Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Huhn: Kickeriki! Das Märchen ist ausver-
zählt, kickeriki!

68.
Das Dietmarsische Lügen-Märchen.

Ich will euch etwas erzählen: ich sah zwei
gebratene Hühner fliegen, flogen schnell und hat-
ten die Bäuche gen Himmel gekehrt, die Rücken
nach der Hölle, und ein Amboß und ein Mühl-
stein die schwammen über den Rhein, fein lang-
sam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine
Pflugschaar zu Pfingsten auf dem Eis; da wa-
ren drei Kerls, wollten einen Hasen fangen, gin-
gen auf Krücken und Stelzen, der eine war taub,
der zweite blind, der dritte stumm und der vierte
konnte keinen Fuß rühren. Wollt' ihr wissen,
wie das geschah? Der Blinde der sah zuerst den
Hasen über Feld traben, der Stumme der rief
dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim
Kragen. Etliche die wollten zu Land segeln und
spannten die Segel im Wind, und schifften über
große Aecker hin, da segelten sie über einen hohen
Berg, da mußten sie elendig versaufen. Ein
Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch
auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf ge-
stiegen; in dem Land sind die Fliegen so groß,
als hier zu Land die Ziegen.

ein Huhn: Kickeriki! Das Maͤrchen iſt ausver-
zaͤhlt, kickeriki!

68.
Das Dietmarſiſche Luͤgen-Maͤrchen.

Ich will euch etwas erzaͤhlen: ich ſah zwei
gebratene Huͤhner fliegen, flogen ſchnell und hat-
ten die Baͤuche gen Himmel gekehrt, die Ruͤcken
nach der Hoͤlle, und ein Amboß und ein Muͤhl-
ſtein die ſchwammen uͤber den Rhein, fein lang-
ſam und leiſe, und ein Froſch ſaß und fraß eine
Pflugſchaar zu Pfingſten auf dem Eis; da wa-
ren drei Kerls, wollten einen Haſen fangen, gin-
gen auf Kruͤcken und Stelzen, der eine war taub,
der zweite blind, der dritte ſtumm und der vierte
konnte keinen Fuß ruͤhren. Wollt’ ihr wiſſen,
wie das geſchah? Der Blinde der ſah zuerſt den
Haſen uͤber Feld traben, der Stumme der rief
dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim
Kragen. Etliche die wollten zu Land ſegeln und
ſpannten die Segel im Wind, und ſchifften uͤber
große Aecker hin, da ſegelten ſie uͤber einen hohen
Berg, da mußten ſie elendig verſaufen. Ein
Krebs jagte einen Haſen in die Flucht, und hoch
auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf ge-
ſtiegen; in dem Land ſind die Fliegen ſo groß,
als hier zu Land die Ziegen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0317" n="296"/>
ein Huhn: Kickeriki! Das Ma&#x0364;rchen i&#x017F;t ausver-<lb/>
za&#x0364;hlt, kickeriki!</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>68.<lb/>
Das Dietmar&#x017F;i&#x017F;che Lu&#x0364;gen-Ma&#x0364;rchen.</head><lb/>
        <p>Ich will euch etwas erza&#x0364;hlen: ich &#x017F;ah zwei<lb/>
gebratene Hu&#x0364;hner fliegen, flogen &#x017F;chnell und hat-<lb/>
ten die Ba&#x0364;uche gen Himmel gekehrt, die Ru&#x0364;cken<lb/>
nach der Ho&#x0364;lle, und ein Amboß und ein Mu&#x0364;hl-<lb/>
&#x017F;tein die &#x017F;chwammen u&#x0364;ber den Rhein, fein lang-<lb/>
&#x017F;am und lei&#x017F;e, und ein Fro&#x017F;ch &#x017F;aß und fraß eine<lb/>
Pflug&#x017F;chaar zu Pfing&#x017F;ten auf dem Eis; da wa-<lb/>
ren drei Kerls, wollten einen Ha&#x017F;en fangen, gin-<lb/>
gen auf Kru&#x0364;cken und Stelzen, der eine war taub,<lb/>
der zweite blind, der dritte &#x017F;tumm und der vierte<lb/>
konnte keinen Fuß ru&#x0364;hren. Wollt&#x2019; ihr wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wie das ge&#x017F;chah? Der Blinde der &#x017F;ah zuer&#x017F;t den<lb/>
Ha&#x017F;en u&#x0364;ber Feld traben, der Stumme der rief<lb/>
dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim<lb/>
Kragen. Etliche die wollten zu Land &#x017F;egeln und<lb/>
&#x017F;pannten die Segel im Wind, und &#x017F;chifften u&#x0364;ber<lb/>
große Aecker hin, da &#x017F;egelten &#x017F;ie u&#x0364;ber einen hohen<lb/>
Berg, da mußten &#x017F;ie elendig ver&#x017F;aufen. Ein<lb/>
Krebs jagte einen Ha&#x017F;en in die Flucht, und hoch<lb/>
auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf ge-<lb/>
&#x017F;tiegen; in dem Land &#x017F;ind die Fliegen &#x017F;o groß,<lb/>
als hier zu Land die Ziegen.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0317] ein Huhn: Kickeriki! Das Maͤrchen iſt ausver- zaͤhlt, kickeriki! 68. Das Dietmarſiſche Luͤgen-Maͤrchen. Ich will euch etwas erzaͤhlen: ich ſah zwei gebratene Huͤhner fliegen, flogen ſchnell und hat- ten die Baͤuche gen Himmel gekehrt, die Ruͤcken nach der Hoͤlle, und ein Amboß und ein Muͤhl- ſtein die ſchwammen uͤber den Rhein, fein lang- ſam und leiſe, und ein Froſch ſaß und fraß eine Pflugſchaar zu Pfingſten auf dem Eis; da wa- ren drei Kerls, wollten einen Haſen fangen, gin- gen auf Kruͤcken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte ſtumm und der vierte konnte keinen Fuß ruͤhren. Wollt’ ihr wiſſen, wie das geſchah? Der Blinde der ſah zuerſt den Haſen uͤber Feld traben, der Stumme der rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche die wollten zu Land ſegeln und ſpannten die Segel im Wind, und ſchifften uͤber große Aecker hin, da ſegelten ſie uͤber einen hohen Berg, da mußten ſie elendig verſaufen. Ein Krebs jagte einen Haſen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf ge- ſtiegen; in dem Land ſind die Fliegen ſo groß, als hier zu Land die Ziegen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/317
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/317>, abgerufen am 28.03.2024.