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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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67.
Die zwölf Jäger.

Es war einmal ein Königssohn, der hatte eine Braut, und hatte sie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß, und ganz vergnügt war, da kam die Nachricht daß sein Vater todt krank läge, und ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte. Da sprach er zu seiner Liebsten 'ich muß nun fort, und muß dich verlassen, da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken. Wann ich König bin, komm ich wieder, und hol dich heim.' Da ritt er fort, und als er bei seinem Vater anlangte, so war dieser sterbenskrank, und dem Tode nah. Er sprach zu ihm 'liebster Sohn, ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen, versprich mir nach meinem Willen dich zu verheirathen,' und nannte ihm eine gewisse Königstochter, die sollte seine Gemahlin werden. Der Sohn war so betrübt, daß er sich gar nicht bedachte, sondern sprach 'ja lieber Vater, was euer Wille ist, soll geschehen,' und darauf schloß der König die Augen, und starb.

Als nun der Sohn zum König ausgerufen und die Trauerzeit verflossen war, mußte er das Versprechen halten, daß er seinem Vater gegeben hatte, und ließ um die Königstochter werben, und sie wurde ihm auch zugesagt. Das hörte seine erste Braut, und grämte sich über die Untreue so sehr, daß sie fast vergieng.

67.
Die zwoͤlf Jaͤger.

Es war einmal ein Koͤnigssohn, der hatte eine Braut, und hatte sie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß, und ganz vergnuͤgt war, da kam die Nachricht daß sein Vater todt krank laͤge, und ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte. Da sprach er zu seiner Liebsten ‘ich muß nun fort, und muß dich verlassen, da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken. Wann ich Koͤnig bin, komm ich wieder, und hol dich heim.’ Da ritt er fort, und als er bei seinem Vater anlangte, so war dieser sterbenskrank, und dem Tode nah. Er sprach zu ihm ‘liebster Sohn, ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen, versprich mir nach meinem Willen dich zu verheirathen,’ und nannte ihm eine gewisse Koͤnigstochter, die sollte seine Gemahlin werden. Der Sohn war so betruͤbt, daß er sich gar nicht bedachte, sondern sprach ‘ja lieber Vater, was euer Wille ist, soll geschehen,’ und darauf schloß der Koͤnig die Augen, und starb.

Als nun der Sohn zum Koͤnig ausgerufen und die Trauerzeit verflossen war, mußte er das Versprechen halten, daß er seinem Vater gegeben hatte, und ließ um die Koͤnigstochter werben, und sie wurde ihm auch zugesagt. Das hoͤrte seine erste Braut, und graͤmte sich uͤber die Untreue so sehr, daß sie fast vergieng.

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[427/0458] 67. Die zwoͤlf Jaͤger. Es war einmal ein Koͤnigssohn, der hatte eine Braut, und hatte sie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß, und ganz vergnuͤgt war, da kam die Nachricht daß sein Vater todt krank laͤge, und ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte. Da sprach er zu seiner Liebsten ‘ich muß nun fort, und muß dich verlassen, da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken. Wann ich Koͤnig bin, komm ich wieder, und hol dich heim.’ Da ritt er fort, und als er bei seinem Vater anlangte, so war dieser sterbenskrank, und dem Tode nah. Er sprach zu ihm ‘liebster Sohn, ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen, versprich mir nach meinem Willen dich zu verheirathen,’ und nannte ihm eine gewisse Koͤnigstochter, die sollte seine Gemahlin werden. Der Sohn war so betruͤbt, daß er sich gar nicht bedachte, sondern sprach ‘ja lieber Vater, was euer Wille ist, soll geschehen,’ und darauf schloß der Koͤnig die Augen, und starb. Als nun der Sohn zum Koͤnig ausgerufen und die Trauerzeit verflossen war, mußte er das Versprechen halten, daß er seinem Vater gegeben hatte, und ließ um die Koͤnigstochter werben, und sie wurde ihm auch zugesagt. Das hoͤrte seine erste Braut, und graͤmte sich uͤber die Untreue so sehr, daß sie fast vergieng.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/458>, abgerufen am 18.04.2024.