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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Armen aber lebten vergnügt, still und fromm bis
an ihr seliges Ende.

2.
Das singende, springende Löweneckerchen.

Es war einmal ein Mann, der hatte eine
große Reise vor und beim Abschied fragte er seine
drei Töchter, was er ihnen mitbringen sollte.
Da wollte die älteste Perlen, die zweite Diaman-
ten, die dritte aber sprach: "lieber Vater, ich
wünsche mir ein singendes, springendes Löwen-
eckerchen (Lerche.)" Der Vater sagte: "ja,
wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben"
küßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit
kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte
er Perlen und Diamanten für die zwei ältesten,
aber das singende, springende Löweneckerchen für
die jüngste hatte er umsonst aller Orten gesucht,
und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes
Kind. Da führte ihn sein Weg durch einen
Wald und mitten darin war ein prächtiges Schloß
und nah' am Schloß stand ein Baum, ganz oben
auf der Spitze des Baums aber sah er ein Löwen-
eckerchen singen und springen. "Ei! du kommst
mir noch recht!" sagte er und war froh und rief
seinem Diener, er sollte hinaufsteigen und das
Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum

Armen aber lebten vergnuͤgt, ſtill und fromm bis
an ihr ſeliges Ende.

2.
Das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen.

Es war einmal ein Mann, der hatte eine
große Reiſe vor und beim Abſchied fragte er ſeine
drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen ſollte.
Da wollte die aͤlteſte Perlen, die zweite Diaman-
ten, die dritte aber ſprach: „lieber Vater, ich
wuͤnſche mir ein ſingendes, ſpringendes Loͤwen-
eckerchen (Lerche.)“ Der Vater ſagte: „ja,
wenn ich es kriegen kann, ſollſt du es haben“
kuͤßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit
kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte
er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤlteſten,
aber das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen fuͤr
die juͤngſte hatte er umſonſt aller Orten geſucht,
und das that ihm leid, denn ſie war ſein liebſtes
Kind. Da fuͤhrte ihn ſein Weg durch einen
Wald und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß
und nah’ am Schloß ſtand ein Baum, ganz oben
auf der Spitze des Baums aber ſah er ein Loͤwen-
eckerchen ſingen und ſpringen. „Ei! du kommſt
mir noch recht!“ ſagte er und war froh und rief
ſeinem Diener, er ſollte hinaufſteigen und das
Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum

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[7/0028] Armen aber lebten vergnuͤgt, ſtill und fromm bis an ihr ſeliges Ende. 2. Das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen. Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reiſe vor und beim Abſchied fragte er ſeine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen ſollte. Da wollte die aͤlteſte Perlen, die zweite Diaman- ten, die dritte aber ſprach: „lieber Vater, ich wuͤnſche mir ein ſingendes, ſpringendes Loͤwen- eckerchen (Lerche.)“ Der Vater ſagte: „ja, wenn ich es kriegen kann, ſollſt du es haben“ kuͤßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤlteſten, aber das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngſte hatte er umſonſt aller Orten geſucht, und das that ihm leid, denn ſie war ſein liebſtes Kind. Da fuͤhrte ihn ſein Weg durch einen Wald und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß und nah’ am Schloß ſtand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber ſah er ein Loͤwen- eckerchen ſingen und ſpringen. „Ei! du kommſt mir noch recht!“ ſagte er und war froh und rief ſeinem Diener, er ſollte hinaufſteigen und das Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/28>, abgerufen am 19.04.2024.