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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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34.
Die drei Handwerkspurschen.

Es waren drei Handwerkspursche, die hatten
es verabredet, immer mit einander zu wandern
und in Einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit
aber war gar kein Verdienst mehr, so daß sie ganz
abgerissen wurden und nichts zu leben hatten, da
sprach der eine: "was sollen wir anfangen? zu-
sammenbleiben können wir nicht länger, das soll
die letzte Stadt seyn, wo wir jetzt hineinkommen,
finden wir keine Arbeit, so wollen wir beim Her-
bergsvater ausmachen, daß wir ihm schreiben,
wo wir uns aufhalten und einer vom andern
Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns
trennen; das schien auch den andern das Beste.
Wie sie noch im Gerede waren, so kam ein reich
gekleideter Mann ihnen entgegen, der fragte, wer
sie wären? "Wir sind Handwerksleute, suchen
Arbeit und haben uns bisher zusammen gehalten,
weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns
trennen." "Ei, das hat keine Noth, sprach der
Mann, wenn ihr thun wollt, was ich euch sage,
soll's euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr
sollt große Herren werden und in Kutschen fah-
ren." Der eine sprach: "wenn's unserer Seele
und Seligkeit nicht schadet, so wollen wir's wohl
thun;" "nein sagte der Mann, ich habe kein

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34.
Die drei Handwerkspurſchen.

Es waren drei Handwerkspurſche, die hatten
es verabredet, immer mit einander zu wandern
und in Einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit
aber war gar kein Verdienſt mehr, ſo daß ſie ganz
abgeriſſen wurden und nichts zu leben hatten, da
ſprach der eine: „was ſollen wir anfangen? zu-
ſammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger, das ſoll
die letzte Stadt ſeyn, wo wir jetzt hineinkommen,
finden wir keine Arbeit, ſo wollen wir beim Her-
bergsvater ausmachen, daß wir ihm ſchreiben,
wo wir uns aufhalten und einer vom andern
Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns
trennen; das ſchien auch den andern das Beſte.
Wie ſie noch im Gerede waren, ſo kam ein reich
gekleideter Mann ihnen entgegen, der fragte, wer
ſie waͤren? „Wir ſind Handwerksleute, ſuchen
Arbeit und haben uns bisher zuſammen gehalten,
weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns
trennen.“ „Ei, das hat keine Noth, ſprach der
Mann, wenn ihr thun wollt, was ich euch ſage,
ſoll’s euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr
ſollt große Herren werden und in Kutſchen fah-
ren.“ Der eine ſprach: „wenn’s unſerer Seele
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[179/0200] 34. Die drei Handwerkspurſchen. Es waren drei Handwerkspurſche, die hatten es verabredet, immer mit einander zu wandern und in Einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit aber war gar kein Verdienſt mehr, ſo daß ſie ganz abgeriſſen wurden und nichts zu leben hatten, da ſprach der eine: „was ſollen wir anfangen? zu- ſammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger, das ſoll die letzte Stadt ſeyn, wo wir jetzt hineinkommen, finden wir keine Arbeit, ſo wollen wir beim Her- bergsvater ausmachen, daß wir ihm ſchreiben, wo wir uns aufhalten und einer vom andern Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns trennen; das ſchien auch den andern das Beſte. Wie ſie noch im Gerede waren, ſo kam ein reich gekleideter Mann ihnen entgegen, der fragte, wer ſie waͤren? „Wir ſind Handwerksleute, ſuchen Arbeit und haben uns bisher zuſammen gehalten, weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns trennen.“ „Ei, das hat keine Noth, ſprach der Mann, wenn ihr thun wollt, was ich euch ſage, ſoll’s euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr ſollt große Herren werden und in Kutſchen fah- ren.“ Der eine ſprach: „wenn’s unſerer Seele und Seligkeit nicht ſchadet, ſo wollen wir’s wohl thun;“ „nein ſagte der Mann, ich habe kein M 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/200>, abgerufen am 28.03.2024.