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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. partikelcomp. -- trennb. part. mit verb.
barkeit an. Einzelne partikeln für besondere bedeutun-
gen componieren sich fester, namentlich dän. efter-, over-,
under-; schwed. efter-, öfver-, under- und dann ent-
springt verschiedner sinn z. b. schwed. zwischen under-
halla und halla under (nhd. unter-halten und unter-hal-
ten). Das dän. paa-, schwed. pa- in paa-lägge, pa-bju-
da etc. entspricht dem altn. upp-a-leggja und ist also de-
compositum.


Anmerkungen über die trennbaren partikeln.

1) untrennbare partikeln zu trennbaren verhalten sich
einigermaßen wie ableitungen zur composition (z. b. zau-
berei zu zauberlist, ags. eopping zu eoppa's sohn) und
leblos werdende, scheinbar in das princip der derivation
übertretende zus. setzungsformeln (wie -thum, -heit)
gleichen den untrennbaren partikeln. Man könnte diese
vornhin gestellte ableitungen nennen oder die ableitungen
suffigierte partikeln (vgl. s. 752. über ga- und -ag); ich
will hiermit nichts erklären, nur ähnliches vergleichen,
ohne die unähnlichkeit zu verkennen.

2) die trennbarkeit und veränderliche stellung der
partikeln beruht auf ihrer lebendigeren bedeutung (s. 797.).
Je lebloser die wörter werden, desto bestimmter wird ihre
construction. Nachsetzbare partikeln dieser art thun da-
her noch den dienst wirklicher adverbia und nehmen in
der verschiedenheit der rede den platz ein, welcher an-
dern adverbiis oder selbst nominibus bald vor bald hinter
den verbis gebührt. Daher sagen wir nhd.: ab laßen, ich
laße ab, daß er ab laße, wie wir sagen: viel reden, im-
mer lernen, los brennen, wahr nehmen, glück haben;
ich rede viel, lerne immer, brenne los, nehme wahr,
habe glück; daß er viel rede, immer lerne, los brenne,
wahr nehme, glück habe (wie schon s. 872. bemerkt ist).

3) selbst bei den wirkliche compositeion eingegangnen
partikeln zeigt sich die ursprüngliche losheit in einer syn-
tactischen umstellung. Nämlich intransitive verba, bei
denen die praeposition durch, um, über steht, wandeln
sich bisweilen in transitiva, sobald man die praep. zur
bloßen partikel macht und mit den verbis zusammensetzt,
die dann den vorher von der praepos. abhängigen acc.
selbst regieren. Statt: ich breche durch den damm,
schaue durch den nebel, schiffe um die welt, schreite
über den fluß etc. darf es heißen: ich durchbreche den

III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
barkeit an. Einzelne partikeln für beſondere bedeutun-
gen componieren ſich feſter, namentlich dän. efter-, over-,
under-; ſchwed. efter-, öfver-, under- und dann ent-
ſpringt verſchiedner ſinn z. b. ſchwed. zwiſchen under-
hålla und hålla under (nhd. unter-hálten und únter-hal-
ten). Das dän. paa-, ſchwed. på- in paa-lägge, på-bju-
da etc. entſpricht dem altn. upp-â-leggja und iſt alſo de-
compoſitum.


Anmerkungen über die trennbaren partikeln.

1) untrennbare partikeln zu trennbaren verhalten ſich
einigermaßen wie ableitungen zur compoſition (z. b. zau-
berei zu zauberliſt, agſ. ëopping zu ëoppa’s ſohn) und
leblos werdende, ſcheinbar in das princip der derivation
übertretende zuſ. ſetzungsformeln (wie -thum, -heit)
gleichen den untrennbaren partikeln. Man könnte dieſe
vornhin geſtellte ableitungen nennen oder die ableitungen
ſuffigierte partikeln (vgl. ſ. 752. über ga- und -ag); ich
will hiermit nichts erklären, nur ähnliches vergleichen,
ohne die unähnlichkeit zu verkennen.

2) die trennbarkeit und veränderliche ſtellung der
partikeln beruht auf ihrer lebendigeren bedeutung (ſ. 797.).
Je lebloſer die wörter werden, deſto beſtimmter wird ihre
conſtruction. Nachſetzbare partikeln dieſer art thun da-
her noch den dienſt wirklicher adverbia und nehmen in
der verſchiedenheit der rede den platz ein, welcher an-
dern adverbiis oder ſelbſt nominibus bald vor bald hinter
den verbis gebührt. Daher ſagen wir nhd.: ab laßen, ich
laße ab, daß er ab laße, wie wir ſagen: viel reden, im-
mer lernen, los brennen, wahr nehmen, glück haben;
ich rede viel, lerne immer, brenne los, nehme wahr,
habe glück; daß er viel rede, immer lerne, los brenne,
wahr nehme, glück habe (wie ſchon ſ. 872. bemerkt iſt).

3) ſelbſt bei den wirkliche compoſitîon eingegangnen
partikeln zeigt ſich die urſprüngliche losheit in einer ſyn-
tactiſchen umſtellung. Nämlich intranſitive verba, bei
denen die praepoſition durch, um, über ſteht, wandeln
ſich bisweilen in tranſitiva, ſobald man die praep. zur
bloßen partikel macht und mit den verbis zuſammenſetzt,
die dann den vorher von der praepoſ. abhängigen acc.
ſelbſt regieren. Statt: ich breche durch den damm,
ſchaue durch den nebel, ſchiffe um die welt, ſchreite
über den fluß etc. darf es heißen: ich durchbreche den

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[917/0935] III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb. barkeit an. Einzelne partikeln für beſondere bedeutun- gen componieren ſich feſter, namentlich dän. efter-, over-, under-; ſchwed. efter-, öfver-, under- und dann ent- ſpringt verſchiedner ſinn z. b. ſchwed. zwiſchen under- hålla und hålla under (nhd. unter-hálten und únter-hal- ten). Das dän. paa-, ſchwed. på- in paa-lägge, på-bju- da etc. entſpricht dem altn. upp-â-leggja und iſt alſo de- compoſitum. Anmerkungen über die trennbaren partikeln. 1) untrennbare partikeln zu trennbaren verhalten ſich einigermaßen wie ableitungen zur compoſition (z. b. zau- berei zu zauberliſt, agſ. ëopping zu ëoppa’s ſohn) und leblos werdende, ſcheinbar in das princip der derivation übertretende zuſ. ſetzungsformeln (wie -thum, -heit) gleichen den untrennbaren partikeln. Man könnte dieſe vornhin geſtellte ableitungen nennen oder die ableitungen ſuffigierte partikeln (vgl. ſ. 752. über ga- und -ag); ich will hiermit nichts erklären, nur ähnliches vergleichen, ohne die unähnlichkeit zu verkennen. 2) die trennbarkeit und veränderliche ſtellung der partikeln beruht auf ihrer lebendigeren bedeutung (ſ. 797.). Je lebloſer die wörter werden, deſto beſtimmter wird ihre conſtruction. Nachſetzbare partikeln dieſer art thun da- her noch den dienſt wirklicher adverbia und nehmen in der verſchiedenheit der rede den platz ein, welcher an- dern adverbiis oder ſelbſt nominibus bald vor bald hinter den verbis gebührt. Daher ſagen wir nhd.: ab laßen, ich laße ab, daß er ab laße, wie wir ſagen: viel reden, im- mer lernen, los brennen, wahr nehmen, glück haben; ich rede viel, lerne immer, brenne los, nehme wahr, habe glück; daß er viel rede, immer lerne, los brenne, wahr nehme, glück habe (wie ſchon ſ. 872. bemerkt iſt). 3) ſelbſt bei den wirkliche compoſitîon eingegangnen partikeln zeigt ſich die urſprüngliche losheit in einer ſyn- tactiſchen umſtellung. Nämlich intranſitive verba, bei denen die praepoſition durch, um, über ſteht, wandeln ſich bisweilen in tranſitiva, ſobald man die praep. zur bloßen partikel macht und mit den verbis zuſammenſetzt, die dann den vorher von der praepoſ. abhängigen acc. ſelbſt regieren. Statt: ich breche durch den damm, ſchaue durch den nebel, ſchiffe um die welt, ſchreite über den fluß etc. darf es heißen: ich durchbreche den

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 917. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/935>, abgerufen am 26.04.2024.