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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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zitterte; Zaunkönig mit seiner Armee kam auch
durch die Luft daher, die schnurrte, schrie und
schwärmte, daß einem Angst wurde; und gingen
sie da von beiden Seiten aneinander. Der Zaun-
könig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich
dem Fuchs unter dem Schwanz setzen und aus
Leibeskräften stechen. Wie nun der Fuchs den er-
sten Stich bekam, zuckte er daß er das eine Bein
aufhob, doch ertrug er's und ließ den Schwanz
noch in der Höhe; beim zweiten mußt' er ihn
einen Augenblick herunter lassen, beim dritten
aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie und
nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie
das die Thiere sahen, meinten sie, alles wär' ver-
loren und fingen an zu laufen, jeder in seine
Höhle, und hatten die Vögel die Schlacht ge-
wonnen.

Da flog der Herr König und die Frau Kö-
nigin heim zu ihren Kindern und riefen: "Kin-
der seyd fröhlich, eßt und trinkt nach Herzenslust,
wir haben den Krieg gewonnen." Die jungen
Zaunkönige aber sagten: "noch essen wir nicht,
der Bär soll erst vor's Nest kommen und Abbitte
thun und sagen, daß wir ehrliche Kinder sind."
Da flog der Zaunkönig vor das Loch des Bären,
und rief: "Brummbär, du sollst vor das Nest
zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und
sagen, daß sie ehrliche Kinder sind, sonst sollen
dir die Rippen im Leib' zertreten werden." Da

zitterte; Zaunkoͤnig mit ſeiner Armee kam auch
durch die Luft daher, die ſchnurrte, ſchrie und
ſchwaͤrmte, daß einem Angſt wurde; und gingen
ſie da von beiden Seiten aneinander. Der Zaun-
koͤnig aber ſchickte die Horniſſe hinab, ſie ſollte ſich
dem Fuchs unter dem Schwanz ſetzen und aus
Leibeskraͤften ſtechen. Wie nun der Fuchs den er-
ſten Stich bekam, zuckte er daß er das eine Bein
aufhob, doch ertrug er’s und ließ den Schwanz
noch in der Hoͤhe; beim zweiten mußt’ er ihn
einen Augenblick herunter laſſen, beim dritten
aber konnte er ſich nicht mehr halten, ſchrie und
nahm den Schwanz zwiſchen die Beine. Wie
das die Thiere ſahen, meinten ſie, alles waͤr’ ver-
loren und fingen an zu laufen, jeder in ſeine
Hoͤhle, und hatten die Voͤgel die Schlacht ge-
wonnen.

Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤ-
nigin heim zu ihren Kindern und riefen: „Kin-
der ſeyd froͤhlich, eßt und trinkt nach Herzensluſt,
wir haben den Krieg gewonnen.“ Die jungen
Zaunkoͤnige aber ſagten: „noch eſſen wir nicht,
der Baͤr ſoll erſt vor’s Neſt kommen und Abbitte
thun und ſagen, daß wir ehrliche Kinder ſind.“
Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren,
und rief: „Brummbaͤr, du ſollſt vor das Neſt
zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und
ſagen, daß ſie ehrliche Kinder ſind, ſonſt ſollen
dir die Rippen im Leib’ zertreten werden.“ Da

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[106/0127] zitterte; Zaunkoͤnig mit ſeiner Armee kam auch durch die Luft daher, die ſchnurrte, ſchrie und ſchwaͤrmte, daß einem Angſt wurde; und gingen ſie da von beiden Seiten aneinander. Der Zaun- koͤnig aber ſchickte die Horniſſe hinab, ſie ſollte ſich dem Fuchs unter dem Schwanz ſetzen und aus Leibeskraͤften ſtechen. Wie nun der Fuchs den er- ſten Stich bekam, zuckte er daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug er’s und ließ den Schwanz noch in der Hoͤhe; beim zweiten mußt’ er ihn einen Augenblick herunter laſſen, beim dritten aber konnte er ſich nicht mehr halten, ſchrie und nahm den Schwanz zwiſchen die Beine. Wie das die Thiere ſahen, meinten ſie, alles waͤr’ ver- loren und fingen an zu laufen, jeder in ſeine Hoͤhle, und hatten die Voͤgel die Schlacht ge- wonnen. Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤ- nigin heim zu ihren Kindern und riefen: „Kin- der ſeyd froͤhlich, eßt und trinkt nach Herzensluſt, wir haben den Krieg gewonnen.“ Die jungen Zaunkoͤnige aber ſagten: „noch eſſen wir nicht, der Baͤr ſoll erſt vor’s Neſt kommen und Abbitte thun und ſagen, daß wir ehrliche Kinder ſind.“ Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren, und rief: „Brummbaͤr, du ſollſt vor das Neſt zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und ſagen, daß ſie ehrliche Kinder ſind, ſonſt ſollen dir die Rippen im Leib’ zertreten werden.“ Da

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/127>, abgerufen am 29.03.2024.