Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

hol' ich das Wasser, so bin ich meinem Vater der
liebste und erbe das Reich."

Also machte er sich auf, und als er eine Zeit
lang fortgeritten war, stand da ein Zwerg auf
dem Weg', der rief ihn an und sprach: "wohin-
aus so geschwind?" "Du Knirps, sagte der
Prinz ganz stolz, das brauchst du nicht zu wis-
sen;" und ritt weiter. Das kleine Männchen
aber war zornig geworden und hatte einen bösen
Wunsch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam
er in eine Bergschlucht, und je weiter, je enger
thaten sich die Berge zusammen, und endlich
ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt wei-
ter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht
wenden und selber nicht absteigen und mußte da
eingesperrt stehen bleiben. Indessen wartete der
kranke König auf ihn; aber er kam nicht und
kam nicht. Da sagte der zweite Prinz: "so will
ich ausziehen und das Wasser suchen" und dachte
bei sich, das ist mir eben recht, ist der todt, so
fällt das Reich mir zu. Der König wollt' ihn
auch anfangs nicht ziehen lassen, endlich aber
mußte er's doch zugeben. Der Prinz zog also
gleiches Wegs fort und begegnete demselben Zwerg,
der hielt ihn wieder an und fragte: "wohinaus
so geschwind? "Du Knirps, sagte der Prinz,
das brauchst du nicht zu wissen," und ritt in sei-
nem Stolz fort. Aber der Zwerg verwünschte
ihn, und er gerieth wie der andere in eine Berg-

hol’ ich das Waſſer, ſo bin ich meinem Vater der
liebſte und erbe das Reich.“

Alſo machte er ſich auf, und als er eine Zeit
lang fortgeritten war, ſtand da ein Zwerg auf
dem Weg’, der rief ihn an und ſprach: „wohin-
aus ſo geſchwind?“ „Du Knirps, ſagte der
Prinz ganz ſtolz, das brauchſt du nicht zu wiſ-
ſen;“ und ritt weiter. Das kleine Maͤnnchen
aber war zornig geworden und hatte einen boͤſen
Wunſch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam
er in eine Bergſchlucht, und je weiter, je enger
thaten ſich die Berge zuſammen, und endlich
ward der Weg ſo eng, daß er keinen Schritt wei-
ter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht
wenden und ſelber nicht abſteigen und mußte da
eingeſperrt ſtehen bleiben. Indeſſen wartete der
kranke Koͤnig auf ihn; aber er kam nicht und
kam nicht. Da ſagte der zweite Prinz: „ſo will
ich ausziehen und das Waſſer ſuchen“ und dachte
bei ſich, das iſt mir eben recht, iſt der todt, ſo
faͤllt das Reich mir zu. Der Koͤnig wollt’ ihn
auch anfangs nicht ziehen laſſen, endlich aber
mußte er’s doch zugeben. Der Prinz zog alſo
gleiches Wegs fort und begegnete demſelben Zwerg,
der hielt ihn wieder an und fragte: „wohinaus
ſo geſchwind? „Du Knirps, ſagte der Prinz,
das brauchſt du nicht zu wiſſen,“ und ritt in ſei-
nem Stolz fort. Aber der Zwerg verwuͤnſchte
ihn, und er gerieth wie der andere in eine Berg-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="80"/>
hol&#x2019; ich das Wa&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;o bin ich meinem Vater der<lb/>
lieb&#x017F;te und erbe das Reich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o machte er &#x017F;ich auf, und als er eine Zeit<lb/>
lang fortgeritten war, &#x017F;tand da ein Zwerg auf<lb/>
dem Weg&#x2019;, der rief ihn an und &#x017F;prach: &#x201E;wohin-<lb/>
aus &#x017F;o ge&#x017F;chwind?&#x201C; &#x201E;Du Knirps, &#x017F;agte der<lb/>
Prinz ganz &#x017F;tolz, das brauch&#x017F;t du nicht zu wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en;&#x201C; und ritt weiter. Das kleine Ma&#x0364;nnchen<lb/>
aber war zornig geworden und hatte einen bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Wun&#x017F;ch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam<lb/>
er in eine Berg&#x017F;chlucht, und je weiter, je enger<lb/>
thaten &#x017F;ich die Berge zu&#x017F;ammen, und endlich<lb/>
ward der Weg &#x017F;o eng, daß er keinen Schritt wei-<lb/>
ter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht<lb/>
wenden und &#x017F;elber nicht ab&#x017F;teigen und mußte da<lb/>
einge&#x017F;perrt &#x017F;tehen bleiben. Inde&#x017F;&#x017F;en wartete der<lb/>
kranke Ko&#x0364;nig auf ihn; aber er kam nicht und<lb/>
kam nicht. Da &#x017F;agte der zweite Prinz: &#x201E;&#x017F;o will<lb/>
ich ausziehen und das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;uchen&#x201C; und dachte<lb/>
bei &#x017F;ich, das i&#x017F;t mir eben recht, i&#x017F;t der todt, &#x017F;o<lb/>
fa&#x0364;llt das Reich mir zu. Der Ko&#x0364;nig wollt&#x2019; ihn<lb/>
auch anfangs nicht ziehen la&#x017F;&#x017F;en, endlich aber<lb/>
mußte er&#x2019;s doch zugeben. Der Prinz zog al&#x017F;o<lb/>
gleiches Wegs fort und begegnete dem&#x017F;elben Zwerg,<lb/>
der hielt ihn wieder an und fragte: &#x201E;wohinaus<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;chwind? &#x201E;Du Knirps, &#x017F;agte der Prinz,<lb/>
das brauch&#x017F;t du nicht zu wi&#x017F;&#x017F;en,&#x201C; und ritt in &#x017F;ei-<lb/>
nem Stolz fort. Aber der Zwerg verwu&#x0364;n&#x017F;chte<lb/>
ihn, und er gerieth wie der andere in eine Berg-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0101] hol’ ich das Waſſer, ſo bin ich meinem Vater der liebſte und erbe das Reich.“ Alſo machte er ſich auf, und als er eine Zeit lang fortgeritten war, ſtand da ein Zwerg auf dem Weg’, der rief ihn an und ſprach: „wohin- aus ſo geſchwind?“ „Du Knirps, ſagte der Prinz ganz ſtolz, das brauchſt du nicht zu wiſ- ſen;“ und ritt weiter. Das kleine Maͤnnchen aber war zornig geworden und hatte einen boͤſen Wunſch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam er in eine Bergſchlucht, und je weiter, je enger thaten ſich die Berge zuſammen, und endlich ward der Weg ſo eng, daß er keinen Schritt wei- ter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht wenden und ſelber nicht abſteigen und mußte da eingeſperrt ſtehen bleiben. Indeſſen wartete der kranke Koͤnig auf ihn; aber er kam nicht und kam nicht. Da ſagte der zweite Prinz: „ſo will ich ausziehen und das Waſſer ſuchen“ und dachte bei ſich, das iſt mir eben recht, iſt der todt, ſo faͤllt das Reich mir zu. Der Koͤnig wollt’ ihn auch anfangs nicht ziehen laſſen, endlich aber mußte er’s doch zugeben. Der Prinz zog alſo gleiches Wegs fort und begegnete demſelben Zwerg, der hielt ihn wieder an und fragte: „wohinaus ſo geſchwind? „Du Knirps, ſagte der Prinz, das brauchſt du nicht zu wiſſen,“ und ritt in ſei- nem Stolz fort. Aber der Zwerg verwuͤnſchte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Berg-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/101
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/101>, abgerufen am 28.03.2024.