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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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58.
Der Hund und der Sperling.

Ein Schäferhund hatte keinen guten Herrn, sondern einen der ihn Hunger leiden ließ. Wie ers nicht mehr aushalten konnte, gieng er ganz traurig fort. Auf der Straße begegnete ihm ein Sperling, der sprach 'Bruder Hund, warum bist du so traurig?' Antwortete der Hund 'ich bin so hungrig, und habe nichts zu fressen.' Da sprach der Sperling 'lieber Bruder, komm mit in die Stadt, so will ich dich satt machen.' Also giengen sie zusammen in die Stadt, und als sie vor einen Fleischerladen kamen, sprach der Sperling zum Hund 'da bleib stehen, ich will dir ein Stück Fleisch herunter picken,' setzte sich auf den Laden, schaute sich um, ob ihn auch niemand bemerkte, und pickte, zog und zerrte so lang an einem Stück, das am Rande lag, bis es herunter rutschte. Da packte es der Hund, lief in eine Ecke, und fraß es auf. Sprach der Sperling 'nun komm mit zu einem andern Laden, da will ich dir noch ein Stück herunter holen, damit du satt wirst.' Als der Hund das zweite Stück auch gefressen hatte, fragte der Sperling 'Bruder Hund, bist du nun satt?' 'Ja, Fleisch bin ich satt,' antwortete er, 'aber ich habe noch kein Brot gekriegt.' Sprach der Sperling

58.
Der Hund und der Sperling.

Ein Schaͤferhund hatte keinen guten Herrn, sondern einen der ihn Hunger leiden ließ. Wie ers nicht mehr aushalten konnte, gieng er ganz traurig fort. Auf der Straße begegnete ihm ein Sperling, der sprach ‘Bruder Hund, warum bist du so traurig?’ Antwortete der Hund ‘ich bin so hungrig, und habe nichts zu fressen.’ Da sprach der Sperling ‘lieber Bruder, komm mit in die Stadt, so will ich dich satt machen.’ Also giengen sie zusammen in die Stadt, und als sie vor einen Fleischerladen kamen, sprach der Sperling zum Hund ‘da bleib stehen, ich will dir ein Stuͤck Fleisch herunter picken,’ setzte sich auf den Laden, schaute sich um, ob ihn auch niemand bemerkte, und pickte, zog und zerrte so lang an einem Stuͤck, das am Rande lag, bis es herunter rutschte. Da packte es der Hund, lief in eine Ecke, und fraß es auf. Sprach der Sperling ‘nun komm mit zu einem andern Laden, da will ich dir noch ein Stuͤck herunter holen, damit du satt wirst.’ Als der Hund das zweite Stuͤck auch gefressen hatte, fragte der Sperling ‘Bruder Hund, bist du nun satt?’ ‘Ja, Fleisch bin ich satt,’ antwortete er, ‘aber ich habe noch kein Brot gekriegt.’ Sprach der Sperling

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[354/0385] 58. Der Hund und der Sperling. Ein Schaͤferhund hatte keinen guten Herrn, sondern einen der ihn Hunger leiden ließ. Wie ers nicht mehr aushalten konnte, gieng er ganz traurig fort. Auf der Straße begegnete ihm ein Sperling, der sprach ‘Bruder Hund, warum bist du so traurig?’ Antwortete der Hund ‘ich bin so hungrig, und habe nichts zu fressen.’ Da sprach der Sperling ‘lieber Bruder, komm mit in die Stadt, so will ich dich satt machen.’ Also giengen sie zusammen in die Stadt, und als sie vor einen Fleischerladen kamen, sprach der Sperling zum Hund ‘da bleib stehen, ich will dir ein Stuͤck Fleisch herunter picken,’ setzte sich auf den Laden, schaute sich um, ob ihn auch niemand bemerkte, und pickte, zog und zerrte so lang an einem Stuͤck, das am Rande lag, bis es herunter rutschte. Da packte es der Hund, lief in eine Ecke, und fraß es auf. Sprach der Sperling ‘nun komm mit zu einem andern Laden, da will ich dir noch ein Stuͤck herunter holen, damit du satt wirst.’ Als der Hund das zweite Stuͤck auch gefressen hatte, fragte der Sperling ‘Bruder Hund, bist du nun satt?’ ‘Ja, Fleisch bin ich satt,’ antwortete er, ‘aber ich habe noch kein Brot gekriegt.’ Sprach der Sperling

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/385>, abgerufen am 28.03.2024.