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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Zum Froschkönig. No. 1.

Eins der allerältesten und schönsten Märchen, das
man sonst in Deutschland unter dem Namen: von
dem eisernen Heinrich besonders gekannt hat,
nach dem treuen Bedienten, der sich sein kummer-
volles Herz in Banden hatte legen lassen. Rol-
lenhagen nennt es so unter den alten deutschen
Hausmärlein. Darauf bezieht sich auch, was Phi-
lander v. Sittewald 3, 42. sagt: "dann ihr Herz
stund in meiner Hand, fester als in ein eisen
Band
." Vom Band der Sorge ist noch allge-
meiner und öfter Rede, vom Stein der auf dem
Herzen liegt, schön singt ein Minnedichter: "sie
ist mir recht stahelhart in mein Herz gedrückt."
Heinrich von Sax (1, 36.) sogar ausdrücklich:
"mein Herze in Banden litt," und ein Lied
von Heinrich dem Löwen Str. 59. "es lag ihr
Herz in Banden." -- Allein der Hauptsage nach
lebt das Märchen auch in Schottland fort. In
the complaynt of Scotland geschrieben 1548. wird
unter andern alten Erzählungen the tale of
the wolf of the warldis end
genannt, das
leider ganz verloren gegangen (vielleicht die Sa-
ge vom nordischen Loke) ist. J. Leyden in s.
Ausg. des Complaynt Edinb. 1801. S. 234. 35.
glaubt, daß es in verschiedene Lieder und Ammen-
märchen zerstückt noch herumgehe, er habe Frag-
mente singen hören, worin der Brunnen von
der Welt End
(well of the warldis end) vor-
komme und the well Absolom und the cald
well
sae weary
heiße. Hieran schließt er nun
unser Märchen an, wiewohl der Weltbrunnen recht
gut in verschiedene Sagen eingreifen kann, und
wir auch in dem deutschen keine Anknüpfung zu

A 2

Zum Froſchkoͤnig. No. 1.

Eins der alleraͤlteſten und ſchoͤnſten Maͤrchen, das
man ſonſt in Deutſchland unter dem Namen: von
dem eiſernen Heinrich beſonders gekannt hat,
nach dem treuen Bedienten, der ſich ſein kummer-
volles Herz in Banden hatte legen laſſen. Rol-
lenhagen nennt es ſo unter den alten deutſchen
Hausmaͤrlein. Darauf bezieht ſich auch, was Phi-
lander v. Sittewald 3, 42. ſagt: „dann ihr Herz
ſtund in meiner Hand, feſter als in ein eiſen
Band
.“ Vom Band der Sorge iſt noch allge-
meiner und oͤfter Rede, vom Stein der auf dem
Herzen liegt, ſchoͤn ſingt ein Minnedichter: „ſie
iſt mir recht ſtahelhart in mein Herz gedruͤckt.“
Heinrich von Sax (1, 36.) ſogar ausdruͤcklich:
„mein Herze in Banden litt,“ und ein Lied
von Heinrich dem Loͤwen Str. 59. „es lag ihr
Herz in Banden.“ — Allein der Hauptſage nach
lebt das Maͤrchen auch in Schottland fort. In
the complaynt of Scotland geſchrieben 1548. wird
unter andern alten Erzaͤhlungen the tale of
the wolf of the warldis end
genannt, das
leider ganz verloren gegangen (vielleicht die Sa-
ge vom nordiſchen Loke) iſt. J. Leyden in ſ.
Ausg. des Complaynt Edinb. 1801. S. 234. 35.
glaubt, daß es in verſchiedene Lieder und Ammen-
maͤrchen zerſtuͤckt noch herumgehe, er habe Frag-
mente ſingen hoͤren, worin der Brunnen von
der Welt End
(well of the warldis end) vor-
komme und the well Absolom und the cald
well
sae weary
heiße. Hieran ſchließt er nun
unſer Maͤrchen an, wiewohl der Weltbrunnen recht
gut in verſchiedene Sagen eingreifen kann, und
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[[III]/0425] Zum Froſchkoͤnig. No. 1. Eins der alleraͤlteſten und ſchoͤnſten Maͤrchen, das man ſonſt in Deutſchland unter dem Namen: von dem eiſernen Heinrich beſonders gekannt hat, nach dem treuen Bedienten, der ſich ſein kummer- volles Herz in Banden hatte legen laſſen. Rol- lenhagen nennt es ſo unter den alten deutſchen Hausmaͤrlein. Darauf bezieht ſich auch, was Phi- lander v. Sittewald 3, 42. ſagt: „dann ihr Herz ſtund in meiner Hand, feſter als in ein eiſen Band.“ Vom Band der Sorge iſt noch allge- meiner und oͤfter Rede, vom Stein der auf dem Herzen liegt, ſchoͤn ſingt ein Minnedichter: „ſie iſt mir recht ſtahelhart in mein Herz gedruͤckt.“ Heinrich von Sax (1, 36.) ſogar ausdruͤcklich: „mein Herze in Banden litt,“ und ein Lied von Heinrich dem Loͤwen Str. 59. „es lag ihr Herz in Banden.“ — Allein der Hauptſage nach lebt das Maͤrchen auch in Schottland fort. In the complaynt of Scotland geſchrieben 1548. wird unter andern alten Erzaͤhlungen the tale of the wolf of the warldis end genannt, das leider ganz verloren gegangen (vielleicht die Sa- ge vom nordiſchen Loke) iſt. J. Leyden in ſ. Ausg. des Complaynt Edinb. 1801. S. 234. 35. glaubt, daß es in verſchiedene Lieder und Ammen- maͤrchen zerſtuͤckt noch herumgehe, er habe Frag- mente ſingen hoͤren, worin der Brunnen von der Welt End (well of the warldis end) vor- komme und the well Absolom und the cald well sae weary heiße. Hieran ſchließt er nun unſer Maͤrchen an, wiewohl der Weltbrunnen recht gut in verſchiedene Sagen eingreifen kann, und wir auch in dem deutſchen keine Anknuͤpfung zu A 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/425>, abgerufen am 28.03.2024.