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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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gen und mir den Kopf abhauen, und fange sie
mich nicht, oder eine unrechte, und ich sey ein-
mal vorbeigeflogen, so sey alles vorbei und kei-
ne Erlösung mehr möglich: darum hab ich dich
gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin
das graue Männlein und du meine Gemahlin."
Da war die Prinzessin vergnügt, und sie gin-
gen zusammen zu ihrem Vater, und als der
starb, erbten sie das Reich.

67.
Der König mit dem Löwen.

Bei seiner Braut saß ein junger Prinz und
sprach: "da geb ich dir einen Ring und mein
Bild, das trag zu meinem Andenken und bleib
mir treu; mein Vater ist todtkrank und hat ge-
schickt, ich soll kommen, er will mich vor sei-
nem Ende noch einmal sehen, wann ich König
bin, so hole ich dich heim." Darauf ritt er
fort, und fand seinen Vater sterbend; er bat
noch den Prinzen, er möge eine gewisse Prin-
zessin nach seinem Tode heirathen. Der Prinz
war so betrübt, und hatte seinen Vater so lieb,
daß er ohne sich zu bedenken, Ja sagte, und gleich
darauf that der alte König die Augen zu und
starb. Wie er nun zum König ausgerufen und
die Trauerzeit herum war, mußt er sein Wort
halten, und ließ um die andere Prinzessin wer-

ben,

gen und mir den Kopf abhauen, und fange ſie
mich nicht, oder eine unrechte, und ich ſey ein-
mal vorbeigeflogen, ſo ſey alles vorbei und kei-
ne Erloͤſung mehr moͤglich: darum hab ich dich
gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin
das graue Maͤnnlein und du meine Gemahlin.“
Da war die Prinzeſſin vergnuͤgt, und ſie gin-
gen zuſammen zu ihrem Vater, und als der
ſtarb, erbten ſie das Reich.

67.
Der Koͤnig mit dem Loͤwen.

Bei ſeiner Braut ſaß ein junger Prinz und
ſprach: „da geb ich dir einen Ring und mein
Bild, das trag zu meinem Andenken und bleib
mir treu; mein Vater iſt todtkrank und hat ge-
ſchickt, ich ſoll kommen, er will mich vor ſei-
nem Ende noch einmal ſehen, wann ich Koͤnig
bin, ſo hole ich dich heim.“ Darauf ritt er
fort, und fand ſeinen Vater ſterbend; er bat
noch den Prinzen, er moͤge eine gewiſſe Prin-
zeſſin nach ſeinem Tode heirathen. Der Prinz
war ſo betruͤbt, und hatte ſeinen Vater ſo lieb,
daß er ohne ſich zu bedenken, Ja ſagte, und gleich
darauf that der alte Koͤnig die Augen zu und
ſtarb. Wie er nun zum Koͤnig ausgerufen und
die Trauerzeit herum war, mußt er ſein Wort
halten, und ließ um die andere Prinzeſſin wer-

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[320/0354] gen und mir den Kopf abhauen, und fange ſie mich nicht, oder eine unrechte, und ich ſey ein- mal vorbeigeflogen, ſo ſey alles vorbei und kei- ne Erloͤſung mehr moͤglich: darum hab ich dich gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin das graue Maͤnnlein und du meine Gemahlin.“ Da war die Prinzeſſin vergnuͤgt, und ſie gin- gen zuſammen zu ihrem Vater, und als der ſtarb, erbten ſie das Reich. 67. Der Koͤnig mit dem Loͤwen. Bei ſeiner Braut ſaß ein junger Prinz und ſprach: „da geb ich dir einen Ring und mein Bild, das trag zu meinem Andenken und bleib mir treu; mein Vater iſt todtkrank und hat ge- ſchickt, ich ſoll kommen, er will mich vor ſei- nem Ende noch einmal ſehen, wann ich Koͤnig bin, ſo hole ich dich heim.“ Darauf ritt er fort, und fand ſeinen Vater ſterbend; er bat noch den Prinzen, er moͤge eine gewiſſe Prin- zeſſin nach ſeinem Tode heirathen. Der Prinz war ſo betruͤbt, und hatte ſeinen Vater ſo lieb, daß er ohne ſich zu bedenken, Ja ſagte, und gleich darauf that der alte Koͤnig die Augen zu und ſtarb. Wie er nun zum Koͤnig ausgerufen und die Trauerzeit herum war, mußt er ſein Wort halten, und ließ um die andere Prinzeſſin wer- ben,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/354>, abgerufen am 28.03.2024.