Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und sagte:
"nein, du mußt warten bis Herr und Frau Kö-
nigin wieder fort sind." Also nahmen sie das
Loch in acht, wo das Nest stand, und gingen wie-
der ab. Der Bär aber hatte keine Ruhe, wollte
den königlichen Pallast sehen und ging nach einer
kurzen Weile wieder vor. Da waren König und
Königin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und
sah 5 oder 6 Junge, die lagen darin: "ist das der
königliche Palast? sagte der Bär, das ist ein elen-
der Palast! ihr seyd auch keine Königskinder, ihr
seyd unehrliche Kinder!" Wie das die jungen
Zaunkönige hörten, wurden sie gewaltig bös und
schrien: "nein, das sind wir nicht, unsere Eltern
sind ehrliche Leute, Bär, das soll ausgemacht
werden mit dir." Dem Bär und dem Wolf ward
angst, sie kehrten um und setzten sich in ihre Löcher.
Die jungen Zaunkönige aber schrien und lärmten
fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten,
sagten sie: "wir essen kein Fliegenbeinchen und
sollten wir verhungern, bis ihr erst ausmacht, ob
wir ehrliche Kinder sind oder nicht, denn der Bär
ist da gewesen und hat uns gescholten." Da sagte
der alte König: "seyd nur ruhig, das soll ausge-
macht werden." Flog darauf mit der Frau Kö-
nigin dem Bären vor seine Höhle und rief hinein:
"Brummbär, du hast meine Kinder gescholten,
das soll dir übel bekommen, das wollen wir in ei-
nem blutigen Krieg ausmachen." Also war dem

gen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und ſagte:
„nein, du mußt warten bis Herr und Frau Koͤ-
nigin wieder fort ſind.“ Alſo nahmen ſie das
Loch in acht, wo das Neſt ſtand, und gingen wie-
der ab. Der Baͤr aber hatte keine Ruhe, wollte
den koͤniglichen Pallaſt ſehen und ging nach einer
kurzen Weile wieder vor. Da waren Koͤnig und
Koͤnigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und
ſah 5 oder 6 Junge, die lagen darin: „iſt das der
koͤnigliche Palaſt? ſagte der Baͤr, das iſt ein elen-
der Palaſt! ihr ſeyd auch keine Koͤnigskinder, ihr
ſeyd unehrliche Kinder!“ Wie das die jungen
Zaunkoͤnige hoͤrten, wurden ſie gewaltig boͤs und
ſchrien: „nein, das ſind wir nicht, unſere Eltern
ſind ehrliche Leute, Baͤr, das ſoll ausgemacht
werden mit dir.“ Dem Baͤr und dem Wolf ward
angſt, ſie kehrten um und ſetzten ſich in ihre Loͤcher.
Die jungen Zaunkoͤnige aber ſchrien und laͤrmten
fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten,
ſagten ſie: „wir eſſen kein Fliegenbeinchen und
ſollten wir verhungern, bis ihr erſt ausmacht, ob
wir ehrliche Kinder ſind oder nicht, denn der Baͤr
iſt da geweſen und hat uns geſcholten.“ Da ſagte
der alte Koͤnig: „ſeyd nur ruhig, das ſoll ausge-
macht werden.“ Flog darauf mit der Frau Koͤ-
nigin dem Baͤren vor ſeine Hoͤhle und rief hinein:
„Brummbaͤr, du haſt meine Kinder geſcholten,
das ſoll dir uͤbel bekommen, das wollen wir in ei-
nem blutigen Krieg ausmachen.“ Alſo war dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="104"/>
gen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;nein, du mußt warten bis Herr und Frau Ko&#x0364;-<lb/>
nigin wieder fort &#x017F;ind.&#x201C; Al&#x017F;o nahmen &#x017F;ie das<lb/>
Loch in acht, wo das Ne&#x017F;t &#x017F;tand, und gingen wie-<lb/>
der ab. Der Ba&#x0364;r aber hatte keine Ruhe, wollte<lb/>
den ko&#x0364;niglichen Palla&#x017F;t &#x017F;ehen und ging nach einer<lb/>
kurzen Weile wieder vor. Da waren Ko&#x0364;nig und<lb/>
Ko&#x0364;nigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und<lb/>
&#x017F;ah 5 oder 6 Junge, die lagen darin: &#x201E;i&#x017F;t das der<lb/>
ko&#x0364;nigliche Pala&#x017F;t? &#x017F;agte der Ba&#x0364;r, das i&#x017F;t ein elen-<lb/>
der Pala&#x017F;t! ihr &#x017F;eyd auch keine Ko&#x0364;nigskinder, ihr<lb/>
&#x017F;eyd unehrliche Kinder!&#x201C; Wie das die jungen<lb/>
Zaunko&#x0364;nige ho&#x0364;rten, wurden &#x017F;ie gewaltig bo&#x0364;s und<lb/>
&#x017F;chrien: &#x201E;nein, das &#x017F;ind wir nicht, un&#x017F;ere Eltern<lb/>
&#x017F;ind ehrliche Leute, Ba&#x0364;r, das &#x017F;oll ausgemacht<lb/>
werden mit dir.&#x201C; Dem Ba&#x0364;r und dem Wolf ward<lb/>
ang&#x017F;t, &#x017F;ie kehrten um und &#x017F;etzten &#x017F;ich in ihre Lo&#x0364;cher.<lb/>
Die jungen Zaunko&#x0364;nige aber &#x017F;chrien und la&#x0364;rmten<lb/>
fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten,<lb/>
&#x017F;agten &#x017F;ie: &#x201E;wir e&#x017F;&#x017F;en kein Fliegenbeinchen und<lb/>
&#x017F;ollten wir verhungern, bis ihr er&#x017F;t ausmacht, ob<lb/>
wir ehrliche Kinder &#x017F;ind oder nicht, denn der Ba&#x0364;r<lb/>
i&#x017F;t da gewe&#x017F;en und hat uns ge&#x017F;cholten.&#x201C; Da &#x017F;agte<lb/>
der alte Ko&#x0364;nig: &#x201E;&#x017F;eyd nur ruhig, das &#x017F;oll ausge-<lb/>
macht werden.&#x201C; Flog darauf mit der Frau Ko&#x0364;-<lb/>
nigin dem Ba&#x0364;ren vor &#x017F;eine Ho&#x0364;hle und rief hinein:<lb/>
&#x201E;Brummba&#x0364;r, du ha&#x017F;t meine Kinder ge&#x017F;cholten,<lb/>
das &#x017F;oll dir u&#x0364;bel bekommen, das wollen wir in ei-<lb/>
nem blutigen Krieg ausmachen.&#x201C; Al&#x017F;o war dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0125] gen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und ſagte: „nein, du mußt warten bis Herr und Frau Koͤ- nigin wieder fort ſind.“ Alſo nahmen ſie das Loch in acht, wo das Neſt ſtand, und gingen wie- der ab. Der Baͤr aber hatte keine Ruhe, wollte den koͤniglichen Pallaſt ſehen und ging nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren Koͤnig und Koͤnigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und ſah 5 oder 6 Junge, die lagen darin: „iſt das der koͤnigliche Palaſt? ſagte der Baͤr, das iſt ein elen- der Palaſt! ihr ſeyd auch keine Koͤnigskinder, ihr ſeyd unehrliche Kinder!“ Wie das die jungen Zaunkoͤnige hoͤrten, wurden ſie gewaltig boͤs und ſchrien: „nein, das ſind wir nicht, unſere Eltern ſind ehrliche Leute, Baͤr, das ſoll ausgemacht werden mit dir.“ Dem Baͤr und dem Wolf ward angſt, ſie kehrten um und ſetzten ſich in ihre Loͤcher. Die jungen Zaunkoͤnige aber ſchrien und laͤrmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, ſagten ſie: „wir eſſen kein Fliegenbeinchen und ſollten wir verhungern, bis ihr erſt ausmacht, ob wir ehrliche Kinder ſind oder nicht, denn der Baͤr iſt da geweſen und hat uns geſcholten.“ Da ſagte der alte Koͤnig: „ſeyd nur ruhig, das ſoll ausge- macht werden.“ Flog darauf mit der Frau Koͤ- nigin dem Baͤren vor ſeine Hoͤhle und rief hinein: „Brummbaͤr, du haſt meine Kinder geſcholten, das ſoll dir uͤbel bekommen, das wollen wir in ei- nem blutigen Krieg ausmachen.“ Alſo war dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/125
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/125>, abgerufen am 19.04.2024.