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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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das Gebüsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief
hinauf:

"wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt, der verdirbt!"

Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile
nieder und dachte nach, was das wohl zu bedeu-
ten habe. "Ei was, sprach er endlich, was wird's
gewesen seyn, es hat dir in den Ohren geklungen,
mach dir keine unnöthige Furcht;" also ergriff er
die Axt von neuem und wollte zuhauen, da rief's
wieder unten:

"wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt, der verdirbt!"

Er hielt ein, kriegte Angst und Bang und sann
dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei
war, kam ihm das Herz wieder und er langte
zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen.
Aber zum drittenmal rief's und sprach's laut:

"wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt, der verdirbt!"

Da hatte er's genug und alle Lust war ihm ver-
gangen, so daß er eilends den Baum herunter-
stieg und sich auf den Heimweg machte. Die
Frau lief, was sie konnte, auf Nebenwegen, damit
sie eher nach Haus käme; wie er nun in die Stube
trat, that sie unschuldig, als wäre nichts vorge-
fallen und sagte: "nun bringst du ein gutes Has-

das Gebuͤſch, wo er ſie nicht ſehen konnte und rief
hinauf:

„wer Haſpelholz haut, der ſtirbt,
wer da haſpelt, der verdirbt!“

Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile
nieder und dachte nach, was das wohl zu bedeu-
ten habe. „Ei was, ſprach er endlich, was wird’s
geweſen ſeyn, es hat dir in den Ohren geklungen,
mach dir keine unnoͤthige Furcht;“ alſo ergriff er
die Axt von neuem und wollte zuhauen, da rief’s
wieder unten:

„wer Haſpelholz haut, der ſtirbt,
wer da haſpelt, der verdirbt!“

Er hielt ein, kriegte Angſt und Bang und ſann
dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei
war, kam ihm das Herz wieder und er langte
zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen.
Aber zum drittenmal rief’s und ſprach’s laut:

„wer Haſpelholz haut, der ſtirbt,
wer da haſpelt, der verdirbt!“

Da hatte er’s genug und alle Luſt war ihm ver-
gangen, ſo daß er eilends den Baum herunter-
ſtieg und ſich auf den Heimweg machte. Die
Frau lief, was ſie konnte, auf Nebenwegen, damit
ſie eher nach Haus kaͤme; wie er nun in die Stube
trat, that ſie unſchuldig, als waͤre nichts vorge-
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[221/0242] das Gebuͤſch, wo er ſie nicht ſehen konnte und rief hinauf: „wer Haſpelholz haut, der ſtirbt, wer da haſpelt, der verdirbt!“ Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach, was das wohl zu bedeu- ten habe. „Ei was, ſprach er endlich, was wird’s geweſen ſeyn, es hat dir in den Ohren geklungen, mach dir keine unnoͤthige Furcht;“ alſo ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da rief’s wieder unten: „wer Haſpelholz haut, der ſtirbt, wer da haſpelt, der verdirbt!“ Er hielt ein, kriegte Angſt und Bang und ſann dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei war, kam ihm das Herz wieder und er langte zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen. Aber zum drittenmal rief’s und ſprach’s laut: „wer Haſpelholz haut, der ſtirbt, wer da haſpelt, der verdirbt!“ Da hatte er’s genug und alle Luſt war ihm ver- gangen, ſo daß er eilends den Baum herunter- ſtieg und ſich auf den Heimweg machte. Die Frau lief, was ſie konnte, auf Nebenwegen, damit ſie eher nach Haus kaͤme; wie er nun in die Stube trat, that ſie unſchuldig, als waͤre nichts vorge- fallen und ſagte: „nun bringſt du ein gutes Has-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/242>, abgerufen am 25.04.2024.