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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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prächtig geputzt nach ihrem Stand, und das
Fest war ihre Vermählung mit dem König
Droßelbart.

53.
Sneewittchen (Schneeweißchen).

Es war einmal mitten im Winter, und die
Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel,
da saß eine schöne Königin an einem Fenster,
das hatte einen Rahmen von schwarzem Eben-
holz, und nähte. Und wie sie so nähte und
nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit
der Nadel in den Finger, und es fielen drei
Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das
Rothe in dem Weißen so schön aussah, so dach-
te sie: hätt ich doch ein Kind so weiß wie
Schnee, so roth wie Blut und so schwarz wie
dieser Rahmen. Und bald darauf bekam sie
ein Töchterlein, so weiß wie der Schnee, so
roth wie das Blut, und so schwarz wie Eben-
holz, und darum ward es das Sneewittchen ge-
nannt.

Die Königin war die schönste im ganzen
Land, und gar stolz auf ihre Schönheit. Sie
hatte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle
Morgen und fragte:

"Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?"

da sprach das Spieglein allzeit:

praͤchtig geputzt nach ihrem Stand, und das
Feſt war ihre Vermaͤhlung mit dem Koͤnig
Droßelbart.

53.
Sneewittchen (Schneeweißchen).

Es war einmal mitten im Winter, und die
Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel,
da ſaß eine ſchoͤne Koͤnigin an einem Fenſter,
das hatte einen Rahmen von ſchwarzem Eben-
holz, und naͤhte. Und wie ſie ſo naͤhte und
nach dem Schnee aufblickte, ſtach ſie ſich mit
der Nadel in den Finger, und es fielen drei
Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das
Rothe in dem Weißen ſo ſchoͤn ausſah, ſo dach-
te ſie: haͤtt ich doch ein Kind ſo weiß wie
Schnee, ſo roth wie Blut und ſo ſchwarz wie
dieſer Rahmen. Und bald darauf bekam ſie
ein Toͤchterlein, ſo weiß wie der Schnee, ſo
roth wie das Blut, und ſo ſchwarz wie Eben-
holz, und darum ward es das Sneewittchen ge-
nannt.

Die Koͤnigin war die ſchoͤnſte im ganzen
Land, und gar ſtolz auf ihre Schoͤnheit. Sie
hatte auch einen Spiegel, vor den trat ſie alle
Morgen und fragte:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?“

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[238/0272] praͤchtig geputzt nach ihrem Stand, und das Feſt war ihre Vermaͤhlung mit dem Koͤnig Droßelbart. 53. Sneewittchen (Schneeweißchen). Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel, da ſaß eine ſchoͤne Koͤnigin an einem Fenſter, das hatte einen Rahmen von ſchwarzem Eben- holz, und naͤhte. Und wie ſie ſo naͤhte und nach dem Schnee aufblickte, ſtach ſie ſich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe in dem Weißen ſo ſchoͤn ausſah, ſo dach- te ſie: haͤtt ich doch ein Kind ſo weiß wie Schnee, ſo roth wie Blut und ſo ſchwarz wie dieſer Rahmen. Und bald darauf bekam ſie ein Toͤchterlein, ſo weiß wie der Schnee, ſo roth wie das Blut, und ſo ſchwarz wie Eben- holz, und darum ward es das Sneewittchen ge- nannt. Die Koͤnigin war die ſchoͤnſte im ganzen Land, und gar ſtolz auf ihre Schoͤnheit. Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat ſie alle Morgen und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?“ da ſprach das Spieglein allzeit:

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/272>, abgerufen am 19.04.2024.