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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Vater, und nun müssen wir zwei auch daran und
ihm helfen hüten." Dann stieg er mit ihr in ein
Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den
Wirthsleuten, heut' Nacht sollten sie der Prin-
zessin die Kleider wegnehmen. Wie sie nun am
Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und
die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein
paar alte wollene Strümpfe, und that noch, als
wärs ein großes Geschenk. Da glaubte die Prin-
zessin, er sey wirklich ein Schweinehirt, und hü-
tete mit ihm die Heerde, und sprach: "ich habe
es verdient mit meinem Stolz." Das dauerte
acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten,
denn die Füße waren ihr ganz wund geworden.
Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie
recht wüßte, wer ihr Mann wäre? Da sagte sie:
"ja, ein Schweinehirt, er ist eben ausgegangen,
mit ein wenig Band zu handeln." Sie baten
sie aber mitzugehen, und führten sie ins Schloß
hinauf, und wie sie in den Saal kam, stand da
der Prinz in königlichen Kleidern. Sie erkannte
ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel und
sie küßte, und sprach: "ich habe so viel für dich
gelitten, da hast du auch für mich leiden sollen."
Nun ward erst recht die Hochzeit gefeiert, und
der's erzählt hat, wollte, er wär' auch dabei ge-
wesen.

Vater, und nun muͤſſen wir zwei auch daran und
ihm helfen huͤten.“ Dann ſtieg er mit ihr in ein
Wirthshaus ab, und ſagte heimlich zu den
Wirthsleuten, heut’ Nacht ſollten ſie der Prin-
zeſſin die Kleider wegnehmen. Wie ſie nun am
Morgen aufwachte, hatte ſie nichts anzuthun und
die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein
paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als
waͤrs ein großes Geſchenk. Da glaubte die Prin-
zeſſin, er ſey wirklich ein Schweinehirt, und huͤ-
tete mit ihm die Heerde, und ſprach: „ich habe
es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte
acht Tage, da konnte ſie es nicht mehr aushalten,
denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden.
Da kamen ein paar Leute und fragten, ob ſie
recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? Da ſagte ſie:
„ja, ein Schweinehirt, er iſt eben ausgegangen,
mit ein wenig Band zu handeln.“ Sie baten
ſie aber mitzugehen, und fuͤhrten ſie ins Schloß
hinauf, und wie ſie in den Saal kam, ſtand da
der Prinz in koͤniglichen Kleidern. Sie erkannte
ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel und
ſie kuͤßte, und ſprach: „ich habe ſo viel fuͤr dich
gelitten, da haſt du auch fuͤr mich leiden ſollen.“
Nun ward erſt recht die Hochzeit gefeiert, und
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[252/0273] Vater, und nun muͤſſen wir zwei auch daran und ihm helfen huͤten.“ Dann ſtieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und ſagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut’ Nacht ſollten ſie der Prin- zeſſin die Kleider wegnehmen. Wie ſie nun am Morgen aufwachte, hatte ſie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geſchenk. Da glaubte die Prin- zeſſin, er ſey wirklich ein Schweinehirt, und huͤ- tete mit ihm die Heerde, und ſprach: „ich habe es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte acht Tage, da konnte ſie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob ſie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? Da ſagte ſie: „ja, ein Schweinehirt, er iſt eben ausgegangen, mit ein wenig Band zu handeln.“ Sie baten ſie aber mitzugehen, und fuͤhrten ſie ins Schloß hinauf, und wie ſie in den Saal kam, ſtand da der Prinz in koͤniglichen Kleidern. Sie erkannte ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel und ſie kuͤßte, und ſprach: „ich habe ſo viel fuͤr dich gelitten, da haſt du auch fuͤr mich leiden ſollen.“ Nun ward erſt recht die Hochzeit gefeiert, und der’s erzaͤhlt hat, wollte, er waͤr’ auch dabei ge- weſen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/273>, abgerufen am 16.04.2024.