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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Uebersicht des Jnhalts.

Die epische Mannigfaltigkeit dieser Märchen ist dagegen groß, jedes Einzelne hat seinen besonderen Jnhalt, und über die Verwandtschaft und Einstimmung mit andern ist in den jedesmaligen Anmerkungen das Nöthige enthalten. Dennoch läßt sich das Ganze in gewisse Massen eintheilen und darnach übersehen.

Erstlich wird der Kampf des Guten und Bösen, von dessen eigenthümlichem Ausdruck vorhin die Rede war, in vielfachen Verschlingungen und Wendungen dargestellt; häufig in den kindlichen Verhältnissen der Geschwister. Der Bruder ist in die Gewalt böser Mächte gefallen, die Schwester hört es und sucht ihn nun, durch Wälder und Einöden wandernd, scheut keine Gefahr, vollbringt die schwersten Aufgaben und erlöst ihn endlich, denn das Gute und Reine taucht doch am Ende, als das allein Wahre und Bestehende hervor und besiegt das Böse. Und in wie viel schönen Zügen ist dabei das Menschliche eingeflochten! Nicht immer gelingt es, den Zauber ganz aufzuheben, die Warnungen der wohlwollenden Geister werden vergessen und die Arbeit muß von neuem angefangen werden.

Die reinen Geister, indem sie das Gute befördern, begleiten sichtbar den Menschen auf seinen Wegen. Daher überhaupt Mythen und Sagen von jenen höheren Menschen, mit denen die Götter selbst Umgang gepflogen, und daran schließen sich die Märchen von jenen besonders begabten, mit ungewöhnlichen Vorzügen ausgestatteten. Jener kommt schon in einer Glückshaut

Uebersicht des Jnhalts.

Die epische Mannigfaltigkeit dieser Maͤrchen ist dagegen groß, jedes Einzelne hat seinen besonderen Jnhalt, und uͤber die Verwandtschaft und Einstimmung mit andern ist in den jedesmaligen Anmerkungen das Noͤthige enthalten. Dennoch laͤßt sich das Ganze in gewisse Massen eintheilen und darnach uͤbersehen.

Erstlich wird der Kampf des Guten und Boͤsen, von dessen eigenthuͤmlichem Ausdruck vorhin die Rede war, in vielfachen Verschlingungen und Wendungen dargestellt; haͤufig in den kindlichen Verhaͤltnissen der Geschwister. Der Bruder ist in die Gewalt boͤser Maͤchte gefallen, die Schwester hoͤrt es und sucht ihn nun, durch Waͤlder und Einoͤden wandernd, scheut keine Gefahr, vollbringt die schwersten Aufgaben und erloͤst ihn endlich, denn das Gute und Reine taucht doch am Ende, als das allein Wahre und Bestehende hervor und besiegt das Boͤse. Und in wie viel schoͤnen Zuͤgen ist dabei das Menschliche eingeflochten! Nicht immer gelingt es, den Zauber ganz aufzuheben, die Warnungen der wohlwollenden Geister werden vergessen und die Arbeit muß von neuem angefangen werden.

Die reinen Geister, indem sie das Gute befoͤrdern, begleiten sichtbar den Menschen auf seinen Wegen. Daher uͤberhaupt Mythen und Sagen von jenen hoͤheren Menschen, mit denen die Goͤtter selbst Umgang gepflogen, und daran schließen sich die Maͤrchen von jenen besonders begabten, mit ungewoͤhnlichen Vorzuͤgen ausgestatteten. Jener kommt schon in einer Gluͤckshaut

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[XLIV/0052] Uebersicht des Jnhalts. Die epische Mannigfaltigkeit dieser Maͤrchen ist dagegen groß, jedes Einzelne hat seinen besonderen Jnhalt, und uͤber die Verwandtschaft und Einstimmung mit andern ist in den jedesmaligen Anmerkungen das Noͤthige enthalten. Dennoch laͤßt sich das Ganze in gewisse Massen eintheilen und darnach uͤbersehen. Erstlich wird der Kampf des Guten und Boͤsen, von dessen eigenthuͤmlichem Ausdruck vorhin die Rede war, in vielfachen Verschlingungen und Wendungen dargestellt; haͤufig in den kindlichen Verhaͤltnissen der Geschwister. Der Bruder ist in die Gewalt boͤser Maͤchte gefallen, die Schwester hoͤrt es und sucht ihn nun, durch Waͤlder und Einoͤden wandernd, scheut keine Gefahr, vollbringt die schwersten Aufgaben und erloͤst ihn endlich, denn das Gute und Reine taucht doch am Ende, als das allein Wahre und Bestehende hervor und besiegt das Boͤse. Und in wie viel schoͤnen Zuͤgen ist dabei das Menschliche eingeflochten! Nicht immer gelingt es, den Zauber ganz aufzuheben, die Warnungen der wohlwollenden Geister werden vergessen und die Arbeit muß von neuem angefangen werden. Die reinen Geister, indem sie das Gute befoͤrdern, begleiten sichtbar den Menschen auf seinen Wegen. Daher uͤberhaupt Mythen und Sagen von jenen hoͤheren Menschen, mit denen die Goͤtter selbst Umgang gepflogen, und daran schließen sich die Maͤrchen von jenen besonders begabten, mit ungewoͤhnlichen Vorzuͤgen ausgestatteten. Jener kommt schon in einer Gluͤckshaut

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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. XLIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/52>, abgerufen am 28.03.2024.