Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Glücklicherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschlüpft.' 'Was sollen wir aber nun anfangen?' sprach die Kohle. 'Jch meine,' antwortete die Bohne, 'weil wir so glücklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir uns als gute Gesellen zusammen halten, und, damit uns hier nicht wieder ein neues Unglück ereilt, gemeinschaftlich auswandern, und in ein fremdes Land ziehen.'

Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach, und da keine Brücke oder Steg da war, so wußten sie nicht, wie sie hinüber kommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rath, und sprach: 'ich will mich quer über legen, so könnt ihr auf mir wie auf einer Brücke hinüber gehen.' Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Brücke. Als sie aber in die Mitte gekommen war, und unter ihr das Wasser rauschen hörte, ward ihr doch angst, sie blieb stehen, und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fieng an zu brennen, zerbrach in zwei Stücke und fiel in den Bach: die Kohle rutschte nach, zischte wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zurückgeblieben war, mußte über die Geschichte lachen, konnte nicht aufhören, und lachte so gewaltig daß sie zerplatzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Glück ein Schneider, der auf der

Gluͤcklicherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschluͤpft.’ ‘Was sollen wir aber nun anfangen?’ sprach die Kohle. ‘Jch meine,’ antwortete die Bohne, ‘weil wir so gluͤcklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir uns als gute Gesellen zusammen halten, und, damit uns hier nicht wieder ein neues Ungluͤck ereilt, gemeinschaftlich auswandern, und in ein fremdes Land ziehen.’

Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach, und da keine Bruͤcke oder Steg da war, so wußten sie nicht, wie sie hinuͤber kommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rath, und sprach: ‘ich will mich quer uͤber legen, so koͤnnt ihr auf mir wie auf einer Bruͤcke hinuͤber gehen.’ Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Bruͤcke. Als sie aber in die Mitte gekommen war, und unter ihr das Wasser rauschen hoͤrte, ward ihr doch angst, sie blieb stehen, und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fieng an zu brennen, zerbrach in zwei Stuͤcke und fiel in den Bach: die Kohle rutschte nach, zischte wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zuruͤckgeblieben war, mußte uͤber die Geschichte lachen, konnte nicht aufhoͤren, und lachte so gewaltig daß sie zerplatzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Gluͤck ein Schneider, der auf der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="115"/>
Glu&#x0364;cklicherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschlu&#x0364;pft.&#x2019; &#x2018;Was sollen wir aber nun anfangen?&#x2019; sprach die Kohle. &#x2018;Jch meine,&#x2019; antwortete die Bohne, &#x2018;weil wir so glu&#x0364;cklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir uns als gute Gesellen zusammen halten, und, damit uns hier nicht wieder ein neues Unglu&#x0364;ck ereilt, gemeinschaftlich auswandern, und in ein fremdes Land ziehen.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach, und da keine Bru&#x0364;cke oder Steg da war, so wußten sie nicht, wie sie hinu&#x0364;ber kommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rath, und sprach: &#x2018;ich will mich quer u&#x0364;ber legen, so ko&#x0364;nnt ihr auf mir wie auf einer Bru&#x0364;cke hinu&#x0364;ber gehen.&#x2019; Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Bru&#x0364;cke. Als sie aber in die Mitte gekommen war, und unter ihr das Wasser rauschen ho&#x0364;rte, ward ihr doch angst, sie blieb stehen, und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fieng an zu brennen, zerbrach in zwei Stu&#x0364;cke und fiel in den Bach: die Kohle rutschte nach, zischte wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zuru&#x0364;ckgeblieben war, mußte u&#x0364;ber die Geschichte lachen, konnte nicht aufho&#x0364;ren, und lachte so gewaltig daß sie zerplatzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Glu&#x0364;ck ein Schneider, der auf der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0146] Gluͤcklicherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschluͤpft.’ ‘Was sollen wir aber nun anfangen?’ sprach die Kohle. ‘Jch meine,’ antwortete die Bohne, ‘weil wir so gluͤcklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir uns als gute Gesellen zusammen halten, und, damit uns hier nicht wieder ein neues Ungluͤck ereilt, gemeinschaftlich auswandern, und in ein fremdes Land ziehen.’ Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach, und da keine Bruͤcke oder Steg da war, so wußten sie nicht, wie sie hinuͤber kommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rath, und sprach: ‘ich will mich quer uͤber legen, so koͤnnt ihr auf mir wie auf einer Bruͤcke hinuͤber gehen.’ Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Bruͤcke. Als sie aber in die Mitte gekommen war, und unter ihr das Wasser rauschen hoͤrte, ward ihr doch angst, sie blieb stehen, und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fieng an zu brennen, zerbrach in zwei Stuͤcke und fiel in den Bach: die Kohle rutschte nach, zischte wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zuruͤckgeblieben war, mußte uͤber die Geschichte lachen, konnte nicht aufhoͤren, und lachte so gewaltig daß sie zerplatzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Gluͤck ein Schneider, der auf der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/146
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/146>, abgerufen am 19.04.2024.