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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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sitzt hübsch beisammen, da kann ich eine nach der
andern auffressen." Die Gänse gackten vor
Schrecken, sprangen auf und fingen an gar kläg-
lich um ihr Leben zu bitten, der Fuchs aber
sprach: "da ist keine Gnade, ihr müßt sterben."
Endlich nahm sich eine das Herz und sagte: "sol-
len wir doch unser jung frisch Leben lassen, so er-
zeig uns die einzige Gnade und erlaub' uns noch
ein Gebet, damit wir nicht in unsern Sünden
sterben, hernach wollen wir uns auch in eine Reihe
stellen, damit du dir immer die fetteste aussuchen
kannst." "Ja, sagte der Fuchs, das ist billig
um eine fromme Bitte, betet, ich will so lange
warten." Also fing die erste ein recht langes Ge-
bet an: ga! ga! und weil sie gar nicht aufhören
wollte, wartete die zweite nicht, bis die Reihe an
sie kam, sondern fing auch an ga! ga! (Und
wenn sie alle ausgebetet haben, soll das Märchen
weiter erzählt werden, sie beten aber alleweile
noch immer fort.)



ſitzt huͤbſch beiſammen, da kann ich eine nach der
andern auffreſſen.“ Die Gaͤnſe gackten vor
Schrecken, ſprangen auf und fingen an gar klaͤg-
lich um ihr Leben zu bitten, der Fuchs aber
ſprach: „da iſt keine Gnade, ihr muͤßt ſterben.“
Endlich nahm ſich eine das Herz und ſagte: „ſol-
len wir doch unſer jung friſch Leben laſſen, ſo er-
zeig uns die einzige Gnade und erlaub' uns noch
ein Gebet, damit wir nicht in unſern Suͤnden
ſterben, hernach wollen wir uns auch in eine Reihe
ſtellen, damit du dir immer die fetteſte ausſuchen
kannſt.“ „Ja, ſagte der Fuchs, das iſt billig
um eine fromme Bitte, betet, ich will ſo lange
warten.“ Alſo fing die erſte ein recht langes Ge-
bet an: ga! ga! und weil ſie gar nicht aufhoͤren
wollte, wartete die zweite nicht, bis die Reihe an
ſie kam, ſondern fing auch an ga! ga! (Und
wenn ſie alle ausgebetet haben, ſoll das Maͤrchen
weiter erzaͤhlt werden, ſie beten aber alleweile
noch immer fort.)



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[388/0422] ſitzt huͤbſch beiſammen, da kann ich eine nach der andern auffreſſen.“ Die Gaͤnſe gackten vor Schrecken, ſprangen auf und fingen an gar klaͤg- lich um ihr Leben zu bitten, der Fuchs aber ſprach: „da iſt keine Gnade, ihr muͤßt ſterben.“ Endlich nahm ſich eine das Herz und ſagte: „ſol- len wir doch unſer jung friſch Leben laſſen, ſo er- zeig uns die einzige Gnade und erlaub' uns noch ein Gebet, damit wir nicht in unſern Suͤnden ſterben, hernach wollen wir uns auch in eine Reihe ſtellen, damit du dir immer die fetteſte ausſuchen kannſt.“ „Ja, ſagte der Fuchs, das iſt billig um eine fromme Bitte, betet, ich will ſo lange warten.“ Alſo fing die erſte ein recht langes Ge- bet an: ga! ga! und weil ſie gar nicht aufhoͤren wollte, wartete die zweite nicht, bis die Reihe an ſie kam, ſondern fing auch an ga! ga! (Und wenn ſie alle ausgebetet haben, ſoll das Maͤrchen weiter erzaͤhlt werden, ſie beten aber alleweile noch immer fort.)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/422>, abgerufen am 29.03.2024.