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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Der Küchenjunge antwortete:

"Die sitzt warm ins Königs Arm."

Sagte die Ente:

"Daß Gott erbarm!"

und schwamm den Gossenstein hinaus.

Den folgenden Abend kam sie wieder und
that dieselben Fragen und den dritten Abend noch
einmal. Da konnte es der Küchenjunge nicht
länger übers Herz bringen und sagte dem König
alles. Der König aber ging den andern Abend
hin und wie die Ente den Kopf durch den Gossen-
stein herein streckte, nahm er sein Schwert und
hieb ihr den Hals durch, da wurde sie auf einmal
zum schönsten Mädchen, und glich genau dem
Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte.
Der König aber war voll Freuden und weil sie
ganz naß dastand, ließ er ihr köstliche Kleider
bringen, als sie die angethan hatte, erzählte sie
ihm, wie sie in den Fluß war hinab geworfen wor-
den, und die erste Bitte, die sie that, war, daß ihr
Bruder aus der Schlangenhöhle herausgeholt
würde, welches auch gleich geschah. Aber der
König ging in die Kammer, wo die alte Hexe
saß, und fragte: "was verdient die, welche das
und das thut?" indem er den ganzen Hergang
erzählte. Da war sie verblendet, merkte nichts
und sprach: "die verdient, daß man sie nackt aus-
zieht und in ein Faß mit Nägeln legt und vor das

Der Kuͤchenjunge antwortete:

„Die ſitzt warm ins Koͤnigs Arm.“

Sagte die Ente:

„Daß Gott erbarm!“

und ſchwamm den Goſſenſtein hinaus.

Den folgenden Abend kam ſie wieder und
that dieſelben Fragen und den dritten Abend noch
einmal. Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht
laͤnger uͤbers Herz bringen und ſagte dem Koͤnig
alles. Der Koͤnig aber ging den andern Abend
hin und wie die Ente den Kopf durch den Goſſen-
ſtein herein ſtreckte, nahm er ſein Schwert und
hieb ihr den Hals durch, da wurde ſie auf einmal
zum ſchoͤnſten Maͤdchen, und glich genau dem
Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte.
Der Koͤnig aber war voll Freuden und weil ſie
ganz naß daſtand, ließ er ihr koͤſtliche Kleider
bringen, als ſie die angethan hatte, erzaͤhlte ſie
ihm, wie ſie in den Fluß war hinab geworfen wor-
den, und die erſte Bitte, die ſie that, war, daß ihr
Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt
wuͤrde, welches auch gleich geſchah. Aber der
Koͤnig ging in die Kammer, wo die alte Hexe
ſaß, und fragte: „was verdient die, welche das
und das thut?“ indem er den ganzen Hergang
erzaͤhlte. Da war ſie verblendet, merkte nichts
und ſprach: „die verdient, daß man ſie nackt aus-
zieht und in ein Faß mit Naͤgeln legt und vor das

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[258/0279] Der Kuͤchenjunge antwortete: „Die ſitzt warm ins Koͤnigs Arm.“ Sagte die Ente: „Daß Gott erbarm!“ und ſchwamm den Goſſenſtein hinaus. Den folgenden Abend kam ſie wieder und that dieſelben Fragen und den dritten Abend noch einmal. Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht laͤnger uͤbers Herz bringen und ſagte dem Koͤnig alles. Der Koͤnig aber ging den andern Abend hin und wie die Ente den Kopf durch den Goſſen- ſtein herein ſtreckte, nahm er ſein Schwert und hieb ihr den Hals durch, da wurde ſie auf einmal zum ſchoͤnſten Maͤdchen, und glich genau dem Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte. Der Koͤnig aber war voll Freuden und weil ſie ganz naß daſtand, ließ er ihr koͤſtliche Kleider bringen, als ſie die angethan hatte, erzaͤhlte ſie ihm, wie ſie in den Fluß war hinab geworfen wor- den, und die erſte Bitte, die ſie that, war, daß ihr Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt wuͤrde, welches auch gleich geſchah. Aber der Koͤnig ging in die Kammer, wo die alte Hexe ſaß, und fragte: „was verdient die, welche das und das thut?“ indem er den ganzen Hergang erzaͤhlte. Da war ſie verblendet, merkte nichts und ſprach: „die verdient, daß man ſie nackt aus- zieht und in ein Faß mit Naͤgeln legt und vor das

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/279>, abgerufen am 29.03.2024.