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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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wohl daß sie sehr schön war, aber sie gefiel ihm doch nicht, und er konnte sie ohne heimliches Grausen nicht ansehen. Nachdem er das Mädchen zu sich aufs Pferd gehoben hatte, zeigte ihm die Alte den Weg, und der König gelangte wieder in sein königliches Schloß, wo die Hochzeit gefeiert wurde.

Der König war schon einmal verheirathet gewesen, und hatte von seiner ersten Gemahlin sieben Kinder, sechs Knaben und ein Mädchen, die er über alles auf der Welt liebte. Weil er nun fürchtete die Stiefmutter möchte sie nicht gut behandeln und ihnen gar ein Leid anthun, so brachte er sie in ein einsames Schloß, das mitten in einem Walde stand. Es lag so verborgen, und der Weg war so schwer zu finden, daß er ihn selbst nicht gefunden hätte wenn ihm nicht eine weise Frau ein Knauel Garn von wunderbarer Eigenschaft geschenkt hätte; wenn er das vor sich hinwarf, so wickelte es sich von selbst los, und zeigte ihm den Weg. Der König gieng oft hinaus zu seinen lieben Kindern, daß der Königin endlich seine Abwesenheit auffiel; sie ward neugierig, und wollte wissen was er so oft allein in dem Walde zu schaffen habe. Sie gab seinen Dienern viel Geld, und die verriethen ihr das Geheimnis, und sagten ihr auch von dem Knauel, das allein den Weg zeigen könne. Nun hatte sie keine Ruhe bis sie entdeckte wo der König das Knauel aufbewahrte, und als sie das herausgebracht hatte, so machte sie kleine Hemdchen, und da sie von ihrer Mutter die Hexenkünste gelernt hatte, so nähte sie einen Zauber hinein. Und als der König einmal auf die Jagd geritten war, nahm sie die Hemdchen, und gieng in den Wald,

wohl daß sie sehr schoͤn war, aber sie gefiel ihm doch nicht, und er konnte sie ohne heimliches Grausen nicht ansehen. Nachdem er das Maͤdchen zu sich aufs Pferd gehoben hatte, zeigte ihm die Alte den Weg, und der Koͤnig gelangte wieder in sein koͤnigliches Schloß, wo die Hochzeit gefeiert wurde.

Der Koͤnig war schon einmal verheirathet gewesen, und hatte von seiner ersten Gemahlin sieben Kinder, sechs Knaben und ein Maͤdchen, die er uͤber alles auf der Welt liebte. Weil er nun fuͤrchtete die Stiefmutter moͤchte sie nicht gut behandeln und ihnen gar ein Leid anthun, so brachte er sie in ein einsames Schloß, das mitten in einem Walde stand. Es lag so verborgen, und der Weg war so schwer zu finden, daß er ihn selbst nicht gefunden haͤtte wenn ihm nicht eine weise Frau ein Knauel Garn von wunderbarer Eigenschaft geschenkt haͤtte; wenn er das vor sich hinwarf, so wickelte es sich von selbst los, und zeigte ihm den Weg. Der Koͤnig gieng oft hinaus zu seinen lieben Kindern, daß der Koͤnigin endlich seine Abwesenheit auffiel; sie ward neugierig, und wollte wissen was er so oft allein in dem Walde zu schaffen habe. Sie gab seinen Dienern viel Geld, und die verriethen ihr das Geheimnis, und sagten ihr auch von dem Knauel, das allein den Weg zeigen koͤnne. Nun hatte sie keine Ruhe bis sie entdeckte wo der Koͤnig das Knauel aufbewahrte, und als sie das herausgebracht hatte, so machte sie kleine Hemdchen, und da sie von ihrer Mutter die Hexenkuͤnste gelernt hatte, so naͤhte sie einen Zauber hinein. Und als der Koͤnig einmal auf die Jagd geritten war, nahm sie die Hemdchen, und gieng in den Wald,

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[292/0323] wohl daß sie sehr schoͤn war, aber sie gefiel ihm doch nicht, und er konnte sie ohne heimliches Grausen nicht ansehen. Nachdem er das Maͤdchen zu sich aufs Pferd gehoben hatte, zeigte ihm die Alte den Weg, und der Koͤnig gelangte wieder in sein koͤnigliches Schloß, wo die Hochzeit gefeiert wurde. Der Koͤnig war schon einmal verheirathet gewesen, und hatte von seiner ersten Gemahlin sieben Kinder, sechs Knaben und ein Maͤdchen, die er uͤber alles auf der Welt liebte. Weil er nun fuͤrchtete die Stiefmutter moͤchte sie nicht gut behandeln und ihnen gar ein Leid anthun, so brachte er sie in ein einsames Schloß, das mitten in einem Walde stand. Es lag so verborgen, und der Weg war so schwer zu finden, daß er ihn selbst nicht gefunden haͤtte wenn ihm nicht eine weise Frau ein Knauel Garn von wunderbarer Eigenschaft geschenkt haͤtte; wenn er das vor sich hinwarf, so wickelte es sich von selbst los, und zeigte ihm den Weg. Der Koͤnig gieng oft hinaus zu seinen lieben Kindern, daß der Koͤnigin endlich seine Abwesenheit auffiel; sie ward neugierig, und wollte wissen was er so oft allein in dem Walde zu schaffen habe. Sie gab seinen Dienern viel Geld, und die verriethen ihr das Geheimnis, und sagten ihr auch von dem Knauel, das allein den Weg zeigen koͤnne. Nun hatte sie keine Ruhe bis sie entdeckte wo der Koͤnig das Knauel aufbewahrte, und als sie das herausgebracht hatte, so machte sie kleine Hemdchen, und da sie von ihrer Mutter die Hexenkuͤnste gelernt hatte, so naͤhte sie einen Zauber hinein. Und als der Koͤnig einmal auf die Jagd geritten war, nahm sie die Hemdchen, und gieng in den Wald,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/323>, abgerufen am 19.04.2024.