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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Obst, Wein: Herz, was verlangst du? die Frau
verwunderte sich und sprach: "sag mir doch
Mann, woher kommt denn dieser Reichthum
auf einmal?" -- "Das darf ich dir nicht sa-
gen, denn wenn ich dirs sagte, so wäre unser
Glück wieder dahin." Dadurch ward die Frau
nur neugieriger gemacht, und fragte ihren Mann,
und quälte ihn, und ließ ihm Tag und Nacht
keine Ruhe, bis er es ihr endlich entdeckte, daß
das alles von einem Goldfisch herkomme; kaum
aber hatte er ausgesprochen, da war das Schloß
und aller Reichthum verschwunden, und sie sa-
ßen wieder in der alten Fischerhütte.

Der Mann ging nun wieder seinem Ge-
werbe nach, und fischte und fischte den Gold-
fisch zum zweitenmal heraus; er versprach ge-
gen Freilassung ihm aufs neue das schöne Schloß
und den Schrank voll Gesottenes und Gebra-
tenes, doch unter der nämlichen Bedingung, daß
er verschwiegen sey; der Mann hielt auch eine
Zeit lang aus, endlich aber quälte ihn seine
Frau so gewaltig, daß er ihr das Geheimniß
offenbarte, und in dem Augenblick saßen sie
auch wieder in ihrer schlechten Hütte. Der
Mann ging zu fischen, und fischte das Gold-
fischgen zum drittenmal: "hör, sagte das, nimm
mich nur mit nach Haus, und zerschneid mich
dort in sechs Stücke; zwei gieb deiner Frau zu
essen, zwei deinem Pferd, und zwei pflanz' in

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Obſt, Wein: Herz, was verlangſt du? die Frau
verwunderte ſich und ſprach: „ſag mir doch
Mann, woher kommt denn dieſer Reichthum
auf einmal?“ — „Das darf ich dir nicht ſa-
gen, denn wenn ich dirs ſagte, ſo waͤre unſer
Gluͤck wieder dahin.“ Dadurch ward die Frau
nur neugieriger gemacht, und fragte ihren Mann,
und quaͤlte ihn, und ließ ihm Tag und Nacht
keine Ruhe, bis er es ihr endlich entdeckte, daß
das alles von einem Goldfiſch herkomme; kaum
aber hatte er ausgeſprochen, da war das Schloß
und aller Reichthum verſchwunden, und ſie ſa-
ßen wieder in der alten Fiſcherhuͤtte.

Der Mann ging nun wieder ſeinem Ge-
werbe nach, und fiſchte und fiſchte den Gold-
fiſch zum zweitenmal heraus; er verſprach ge-
gen Freilaſſung ihm aufs neue das ſchoͤne Schloß
und den Schrank voll Geſottenes und Gebra-
tenes, doch unter der naͤmlichen Bedingung, daß
er verſchwiegen ſey; der Mann hielt auch eine
Zeit lang aus, endlich aber quaͤlte ihn ſeine
Frau ſo gewaltig, daß er ihr das Geheimniß
offenbarte, und in dem Augenblick ſaßen ſie
auch wieder in ihrer ſchlechten Huͤtte. Der
Mann ging zu fiſchen, und fiſchte das Gold-
fiſchgen zum drittenmal: „hoͤr, ſagte das, nimm
mich nur mit nach Haus, und zerſchneid mich
dort in ſechs Stuͤcke; zwei gieb deiner Frau zu
eſſen, zwei deinem Pferd, und zwei pflanz' in

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[291/0325] Obſt, Wein: Herz, was verlangſt du? die Frau verwunderte ſich und ſprach: „ſag mir doch Mann, woher kommt denn dieſer Reichthum auf einmal?“ — „Das darf ich dir nicht ſa- gen, denn wenn ich dirs ſagte, ſo waͤre unſer Gluͤck wieder dahin.“ Dadurch ward die Frau nur neugieriger gemacht, und fragte ihren Mann, und quaͤlte ihn, und ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe, bis er es ihr endlich entdeckte, daß das alles von einem Goldfiſch herkomme; kaum aber hatte er ausgeſprochen, da war das Schloß und aller Reichthum verſchwunden, und ſie ſa- ßen wieder in der alten Fiſcherhuͤtte. Der Mann ging nun wieder ſeinem Ge- werbe nach, und fiſchte und fiſchte den Gold- fiſch zum zweitenmal heraus; er verſprach ge- gen Freilaſſung ihm aufs neue das ſchoͤne Schloß und den Schrank voll Geſottenes und Gebra- tenes, doch unter der naͤmlichen Bedingung, daß er verſchwiegen ſey; der Mann hielt auch eine Zeit lang aus, endlich aber quaͤlte ihn ſeine Frau ſo gewaltig, daß er ihr das Geheimniß offenbarte, und in dem Augenblick ſaßen ſie auch wieder in ihrer ſchlechten Huͤtte. Der Mann ging zu fiſchen, und fiſchte das Gold- fiſchgen zum drittenmal: „hoͤr, ſagte das, nimm mich nur mit nach Haus, und zerſchneid mich dort in ſechs Stuͤcke; zwei gieb deiner Frau zu eſſen, zwei deinem Pferd, und zwei pflanz' in T 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/325>, abgerufen am 29.03.2024.