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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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65.
Allerleirauh.

Es war einmal ein König, dessen Frau hatte Haare von lauterem Gold, und sie war so schön, daß sich ihres Gleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, daß sie krank lag, und als sie fühlte daß sie bald sterben würde, rief sie den König, und sprach ,wenn du nach meinem Tode dich wieder vermählen willst, so nimm keine, die nicht eben so schön ist, als ich bin, und die nicht solche goldene Haare hat, wie ich habe; das mußt du mir versprechen.' Nachdem es ihr der König versprochen hatte, that sie die Augen zu und starb.

Der König war lange Zeit gar nicht zu trösten, und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Räte ,es geht nicht anders, der König muß sich wieder vermählen, damit wir eine Königin haben.' Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, eine Braut zu suchen, eben so schön, als die verstorbene Königin gewesen war. Es war aber keine in der Welt so schön, und wenn sies auch gewesen wäre, so waren doch solche goldene Haare nicht mehr zu finden. Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim.

Nun hatte der König eine Tochter, die war gerade so schön,

65.
Allerleirauh.

Es war einmal ein Koͤnig, dessen Frau hatte Haare von lauterem Gold, und sie war so schoͤn, daß sich ihres Gleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, daß sie krank lag, und als sie fuͤhlte daß sie bald sterben wuͤrde, rief sie den Koͤnig, und sprach ‚wenn du nach meinem Tode dich wieder vermaͤhlen willst, so nimm keine, die nicht eben so schoͤn ist, als ich bin, und die nicht solche goldene Haare hat, wie ich habe; das mußt du mir versprechen.‘ Nachdem es ihr der Koͤnig versprochen hatte, that sie die Augen zu und starb.

Der Koͤnig war lange Zeit gar nicht zu troͤsten, und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Raͤte ‚es geht nicht anders, der Koͤnig muß sich wieder vermaͤhlen, damit wir eine Koͤnigin haben.‘ Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, eine Braut zu suchen, eben so schoͤn, als die verstorbene Koͤnigin gewesen war. Es war aber keine in der Welt so schoͤn, und wenn sies auch gewesen waͤre, so waren doch solche goldene Haare nicht mehr zu finden. Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim.

Nun hatte der Koͤnig eine Tochter, die war gerade so schoͤn,

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[417/0448] 65. Allerleirauh. Es war einmal ein Koͤnig, dessen Frau hatte Haare von lauterem Gold, und sie war so schoͤn, daß sich ihres Gleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, daß sie krank lag, und als sie fuͤhlte daß sie bald sterben wuͤrde, rief sie den Koͤnig, und sprach ‚wenn du nach meinem Tode dich wieder vermaͤhlen willst, so nimm keine, die nicht eben so schoͤn ist, als ich bin, und die nicht solche goldene Haare hat, wie ich habe; das mußt du mir versprechen.‘ Nachdem es ihr der Koͤnig versprochen hatte, that sie die Augen zu und starb. Der Koͤnig war lange Zeit gar nicht zu troͤsten, und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Raͤte ‚es geht nicht anders, der Koͤnig muß sich wieder vermaͤhlen, damit wir eine Koͤnigin haben.‘ Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, eine Braut zu suchen, eben so schoͤn, als die verstorbene Koͤnigin gewesen war. Es war aber keine in der Welt so schoͤn, und wenn sies auch gewesen waͤre, so waren doch solche goldene Haare nicht mehr zu finden. Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim. Nun hatte der Koͤnig eine Tochter, die war gerade so schoͤn,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/448>, abgerufen am 28.03.2024.