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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief 'ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.' Da trat es fleißig herzu, und holte alles heraus. Danach gieng es weiter, und kam zu einem Baum, der hieng voll Aepfel, und rief ihm zu 'ach schüttel mich, schüttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.' Da schüttelte es den Baum, daß die Aepfel fielen als regneten sie, so lang bis keiner mehr oben war; und dann gieng es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm Angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach 'fürchte dich nicht, liebes Kind, bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich thun willst, so soll dirs gut gehn; nur mußt du Acht geben daß du mein Bett gut machst, und es fleißig aufschüttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt;*) ich bin die Frau Holle.' Weil die Alte ihm so gut zusprach, willigte das Mädchen ein, und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig in seinem Herzen: und ob es hier gleich viel tausendmal besser war als zu Haus, so hatte

*) Darum sagt man in Hessen, wenn es schneit, die Frau Holle macht ihr Bett.

und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief ‘ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon laͤngst ausgebacken.’ Da trat es fleißig herzu, und holte alles heraus. Danach gieng es weiter, und kam zu einem Baum, der hieng voll Aepfel, und rief ihm zu ‘ach schuͤttel mich, schuͤttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.’ Da schuͤttelte es den Baum, daß die Aepfel fielen als regneten sie, so lang bis keiner mehr oben war; und dann gieng es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zaͤhne hatte, ward ihm Angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach ‘fuͤrchte dich nicht, liebes Kind, bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich thun willst, so soll dirs gut gehn; nur mußt du Acht geben daß du mein Bett gut machst, und es fleißig aufschuͤttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt;*) ich bin die Frau Holle.’ Weil die Alte ihm so gut zusprach, willigte das Maͤdchen ein, und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schuͤttelte ihr das Bett immer gewaltig auf; dafuͤr hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein boͤses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig in seinem Herzen: und ob es hier gleich viel tausendmal besser war als zu Haus, so hatte

*) Darum sagt man in Hessen, wenn es schneit, die Frau Holle macht ihr Bett.
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[155/0186] und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief ‘ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon laͤngst ausgebacken.’ Da trat es fleißig herzu, und holte alles heraus. Danach gieng es weiter, und kam zu einem Baum, der hieng voll Aepfel, und rief ihm zu ‘ach schuͤttel mich, schuͤttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.’ Da schuͤttelte es den Baum, daß die Aepfel fielen als regneten sie, so lang bis keiner mehr oben war; und dann gieng es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zaͤhne hatte, ward ihm Angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach ‘fuͤrchte dich nicht, liebes Kind, bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich thun willst, so soll dirs gut gehn; nur mußt du Acht geben daß du mein Bett gut machst, und es fleißig aufschuͤttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; *) ich bin die Frau Holle.’ Weil die Alte ihm so gut zusprach, willigte das Maͤdchen ein, und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schuͤttelte ihr das Bett immer gewaltig auf; dafuͤr hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein boͤses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig in seinem Herzen: und ob es hier gleich viel tausendmal besser war als zu Haus, so hatte *) Darum sagt man in Hessen, wenn es schneit, die Frau Holle macht ihr Bett.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/186>, abgerufen am 19.04.2024.