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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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den Steinen sprang, aus dem Fenster aber winkte
einer mit einem weißen Tuche. Da sprach der
Scharfrichter, es kommt Gnade, und ward auch
aus dem Wagen: Gnade! Gnade! gerufen. Da
trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer
Herr, prächtig gekleidet und sprach: "ihr drei
seyd unschuldig; ihr dürft nun sprechen, sagt, was
ihr gesehen und gehört habt." Da sprach der
älteste: "wir haben den Kaufmann nicht getödtet,
der Mörder steht da im Kreis und deutete auf
den Wirth; zum Wahrzeichen geht hin in seinen
Keller, da hängen noch viele andere, die er um's
Leben gebracht." Da schickte der Richter die
Henkersknechte hin, die fanden es, wie's gesagt
war, und als sie dem Richter das berichtet hatten,
ließ er den Wirth hinauf führen und ihm das
Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den
Dreien: "nun hab' ich die Seele, die ich haben
wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld für euer
Lebtag."

35.
Die himmlische Hochzeit.

Es war einmal ein armer Bauerjung' in der
Kirche und hörte, wie der Pfarrer sprach: "wer
da will in's Himmelreich kommen, muß immer
geradaus gehen. Da machte er sich auf und ging

den Steinen ſprang, aus dem Fenſter aber winkte
einer mit einem weißen Tuche. Da ſprach der
Scharfrichter, es kommt Gnade, und ward auch
aus dem Wagen: Gnade! Gnade! gerufen. Da
trat der Teufel heraus, als ein ſehr vornehmer
Herr, praͤchtig gekleidet und ſprach: „ihr drei
ſeyd unſchuldig; ihr duͤrft nun ſprechen, ſagt, was
ihr geſehen und gehoͤrt habt.“ Da ſprach der
aͤlteſte: „wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet,
der Moͤrder ſteht da im Kreis und deutete auf
den Wirth; zum Wahrzeichen geht hin in ſeinen
Keller, da haͤngen noch viele andere, die er um’s
Leben gebracht.“ Da ſchickte der Richter die
Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s geſagt
war, und als ſie dem Richter das berichtet hatten,
ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das
Haupt abſchlagen. Da ſprach der Teufel zu den
Dreien: „nun hab’ ich die Seele, die ich haben
wollte, ihr ſeyd aber frei und habt Geld fuͤr euer
Lebtag.“

35.
Die himmliſche Hochzeit.

Es war einmal ein armer Bauerjung’ in der
Kirche und hoͤrte, wie der Pfarrer ſprach: „wer
da will in’s Himmelreich kommen, muß immer
geradaus gehen. Da machte er ſich auf und ging

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[183/0204] den Steinen ſprang, aus dem Fenſter aber winkte einer mit einem weißen Tuche. Da ſprach der Scharfrichter, es kommt Gnade, und ward auch aus dem Wagen: Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein ſehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und ſprach: „ihr drei ſeyd unſchuldig; ihr duͤrft nun ſprechen, ſagt, was ihr geſehen und gehoͤrt habt.“ Da ſprach der aͤlteſte: „wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder ſteht da im Kreis und deutete auf den Wirth; zum Wahrzeichen geht hin in ſeinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er um’s Leben gebracht.“ Da ſchickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s geſagt war, und als ſie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das Haupt abſchlagen. Da ſprach der Teufel zu den Dreien: „nun hab’ ich die Seele, die ich haben wollte, ihr ſeyd aber frei und habt Geld fuͤr euer Lebtag.“ 35. Die himmliſche Hochzeit. Es war einmal ein armer Bauerjung’ in der Kirche und hoͤrte, wie der Pfarrer ſprach: „wer da will in’s Himmelreich kommen, muß immer geradaus gehen. Da machte er ſich auf und ging

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/204>, abgerufen am 18.04.2024.