts leichter: heſtr (? hêſtr) für
hen-ſtr wie âſt f. anſt; dän. heſt, ſchw. häſt (daneben hinxt
für den beſtimmteren begriff aus dem hochd.?). Hengiſt und
heſtr müßen daſſelbe wort ſein. (oben ſ. 199). Ahd. herp-
iſt, herb-iſt N. 80, 4. mhd. herb-eſt fragm. 30b MS. 2,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0385" n="367"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. ST.</hi></hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">ableitungen mit ST.</hi> </head><lb/>
              <p>Von dem &#x017F;uperlativi&#x017F;chen -&#x017F;t, vor welchem die vocale i,<lb/>
ô (ent&#x017F;tellt in ë und â?) &#x017F;tattfinden, wird cap. VII. ge-<lb/>
handelt werden. Vor andern wörtern die&#x017F;er ableitung<lb/>
&#x017F;tehen <hi rendition="#i">a</hi>, <hi rendition="#i">i</hi> und <hi rendition="#i">u;</hi> zweifelhaft <hi rendition="#i">ei</hi>.</p><lb/>
              <p>[AST] hier i&#x017F;t nur wenig anzuführen: das alt&#x017F;. ôb-a&#x017F;t<lb/>
(&#x017F;tudium, fe&#x017F;tinatio) ag&#x017F;. ô&#x017F;-e&#x017F;t, êf-e&#x017F;t (fehlerhaft ge&#x017F;chr.<lb/>
æfe&#x017F;t) de&#x017F;&#x017F;en wurzel ôbjan (colere, exercere) kaum eini-<lb/>
gem zweifel unterliegt, al&#x017F;o ahd. uopan und uop-a&#x017F;t?<lb/>
Näch&#x017F;tdem das weiter mit r abgeleitete ahd. â-gal-a&#x017F;tra<lb/>
(pica) vgl. oben &#x017F;. 133. Die wurzel galan (canere<lb/>
nr. 67.) und das componierende â = ar genommen<lb/>
(â-galan, ar- galan) geben den &#x017F;inn: der &#x017F;ingende,<lb/>
&#x017F;chreiende vogel, und wenn das in dem -a&#x017F;tr be-<lb/>
gründet &#x017F;ein kann, den neben&#x017F;inn: der rauh&#x017F;chreiende,<lb/>
krächzende. Mhd. â-gel-&#x017F;ter, nhd. verkürzt el&#x017F;ter.<lb/>
Wie aber aus âgala&#x017F;tra âgel&#x017F;ter wird, kann auch in an-<lb/>
dern fällen das a weggefallen &#x017F;ein. Ent&#x017F;pringt ahd. kal-<lb/>
&#x017F;tar, gal-&#x017F;tar (incantatio) aus kal-a&#x017F;tar? (wurzel galan<lb/>
nr. 67.) vin-&#x017F;tar (ob&#x017F;curus) aus vin-a&#x017F;tar? &#x017F;teht fin-i&#x017F;trî<lb/>
(tenebrae) f. fin-a&#x017F;trî? Haben die altn. ma&#x017F;c. bak-&#x017F;tr<lb/>
(panificium); rëk-&#x017F;tr (propul&#x017F;io); die neutra blôm-&#x017F;tr (flos);<lb/>
hul-&#x017F;tr (theca); lem-&#x017F;tr (contu&#x017F;io) ein a ausgeworfen?<lb/>
Der unumlaut zeugt, daß es nicht i und u waren, und<lb/>
bei lem&#x017F;tr liegt der umlaut &#x017F;chon in dem verbo lemja. &#x2014;<lb/>
Die nhd. môr-a&#x017F;t und pal-a&#x017F;t &#x017F;ind unorgani&#x017F;ch und aus-<lb/>
ländi&#x017F;ch (franz. marais, palais). &#x2014;</p><lb/>
              <p>[IST] hierher zuvörder&#x017F;t die ahd. &#x017F;tarken ma&#x017F;c. heng-<lb/>
i&#x017F;t (equus) und herp-i&#x017F;t (auctumnus), beide mit umgelau-<lb/>
tetem a der wurzel? Für hengi&#x017F;t haben trev. 11<hi rendition="#sup">b</hi> bla&#x017F;.<lb/>
65<hi rendition="#sup">a</hi> heingi&#x017F;t, inzwi&#x017F;chen &#x017F;pricht das ag&#x017F;. heng-e&#x017F;t, viel-<lb/>
leicht das chengi&#x017F;to (caballus &#x017F;pathus) der malb. gl. für<lb/>
kurzen vocal, nhd. heng-&#x017F;t. Wurzelhaft &#x017F;cheint mir nur<lb/>
h-n, nicht das g, jenes nach der lautver&#x017F;chiebung &#x017F;tim-<lb/>
mend zu dem flav. kon&#x2019; (jeriert, al&#x017F;o koni, &#x017F;prich wie<lb/>
franz. cogne) allgemein für pferd, vgl. litth. kuinas<lb/>
(&#x017F;chlechtes pferd). Sollte dem jer das g (für j?) gleichen,<lb/>
hengi&#x017F;t für henji&#x017F;t &#x017F;tehen? Dann erklärte &#x017F;ich auch die<lb/>
altn. auswerfung des na&#x017F;allauts leichter: he&#x017F;tr (? hê&#x017F;tr) für<lb/>
hen-&#x017F;tr wie â&#x017F;t f. an&#x017F;t; dän. he&#x017F;t, &#x017F;chw. hä&#x017F;t (daneben hinxt<lb/>
für den be&#x017F;timmteren begriff aus dem hochd.?). Hengi&#x017F;t und<lb/>
he&#x017F;tr müßen da&#x017F;&#x017F;elbe wort &#x017F;ein. (oben &#x017F;. 199). Ahd. herp-<lb/>
i&#x017F;t, herb-i&#x017F;t N. 80, 4. mhd. herb-e&#x017F;t fragm. 30<hi rendition="#sup">b</hi> MS. 2,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0385] III. conſonantiſche ableitungen. ST. ableitungen mit ST. Von dem ſuperlativiſchen -ſt, vor welchem die vocale i, ô (entſtellt in ë und â?) ſtattfinden, wird cap. VII. ge- handelt werden. Vor andern wörtern dieſer ableitung ſtehen a, i und u; zweifelhaft ei. [AST] hier iſt nur wenig anzuführen: das altſ. ôb-aſt (ſtudium, feſtinatio) agſ. ôſ-eſt, êf-eſt (fehlerhaft geſchr. æfeſt) deſſen wurzel ôbjan (colere, exercere) kaum eini- gem zweifel unterliegt, alſo ahd. uopan und uop-aſt? Nächſtdem das weiter mit r abgeleitete ahd. â-gal-aſtra (pica) vgl. oben ſ. 133. Die wurzel galan (canere nr. 67.) und das componierende â = ar genommen (â-galan, ar- galan) geben den ſinn: der ſingende, ſchreiende vogel, und wenn das in dem -aſtr be- gründet ſein kann, den nebenſinn: der rauhſchreiende, krächzende. Mhd. â-gel-ſter, nhd. verkürzt elſter. Wie aber aus âgalaſtra âgelſter wird, kann auch in an- dern fällen das a weggefallen ſein. Entſpringt ahd. kal- ſtar, gal-ſtar (incantatio) aus kal-aſtar? (wurzel galan nr. 67.) vin-ſtar (obſcurus) aus vin-aſtar? ſteht fin-iſtrî (tenebrae) f. fin-aſtrî? Haben die altn. maſc. bak-ſtr (panificium); rëk-ſtr (propulſio); die neutra blôm-ſtr (flos); hul-ſtr (theca); lem-ſtr (contuſio) ein a ausgeworfen? Der unumlaut zeugt, daß es nicht i und u waren, und bei lemſtr liegt der umlaut ſchon in dem verbo lemja. — Die nhd. môr-aſt und pal-aſt ſind unorganiſch und aus- ländiſch (franz. marais, palais). — [IST] hierher zuvörderſt die ahd. ſtarken maſc. heng- iſt (equus) und herp-iſt (auctumnus), beide mit umgelau- tetem a der wurzel? Für hengiſt haben trev. 11b blaſ. 65a heingiſt, inzwiſchen ſpricht das agſ. heng-eſt, viel- leicht das chengiſto (caballus ſpathus) der malb. gl. für kurzen vocal, nhd. heng-ſt. Wurzelhaft ſcheint mir nur h-n, nicht das g, jenes nach der lautverſchiebung ſtim- mend zu dem flav. kon’ (jeriert, alſo koni, ſprich wie franz. cogne) allgemein für pferd, vgl. litth. kuinas (ſchlechtes pferd). Sollte dem jer das g (für j?) gleichen, hengiſt für henjiſt ſtehen? Dann erklärte ſich auch die altn. auswerfung des naſallauts leichter: heſtr (? hêſtr) für hen-ſtr wie âſt f. anſt; dän. heſt, ſchw. häſt (daneben hinxt für den beſtimmteren begriff aus dem hochd.?). Hengiſt und heſtr müßen daſſelbe wort ſein. (oben ſ. 199). Ahd. herp- iſt, herb-iſt N. 80, 4. mhd. herb-eſt fragm. 30b MS. 2,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/385
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/385>, abgerufen am 18.04.2024.