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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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kommen, und da wollte er sie gewiß festhalten.
Allerlei-Rauh bat auch wieder den Koch, ob
sie nicht dürfe hinaufgehen, der schalt aber und
sagte: "du bist eine Hexe, du thust immer et-
was in die Suppe, und kannst sie besser kochen
als ich;" doch weil es so bat und versprach,
ordentlich zu seyn, so ließ er es wieder auf ei-
ne halbe Stunde hingehen. Da zog es sein
Sternenkleid an, das funkelte wie die Sterne
in der Nacht, ging hinauf und tanzte mit dem
König; der meinte, so schön hätte er es noch
niemals gesehen. Bei dem Tanz aber steckte er
ihm einen Ring an den Finger, und hatte be-
fohlen, daß der Tanz recht lang währen sollte.
Doch aber konnte er es nicht festhalten, auch
kein Wort mit ihm sprechen, denn als der Tanz
aus war, sprang es so geschwind unter die Leu-
te, daß es verschwunden war, eh er sich um-
drehte. Es lief in sein Ställchen, und weils
länger als eine halbe Stunde weggewesen war,
zog es sich geschwind aus und machte sich in
der Eile nicht ganz schwarz, sondern ein Finger
blieb weiß, und wie es in die Küche kam, war
der Koch schon fort, da kochte es geschwind die
Brodsuppe und legte den goldenen Haspel hin-
ein. Der König fand ihn, wie den Ring und
das goldne Spinnrad, und nun wußt' er ge-
wiß, daß seine Braut in der Nähe war, denn
niemand anders konnte die Geschenke sonst ha-

kommen, und da wollte er ſie gewiß feſthalten.
Allerlei-Rauh bat auch wieder den Koch, ob
ſie nicht duͤrfe hinaufgehen, der ſchalt aber und
ſagte: „du biſt eine Hexe, du thuſt immer et-
was in die Suppe, und kannſt ſie beſſer kochen
als ich;“ doch weil es ſo bat und verſprach,
ordentlich zu ſeyn, ſo ließ er es wieder auf ei-
ne halbe Stunde hingehen. Da zog es ſein
Sternenkleid an, das funkelte wie die Sterne
in der Nacht, ging hinauf und tanzte mit dem
Koͤnig; der meinte, ſo ſchoͤn haͤtte er es noch
niemals geſehen. Bei dem Tanz aber ſteckte er
ihm einen Ring an den Finger, und hatte be-
fohlen, daß der Tanz recht lang waͤhren ſollte.
Doch aber konnte er es nicht feſthalten, auch
kein Wort mit ihm ſprechen, denn als der Tanz
aus war, ſprang es ſo geſchwind unter die Leu-
te, daß es verſchwunden war, eh er ſich um-
drehte. Es lief in ſein Staͤllchen, und weils
laͤnger als eine halbe Stunde weggeweſen war,
zog es ſich geſchwind aus und machte ſich in
der Eile nicht ganz ſchwarz, ſondern ein Finger
blieb weiß, und wie es in die Kuͤche kam, war
der Koch ſchon fort, da kochte es geſchwind die
Brodſuppe und legte den goldenen Haspel hin-
ein. Der Koͤnig fand ihn, wie den Ring und
das goldne Spinnrad, und nun wußt' er ge-
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niemand anders konnte die Geſchenke ſonſt ha-

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[315/0349] kommen, und da wollte er ſie gewiß feſthalten. Allerlei-Rauh bat auch wieder den Koch, ob ſie nicht duͤrfe hinaufgehen, der ſchalt aber und ſagte: „du biſt eine Hexe, du thuſt immer et- was in die Suppe, und kannſt ſie beſſer kochen als ich;“ doch weil es ſo bat und verſprach, ordentlich zu ſeyn, ſo ließ er es wieder auf ei- ne halbe Stunde hingehen. Da zog es ſein Sternenkleid an, das funkelte wie die Sterne in der Nacht, ging hinauf und tanzte mit dem Koͤnig; der meinte, ſo ſchoͤn haͤtte er es noch niemals geſehen. Bei dem Tanz aber ſteckte er ihm einen Ring an den Finger, und hatte be- fohlen, daß der Tanz recht lang waͤhren ſollte. Doch aber konnte er es nicht feſthalten, auch kein Wort mit ihm ſprechen, denn als der Tanz aus war, ſprang es ſo geſchwind unter die Leu- te, daß es verſchwunden war, eh er ſich um- drehte. Es lief in ſein Staͤllchen, und weils laͤnger als eine halbe Stunde weggeweſen war, zog es ſich geſchwind aus und machte ſich in der Eile nicht ganz ſchwarz, ſondern ein Finger blieb weiß, und wie es in die Kuͤche kam, war der Koch ſchon fort, da kochte es geſchwind die Brodſuppe und legte den goldenen Haspel hin- ein. Der Koͤnig fand ihn, wie den Ring und das goldne Spinnrad, und nun wußt' er ge- wiß, daß ſeine Braut in der Naͤhe war, denn niemand anders konnte die Geſchenke ſonſt ha-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/349>, abgerufen am 25.04.2024.