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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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meines Vaters Königreich verloren und kann
nicht wieder nach Haus kommen." Da sprach's
aus dem Eisen-Ofen: "ich will dir wieder nach
Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich
willst unterschreiben, zu thun, was ich verlange. Ich
bin ein größerer Königssohn, als du eine Königs-
tochter und will dich heirathen." Da erschrak
sie und dachte: "lieber Gott, was soll ich mit
dem Eisen-Ofen anfangen!" weil sie aber gern
wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterschrieb
sie sich doch, zu thun, was er verlangte. Er
sprach aber: "du sollst wiederkommen, ein Mes-
ser mitbringen und ein Loch in das Eisen schrap-
pen; dann gab er ihr jemand zum Gefährten, der
ging nebenher und sprach nicht, er brachte sie aber
in zwei Stunden nach Haus. Nun war große
Freude am Schloß, als die Prinzessin wieder kam
und der alte König fiel ihr um den Hals und küßte
sie. Sie war aber sehr betrübt und sprach: "lie-
ber Vater, wie mir's gegangen hat! ich wär'
nicht wieder nach Haus gekommen aus dem gro-
ßen wilden Walde, wann ich nicht wär' bei einem
eisernen Ofen gekommen, dem habe ich mich müs-
sen dafür unterschreiben, daß ich wollte wieder zu
ihm zurückkehren, ihn erlösen und heirathen." Da
erschrack der alte König so sehr, daß er beinahe in
eine Ohnmacht gefallen wäre, denn er hatte nur
die einige Tochter. Berathschlagten sich also, sie
wollten die Müllerstochter, die schön wär', an

meines Vaters Koͤnigreich verloren und kann
nicht wieder nach Haus kommen.“ Da ſprach’s
aus dem Eiſen-Ofen: „ich will dir wieder nach
Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich
willſt unterſchreiben, zu thun, was ich verlange. Ich
bin ein groͤßerer Koͤnigsſohn, als du eine Koͤnigs-
tochter und will dich heirathen.“ Da erſchrak
ſie und dachte: „lieber Gott, was ſoll ich mit
dem Eiſen-Ofen anfangen!“ weil ſie aber gern
wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterſchrieb
ſie ſich doch, zu thun, was er verlangte. Er
ſprach aber: „du ſollſt wiederkommen, ein Meſ-
ſer mitbringen und ein Loch in das Eiſen ſchrap-
pen; dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten, der
ging nebenher und ſprach nicht, er brachte ſie aber
in zwei Stunden nach Haus. Nun war große
Freude am Schloß, als die Prinzeſſin wieder kam
und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals und kuͤßte
ſie. Sie war aber ſehr betruͤbt und ſprach: „lie-
ber Vater, wie mir’s gegangen hat! ich waͤr’
nicht wieder nach Haus gekommen aus dem gro-
ßen wilden Walde, wann ich nicht waͤr’ bei einem
eiſernen Ofen gekommen, dem habe ich mich muͤſ-
ſen dafuͤr unterſchreiben, daß ich wollte wieder zu
ihm zuruͤckkehren, ihn erloͤſen und heirathen.“ Da
erſchrack der alte Koͤnig ſo ſehr, daß er beinahe in
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[212/0233] meines Vaters Koͤnigreich verloren und kann nicht wieder nach Haus kommen.“ Da ſprach’s aus dem Eiſen-Ofen: „ich will dir wieder nach Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich willſt unterſchreiben, zu thun, was ich verlange. Ich bin ein groͤßerer Koͤnigsſohn, als du eine Koͤnigs- tochter und will dich heirathen.“ Da erſchrak ſie und dachte: „lieber Gott, was ſoll ich mit dem Eiſen-Ofen anfangen!“ weil ſie aber gern wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterſchrieb ſie ſich doch, zu thun, was er verlangte. Er ſprach aber: „du ſollſt wiederkommen, ein Meſ- ſer mitbringen und ein Loch in das Eiſen ſchrap- pen; dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten, der ging nebenher und ſprach nicht, er brachte ſie aber in zwei Stunden nach Haus. Nun war große Freude am Schloß, als die Prinzeſſin wieder kam und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals und kuͤßte ſie. Sie war aber ſehr betruͤbt und ſprach: „lie- ber Vater, wie mir’s gegangen hat! ich waͤr’ nicht wieder nach Haus gekommen aus dem gro- ßen wilden Walde, wann ich nicht waͤr’ bei einem eiſernen Ofen gekommen, dem habe ich mich muͤſ- ſen dafuͤr unterſchreiben, daß ich wollte wieder zu ihm zuruͤckkehren, ihn erloͤſen und heirathen.“ Da erſchrack der alte Koͤnig ſo ſehr, daß er beinahe in eine Ohnmacht gefallen waͤre, denn er hatte nur die einige Tochter. Berathſchlagten ſich alſo, ſie wollten die Muͤllerstochter, die ſchoͤn waͤr’, an

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/233>, abgerufen am 25.04.2024.