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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Bär der Krieg angekündigt und ward alles vier-
füßige Gethier berufen: Ochs, Esel, Rind, Hirsch,
Reh und was die Erde sonst alles trägt. Der
Zaunkönig aber berief alles, was in der Luft fliegt,
nicht allein die Vögel groß und klein, auch die
Mücken, Hornissen, Bienen und Fliegen mußten
herbei.

Als nun die Zeit kam, wo der Krieg ange-
hen sollte, da schickte der Zaunkönig Kundschafter
aus, wer der kommandirende General des Fein-
des wär. Die Mücke war besonders listig,
schwärmte im Wald, wo der Feind sich versam-
melte, und setzte sich endlich unter ein Blatt auf
den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde.
Da stand der Bär, rief den Fuchs vor sich und
sprach: "Fuchs, du bist der schlauste unter allem
Gethier, du sollst General seyn und uns anfüh-
ren: was für Zeichen wollen wir verabreden?"
Da sprach der Fuchs: "ich hab' einen schönen,
langen, bauschigten Schwanz, der sieht aus fast
wie ein rother Federbusch, wenn ich den in die
Höhe halte, so geht die Sache gut und ihr müßt
drauf los marschiren, laß ich ihn aber herunter-
hängen, so fangt an und lauft." Als die Mücke
das gehört hatte, flog sie wieder heim und ver-
rieth dem Zaunkönig alles haarklein.

Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte
geliefert werden, hu! da kam das vierfüßige Ge-
thier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde

Baͤr der Krieg angekuͤndigt und ward alles vier-
fuͤßige Gethier berufen: Ochs, Eſel, Rind, Hirſch,
Reh und was die Erde ſonſt alles traͤgt. Der
Zaunkoͤnig aber berief alles, was in der Luft fliegt,
nicht allein die Voͤgel groß und klein, auch die
Muͤcken, Horniſſen, Bienen und Fliegen mußten
herbei.

Als nun die Zeit kam, wo der Krieg ange-
hen ſollte, da ſchickte der Zaunkoͤnig Kundſchafter
aus, wer der kommandirende General des Fein-
des waͤr. Die Muͤcke war beſonders liſtig,
ſchwaͤrmte im Wald, wo der Feind ſich verſam-
melte, und ſetzte ſich endlich unter ein Blatt auf
den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde.
Da ſtand der Baͤr, rief den Fuchs vor ſich und
ſprach: „Fuchs, du biſt der ſchlauſte unter allem
Gethier, du ſollſt General ſeyn und uns anfuͤh-
ren: was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden?“
Da ſprach der Fuchs: „ich hab’ einen ſchoͤnen,
langen, bauſchigten Schwanz, der ſieht aus faſt
wie ein rother Federbuſch, wenn ich den in die
Hoͤhe halte, ſo geht die Sache gut und ihr muͤßt
drauf los marſchiren, laß ich ihn aber herunter-
haͤngen, ſo fangt an und lauft.“ Als die Muͤcke
das gehoͤrt hatte, flog ſie wieder heim und ver-
rieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein.

Als der Tag anbrach, wo die Schlacht ſollte
geliefert werden, hu! da kam das vierfuͤßige Ge-
thier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde

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[105/0126] Baͤr der Krieg angekuͤndigt und ward alles vier- fuͤßige Gethier berufen: Ochs, Eſel, Rind, Hirſch, Reh und was die Erde ſonſt alles traͤgt. Der Zaunkoͤnig aber berief alles, was in der Luft fliegt, nicht allein die Voͤgel groß und klein, auch die Muͤcken, Horniſſen, Bienen und Fliegen mußten herbei. Als nun die Zeit kam, wo der Krieg ange- hen ſollte, da ſchickte der Zaunkoͤnig Kundſchafter aus, wer der kommandirende General des Fein- des waͤr. Die Muͤcke war beſonders liſtig, ſchwaͤrmte im Wald, wo der Feind ſich verſam- melte, und ſetzte ſich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da ſtand der Baͤr, rief den Fuchs vor ſich und ſprach: „Fuchs, du biſt der ſchlauſte unter allem Gethier, du ſollſt General ſeyn und uns anfuͤh- ren: was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden?“ Da ſprach der Fuchs: „ich hab’ einen ſchoͤnen, langen, bauſchigten Schwanz, der ſieht aus faſt wie ein rother Federbuſch, wenn ich den in die Hoͤhe halte, ſo geht die Sache gut und ihr muͤßt drauf los marſchiren, laß ich ihn aber herunter- haͤngen, ſo fangt an und lauft.“ Als die Muͤcke das gehoͤrt hatte, flog ſie wieder heim und ver- rieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein. Als der Tag anbrach, wo die Schlacht ſollte geliefert werden, hu! da kam das vierfuͤßige Ge- thier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/126>, abgerufen am 29.03.2024.