Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

aus. Sie hieß sie gleich hingehen und große und
schwere Wackersteine herbeitragen, damit füllten
sie dem Wolf den Leib, nähten ihn wieder zu,
liefen fort, und versteckten sich hinter eine Hecke.

Als der Wolf ausgeschlafen hatte, so fühlt'
er es so schwer im Leib und sprach: "es rum-
pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum-
pelt und pumpelt mir im Leib herum! was ist
das? ich hab' nur sechs Geiserchen gegessen."
Er dacht, er wollt einen frischen Trunk thun,
das mögt' ihm helfen und suchte einen Brun-
nen, aber wie er sich darüber bückte, konnte er
vor der Schwere der Steine sich nicht mehr hal-
ten, und stürzte ins Wasser. Wie das die sie-
ben Geiserchen sahen, kamen sie herzu gelaufen,
und tanzten vor Freude um den Brunnen.

6.
Von der Nachtigall und der Blind-
schleiche
.

Es waren einmal eine Nachtigall und eine
Blindschleiche, die hatten jede nur ein Aug' und
lebten zusammen in einem Haus lange Zeit in
Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde
die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da
sprach sie zur Blindschleiche: "ich bin da auf
eine Hochzeit gebeten und mögte nicht gern so
mit einem Aug' hingehen, sey doch so gut und

aus. Sie hieß ſie gleich hingehen und große und
ſchwere Wackerſteine herbeitragen, damit fuͤllten
ſie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu,
liefen fort, und verſteckten ſich hinter eine Hecke.

Als der Wolf ausgeſchlafen hatte, ſo fuͤhlt'
er es ſo ſchwer im Leib und ſprach: „es rum-
pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum-
pelt und pumpelt mir im Leib herum! was iſt
das? ich hab' nur ſechs Geiſerchen gegeſſen.“
Er dacht, er wollt einen friſchen Trunk thun,
das moͤgt' ihm helfen und ſuchte einen Brun-
nen, aber wie er ſich daruͤber buͤckte, konnte er
vor der Schwere der Steine ſich nicht mehr hal-
ten, und ſtuͤrzte ins Waſſer. Wie das die ſie-
ben Geiſerchen ſahen, kamen ſie herzu gelaufen,
und tanzten vor Freude um den Brunnen.

6.
Von der Nachtigall und der Blind-
ſchleiche
.

Es waren einmal eine Nachtigall und eine
Blindſchleiche, die hatten jede nur ein Aug' und
lebten zuſammen in einem Haus lange Zeit in
Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde
die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da
ſprach ſie zur Blindſchleiche: „ich bin da auf
eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern ſo
mit einem Aug' hingehen, ſey doch ſo gut und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="20"/>
aus. Sie hieß &#x017F;ie gleich hingehen und große und<lb/>
&#x017F;chwere Wacker&#x017F;teine herbeitragen, damit fu&#x0364;llten<lb/>
&#x017F;ie dem Wolf den Leib, na&#x0364;hten ihn wieder zu,<lb/>
liefen fort, und ver&#x017F;teckten &#x017F;ich hinter eine Hecke.</p><lb/>
        <p>Als der Wolf ausge&#x017F;chlafen hatte, &#x017F;o fu&#x0364;hlt'<lb/>
er es &#x017F;o &#x017F;chwer im Leib und &#x017F;prach: &#x201E;es rum-<lb/>
pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum-<lb/>
pelt und pumpelt mir im Leib herum! was i&#x017F;t<lb/>
das? ich hab' nur &#x017F;echs Gei&#x017F;erchen gege&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;<lb/>
Er dacht, er wollt einen fri&#x017F;chen Trunk thun,<lb/>
das mo&#x0364;gt' ihm helfen und &#x017F;uchte einen Brun-<lb/>
nen, aber wie er &#x017F;ich daru&#x0364;ber bu&#x0364;ckte, konnte er<lb/>
vor der Schwere der Steine &#x017F;ich nicht mehr hal-<lb/>
ten, und &#x017F;tu&#x0364;rzte ins Wa&#x017F;&#x017F;er. Wie das die &#x017F;ie-<lb/>
ben Gei&#x017F;erchen &#x017F;ahen, kamen &#x017F;ie herzu gelaufen,<lb/>
und tanzten vor Freude um den Brunnen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>6.<lb/><hi rendition="#g">Von der Nachtigall und der Blind-<lb/>
&#x017F;chleiche</hi>.</head><lb/>
        <p>Es waren einmal eine Nachtigall und eine<lb/>
Blind&#x017F;chleiche, die hatten jede nur ein Aug' und<lb/>
lebten zu&#x017F;ammen in einem Haus lange Zeit in<lb/>
Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde<lb/>
die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da<lb/>
&#x017F;prach &#x017F;ie zur Blind&#x017F;chleiche: &#x201E;ich bin da auf<lb/>
eine Hochzeit gebeten und mo&#x0364;gte nicht gern &#x017F;o<lb/>
mit einem Aug' hingehen, &#x017F;ey doch &#x017F;o gut und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0054] aus. Sie hieß ſie gleich hingehen und große und ſchwere Wackerſteine herbeitragen, damit fuͤllten ſie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu, liefen fort, und verſteckten ſich hinter eine Hecke. Als der Wolf ausgeſchlafen hatte, ſo fuͤhlt' er es ſo ſchwer im Leib und ſprach: „es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! was iſt das? ich hab' nur ſechs Geiſerchen gegeſſen.“ Er dacht, er wollt einen friſchen Trunk thun, das moͤgt' ihm helfen und ſuchte einen Brun- nen, aber wie er ſich daruͤber buͤckte, konnte er vor der Schwere der Steine ſich nicht mehr hal- ten, und ſtuͤrzte ins Waſſer. Wie das die ſie- ben Geiſerchen ſahen, kamen ſie herzu gelaufen, und tanzten vor Freude um den Brunnen. 6. Von der Nachtigall und der Blind- ſchleiche. Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindſchleiche, die hatten jede nur ein Aug' und lebten zuſammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da ſprach ſie zur Blindſchleiche: „ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern ſo mit einem Aug' hingehen, ſey doch ſo gut und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/54
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/54>, abgerufen am 28.03.2024.