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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Nacht wieder in eine dritte Kammer sperren,
die war noch größer als die beiden ersten und
ganz voll Stroh, "und wenn dir das auch ge-
lingt, sollst du meine Gemahlin werden." Da
kam das Männlein und sagte: "ich will es
noch einmal thun, aber du mußt mir das erste
Kind versprechen, das du mit dem König be-
kommst." Sie versprach es in der Noth, und
wie nun der König auch dieses Stroh in Gold
verwandelt sah, nahm er die schöne Müllers-
tochter zu seiner Gemahlin.

Bald darauf kam die Königin ins Wochen-
bett, da trat das Männlein vor die Königin
und forderte das versprochene Kind. Die Kö-
nigin aber bat, was sie konnte und bot dem
Männchen alle Reichthümer an, wenn es ihr
ihr Kind lassen wollte, allein alles war verge-
bens. Endlich sagte es: "in drei Tagen komm
ich wieder und hole das Kind, wenn du aber
dann meinen Namen weißt, so sollst du das
Kind behalten!"

Da sann die Königin den ersten und zwei-
ten Tag, was doch das Männchen für einen
Namen hätte, konnte sich aber nicht besinnen,
und ward ganz betrübt. Am dritten Tag aber
kam der König von der Jagd heim und erzähl-
te ihr: ich bin vorgestern auf der Jagd gewe-
sen, und als ich tief in den dunkelen Wald
kam, war da ein kleines Haus und vor dem

Nacht wieder in eine dritte Kammer ſperren,
die war noch groͤßer als die beiden erſten und
ganz voll Stroh, „und wenn dir das auch ge-
lingt, ſollſt du meine Gemahlin werden.“ Da
kam das Maͤnnlein und ſagte: „ich will es
noch einmal thun, aber du mußt mir das erſte
Kind verſprechen, das du mit dem Koͤnig be-
kommſt.“ Sie verſprach es in der Noth, und
wie nun der Koͤnig auch dieſes Stroh in Gold
verwandelt ſah, nahm er die ſchoͤne Muͤllers-
tochter zu ſeiner Gemahlin.

Bald darauf kam die Koͤnigin ins Wochen-
bett, da trat das Maͤnnlein vor die Koͤnigin
und forderte das verſprochene Kind. Die Koͤ-
nigin aber bat, was ſie konnte und bot dem
Maͤnnchen alle Reichthuͤmer an, wenn es ihr
ihr Kind laſſen wollte, allein alles war verge-
bens. Endlich ſagte es: „in drei Tagen komm
ich wieder und hole das Kind, wenn du aber
dann meinen Namen weißt, ſo ſollſt du das
Kind behalten!“

Da ſann die Koͤnigin den erſten und zwei-
ten Tag, was doch das Maͤnnchen fuͤr einen
Namen haͤtte, konnte ſich aber nicht beſinnen,
und ward ganz betruͤbt. Am dritten Tag aber
kam der Koͤnig von der Jagd heim und erzaͤhl-
te ihr: ich bin vorgeſtern auf der Jagd gewe-
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kam, war da ein kleines Haus und vor dem

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[254/0288] Nacht wieder in eine dritte Kammer ſperren, die war noch groͤßer als die beiden erſten und ganz voll Stroh, „und wenn dir das auch ge- lingt, ſollſt du meine Gemahlin werden.“ Da kam das Maͤnnlein und ſagte: „ich will es noch einmal thun, aber du mußt mir das erſte Kind verſprechen, das du mit dem Koͤnig be- kommſt.“ Sie verſprach es in der Noth, und wie nun der Koͤnig auch dieſes Stroh in Gold verwandelt ſah, nahm er die ſchoͤne Muͤllers- tochter zu ſeiner Gemahlin. Bald darauf kam die Koͤnigin ins Wochen- bett, da trat das Maͤnnlein vor die Koͤnigin und forderte das verſprochene Kind. Die Koͤ- nigin aber bat, was ſie konnte und bot dem Maͤnnchen alle Reichthuͤmer an, wenn es ihr ihr Kind laſſen wollte, allein alles war verge- bens. Endlich ſagte es: „in drei Tagen komm ich wieder und hole das Kind, wenn du aber dann meinen Namen weißt, ſo ſollſt du das Kind behalten!“ Da ſann die Koͤnigin den erſten und zwei- ten Tag, was doch das Maͤnnchen fuͤr einen Namen haͤtte, konnte ſich aber nicht beſinnen, und ward ganz betruͤbt. Am dritten Tag aber kam der Koͤnig von der Jagd heim und erzaͤhl- te ihr: ich bin vorgeſtern auf der Jagd gewe- ſen, und als ich tief in den dunkelen Wald kam, war da ein kleines Haus und vor dem

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/288>, abgerufen am 25.04.2024.