Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. partikelcomposition. -- einleitung.
part. schwer erklärbar, theils scheinen sich die adj. -haft
und -bar kaum mit part. zu verbinden.

e) formelle unsicherheit für den besonderen fall wird
noch dadurch gesteigert, daß dem ersten wort auch ein
subst. zum grunde liegen kann, z. b. dem angeführten do-
la-leih das fem. dola, mhd. dol (passio). Im nhd. hilft der
umlaut zweifel zwischen subst. und schw. verbis erster
conj. entscheiden, z. b. pflug-eisen, mast-schwein sind
nicht mit pflügen, mästen, vielmehr mit pflug und mast
componiert, vgl. ahd. mast-fogal mons. 394. Schwierig-
keit macht die mhd. berührung der adjectivischen comp.
-eclich mit der verbalen und participialen, vgl. leide-lich,
leidec-l. leiden-l. leident-l.; helfe-l. helfec-l. u. a. m.

f) unter den ableitungen, welche den schein zweiter
compositionswörter annehmen (s. 391. 404.), bindet sich
das einzige -nissi, zumahl das ags. -nes, mit part. praes.
und praet. Beispiele oben s. 325. 330. vgl. 399.

g) ein analogon uneigentl. verbalcomp. könnte man
erblicken in der anfügung des persönl. pronomens an
sämtliche flexionen des verbums, auf welchem wege sich
das nord. passivum entwickelt. Schon im goth. folgt es
oft unmittelbar aufs verbum, aber ohne sich anzuhängen.
Die ahd. mundart schickt es bald voraus, bald hinten
nach, so daß wiederum keine festere verbindung ent-
springt, einzelne nachsetzungen litten vergleichung mit
der nord. weise, z. b. iufensih (clamare) ker. 46. mit altn.
oepaz. Diese anfügung, die man richtiger inclination
nennt und von der zusammensetzung unterscheidet, wird
die syntax abhandeln.


§. 4. Partikelcomposition (s. 410.).

Einleitung: 1) die nominalcomposition war sowohl
eigentlich als uneigentlich. die verbale nur eigentlich,
alle partikelcomposition ist uneigentlich, sie geschieht
folglich immer ohne den compositionsvocal. Dieser sollte
bei flectierbaren wörtern vielseitige, der flexion unerreich-
liche verhältnisse faßen, zugleich das band sein, wodurch
nomina und verba, ihrer flexion entblößt, an andere wör-
ter geheftet würden. Die von natur einseitige, unver-
änderliche partikel bedarf um sich näher an andere wör-
ter zu fügen, da sie nichts von sich abzulegen hat, keines
äußern, an die stelle der abgelegten form tretenden me-

III. partikelcompoſition. — einleitung.
part. ſchwer erklärbar, theils ſcheinen ſich die adj. -haft
und -bar kaum mit part. zu verbinden.

e) formelle unſicherheit für den beſonderen fall wird
noch dadurch geſteigert, daß dem erſten wort auch ein
ſubſt. zum grunde liegen kann, z. b. dem angeführten do-
la-lîh das fem. dola, mhd. dol (paſſio). Im nhd. hilft der
umlaut zweifel zwiſchen ſubſt. und ſchw. verbis erſter
conj. entſcheiden, z. b. pflug-eiſen, maſt-ſchwein ſind
nicht mit pflügen, mäſten, vielmehr mit pflug und maſt
componiert, vgl. ahd. maſt-fogal monſ. 394. Schwierig-
keit macht die mhd. berührung der adjectiviſchen comp.
-eclich mit der verbalen und participialen, vgl. lîde-lich,
lîdec-l. lîden-l. lîdent-l.; hëlfe-l. hëlfec-l. u. a. m.

f) unter den ableitungen, welche den ſchein zweiter
compoſitionswörter annehmen (ſ. 391. 404.), bindet ſich
das einzige -niſſi, zumahl das agſ. -nës, mit part. praeſ.
und praet. Beiſpiele oben ſ. 325. 330. vgl. 399.

g) ein analogon uneigentl. verbalcomp. könnte man
erblicken in der anfügung des perſönl. pronomens an
ſämtliche flexionen des verbums, auf welchem wege ſich
das nord. paſſivum entwickelt. Schon im goth. folgt es
oft unmittelbar aufs verbum, aber ohne ſich anzuhängen.
Die ahd. mundart ſchickt es bald voraus, bald hinten
nach, ſo daß wiederum keine feſtere verbindung ent-
ſpringt, einzelne nachſetzungen litten vergleichung mit
der nord. weiſe, z. b. iufenſih (clamare) ker. 46. mit altn.
œpaz. Dieſe anfügung, die man richtiger inclination
nennt und von der zuſammenſetzung unterſcheidet, wird
die ſyntax abhandeln.


§. 4. Partikelcompoſition (ſ. 410.).

Einleitung: 1) die nominalcompoſition war ſowohl
eigentlich als uneigentlich. die verbale nur eigentlich,
alle partikelcompoſition iſt uneigentlich, ſie geſchieht
folglich immer ohne den compoſitionsvocal. Dieſer ſollte
bei flectierbaren wörtern vielſeitige, der flexion unerreich-
liche verhältniſſe faßen, zugleich das band ſein, wodurch
nomina und verba, ihrer flexion entblößt, an andere wör-
ter geheftet würden. Die von natur einſeitige, unver-
änderliche partikel bedarf um ſich näher an andere wör-
ter zu fügen, da ſie nichts von ſich abzulegen hat, keines
äußern, an die ſtelle der abgelegten form tretenden me-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0715" n="697"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">partikelcompo&#x017F;ition. &#x2014; einleitung.</hi></hi></fw><lb/>
part. &#x017F;chwer erklärbar, theils &#x017F;cheinen &#x017F;ich die adj. -haft<lb/>
und -bar kaum mit part. zu verbinden.</p><lb/>
                <p>e) formelle un&#x017F;icherheit für den be&#x017F;onderen fall wird<lb/>
noch dadurch ge&#x017F;teigert, daß dem er&#x017F;ten wort auch ein<lb/>
&#x017F;ub&#x017F;t. zum grunde liegen kann, z. b. dem angeführten do-<lb/>
la-lîh das fem. dola, mhd. dol (pa&#x017F;&#x017F;io). Im nhd. hilft der<lb/>
umlaut zweifel zwi&#x017F;chen &#x017F;ub&#x017F;t. und &#x017F;chw. verbis er&#x017F;ter<lb/>
conj. ent&#x017F;cheiden, z. b. pflug-ei&#x017F;en, ma&#x017F;t-&#x017F;chwein &#x017F;ind<lb/>
nicht mit pflügen, mä&#x017F;ten, vielmehr mit pflug und ma&#x017F;t<lb/>
componiert, vgl. ahd. ma&#x017F;t-fogal mon&#x017F;. 394. Schwierig-<lb/>
keit macht die mhd. berührung der adjectivi&#x017F;chen comp.<lb/>
-eclich mit der verbalen und participialen, vgl. lîde-lich,<lb/>
lîdec-l. lîden-l. lîdent-l.; hëlfe-l. hëlfec-l. u. a. m.</p><lb/>
                <p>f) unter den ableitungen, welche den &#x017F;chein zweiter<lb/>
compo&#x017F;itionswörter annehmen (&#x017F;. 391. 404.), bindet &#x017F;ich<lb/>
das einzige -ni&#x017F;&#x017F;i, zumahl das ag&#x017F;. -nës, mit part. prae&#x017F;.<lb/>
und praet. Bei&#x017F;piele oben &#x017F;. 325. 330. vgl. 399.</p><lb/>
                <p>g) ein analogon uneigentl. verbalcomp. könnte man<lb/>
erblicken in der anfügung des per&#x017F;önl. pronomens an<lb/>
&#x017F;ämtliche flexionen des verbums, auf welchem wege &#x017F;ich<lb/>
das nord. pa&#x017F;&#x017F;ivum entwickelt. Schon im goth. folgt es<lb/>
oft unmittelbar aufs verbum, aber ohne &#x017F;ich anzuhängen.<lb/>
Die ahd. mundart &#x017F;chickt es bald voraus, bald hinten<lb/>
nach, &#x017F;o daß wiederum keine fe&#x017F;tere verbindung ent-<lb/>
&#x017F;pringt, einzelne nach&#x017F;etzungen litten vergleichung mit<lb/>
der nord. wei&#x017F;e, z. b. iufen&#x017F;ih (clamare) ker. 46. mit altn.<lb/>
&#x0153;paz. Die&#x017F;e anfügung, die man richtiger inclination<lb/>
nennt und von der zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung unter&#x017F;cheidet, wird<lb/>
die &#x017F;yntax abhandeln.</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head>§. 4. <hi rendition="#i">Partikelcompo&#x017F;ition</hi> (&#x017F;. 410.).</head><lb/>
            <p>Einleitung: 1) die nominalcompo&#x017F;ition war &#x017F;owohl<lb/>
eigentlich als uneigentlich. die verbale nur eigentlich,<lb/><hi rendition="#i">alle partikelcompo&#x017F;ition i&#x017F;t uneigentlich</hi>, &#x017F;ie ge&#x017F;chieht<lb/>
folglich immer ohne den compo&#x017F;itionsvocal. Die&#x017F;er &#x017F;ollte<lb/>
bei flectierbaren wörtern viel&#x017F;eitige, der flexion unerreich-<lb/>
liche verhältni&#x017F;&#x017F;e faßen, zugleich das band &#x017F;ein, wodurch<lb/>
nomina und verba, ihrer flexion entblößt, an andere wör-<lb/>
ter geheftet würden. Die von natur ein&#x017F;eitige, unver-<lb/>
änderliche partikel bedarf um &#x017F;ich näher an andere wör-<lb/>
ter zu fügen, da &#x017F;ie nichts von &#x017F;ich abzulegen hat, keines<lb/>
äußern, an die &#x017F;telle der abgelegten form tretenden me-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[697/0715] III. partikelcompoſition. — einleitung. part. ſchwer erklärbar, theils ſcheinen ſich die adj. -haft und -bar kaum mit part. zu verbinden. e) formelle unſicherheit für den beſonderen fall wird noch dadurch geſteigert, daß dem erſten wort auch ein ſubſt. zum grunde liegen kann, z. b. dem angeführten do- la-lîh das fem. dola, mhd. dol (paſſio). Im nhd. hilft der umlaut zweifel zwiſchen ſubſt. und ſchw. verbis erſter conj. entſcheiden, z. b. pflug-eiſen, maſt-ſchwein ſind nicht mit pflügen, mäſten, vielmehr mit pflug und maſt componiert, vgl. ahd. maſt-fogal monſ. 394. Schwierig- keit macht die mhd. berührung der adjectiviſchen comp. -eclich mit der verbalen und participialen, vgl. lîde-lich, lîdec-l. lîden-l. lîdent-l.; hëlfe-l. hëlfec-l. u. a. m. f) unter den ableitungen, welche den ſchein zweiter compoſitionswörter annehmen (ſ. 391. 404.), bindet ſich das einzige -niſſi, zumahl das agſ. -nës, mit part. praeſ. und praet. Beiſpiele oben ſ. 325. 330. vgl. 399. g) ein analogon uneigentl. verbalcomp. könnte man erblicken in der anfügung des perſönl. pronomens an ſämtliche flexionen des verbums, auf welchem wege ſich das nord. paſſivum entwickelt. Schon im goth. folgt es oft unmittelbar aufs verbum, aber ohne ſich anzuhängen. Die ahd. mundart ſchickt es bald voraus, bald hinten nach, ſo daß wiederum keine feſtere verbindung ent- ſpringt, einzelne nachſetzungen litten vergleichung mit der nord. weiſe, z. b. iufenſih (clamare) ker. 46. mit altn. œpaz. Dieſe anfügung, die man richtiger inclination nennt und von der zuſammenſetzung unterſcheidet, wird die ſyntax abhandeln. §. 4. Partikelcompoſition (ſ. 410.). Einleitung: 1) die nominalcompoſition war ſowohl eigentlich als uneigentlich. die verbale nur eigentlich, alle partikelcompoſition iſt uneigentlich, ſie geſchieht folglich immer ohne den compoſitionsvocal. Dieſer ſollte bei flectierbaren wörtern vielſeitige, der flexion unerreich- liche verhältniſſe faßen, zugleich das band ſein, wodurch nomina und verba, ihrer flexion entblößt, an andere wör- ter geheftet würden. Die von natur einſeitige, unver- änderliche partikel bedarf um ſich näher an andere wör- ter zu fügen, da ſie nichts von ſich abzulegen hat, keines äußern, an die ſtelle der abgelegten form tretenden me-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/715
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/715>, abgerufen am 25.04.2024.