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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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21.
Die Krähen.

(Aus dem Meckelnburg.) In Pauli's Schimpf
und Ernst Cap. 464 einfach: ein Diener wird von
seinem Herrn an einen Baum gebunden, böse Gei-
ster
, die sich Nachts da versammeln, sprechen, daß
ein Kraut, welches unter dem Baum wächst, das
Gesicht wieder gebe; nachdem er sich geheilt, macht er
damit auch eines reichen Mannes Tochter wieder se-
hend und erhält sie mit großen Gütern zur Ehe.
Sein voriger Herr will sich auch solchen Reichthum
verschaffen, geht zum Baum, wo ihm Nachts die
Geister die Augen ausstechen. In der Braunschw.
Sammlung mit dem unsrigen übereinstimmender,
aber schlecht verneuert. S. 168 -- 180. Krähen, die
auf dem Baume sitzend, von Augen aushacken, spre-
chen auch in Helwigs jüdischen Legenden Nr. 23. hier,
indem sie dem Blinden sagen, was er thun soll, glei-
chen sie den Vögeln, die dem Sigurd guten Rath ge-
ben (s. Fafnismal und Anmerkg. zu Str. 32.) der
frischgefallene Thau, der das Gesicht wieder gibt,
ist das Reine, das alles heilt, der Speichel,
womit der Herr dem Blinden das Gesicht wieder
gab und das unschuldige Kinder- oder Jungfrauen-
Blut, wodurch die Miselsüchtigen genesen.

22.
Hans mein Igel.

(Aus Zwehrn.) Ist König Porc bei Straparola
(II. 1.) doch hier besser, fantastischer und ursprüng-
licher, nur sollte Hans noch einem König den Weg
gezeigt haben und betrogen seyn, damit er erst, wie
bey Straparola, das drittemal erlöst würde. Igel,
Stachelschwein und Schwein sind mythisch eins, wie
Porc und Porcaril; unten in einer andern einfachen,
aber auch guten Darstellung ist es ein Esel (Nr. 58.).
Diese beiden Märchen machen mit Nr. 1. und 68.
im ersten Band und Nr. 2 13 und 41 in diesem eine
Reihe naher Verwandtschaft aus, an welche sich wie-

21.
Die Kraͤhen.

(Aus dem Meckelnburg.) In Pauli’s Schimpf
und Ernſt Cap. 464 einfach: ein Diener wird von
ſeinem Herrn an einen Baum gebunden, boͤſe Gei-
ſter
, die ſich Nachts da verſammeln, ſprechen, daß
ein Kraut, welches unter dem Baum waͤchſt, das
Geſicht wieder gebe; nachdem er ſich geheilt, macht er
damit auch eines reichen Mannes Tochter wieder ſe-
hend und erhaͤlt ſie mit großen Guͤtern zur Ehe.
Sein voriger Herr will ſich auch ſolchen Reichthum
verſchaffen, geht zum Baum, wo ihm Nachts die
Geiſter die Augen ausſtechen. In der Braunſchw.
Sammlung mit dem unſrigen uͤbereinſtimmender,
aber ſchlecht verneuert. S. 168 — 180. Kraͤhen, die
auf dem Baume ſitzend, von Augen aushacken, ſpre-
chen auch in Helwigs juͤdiſchen Legenden Nr. 23. hier,
indem ſie dem Blinden ſagen, was er thun ſoll, glei-
chen ſie den Voͤgeln, die dem Sigurd guten Rath ge-
ben (ſ. Fafnismal und Anmerkg. zu Str. 32.) der
friſchgefallene Thau, der das Geſicht wieder gibt,
iſt das Reine, das alles heilt, der Speichel,
womit der Herr dem Blinden das Geſicht wieder
gab und das unſchuldige Kinder- oder Jungfrauen-
Blut, wodurch die Miſelſuͤchtigen geneſen.

22.
Hans mein Igel.

(Aus Zwehrn.) Iſt Koͤnig Porc bei Straparola
(II. 1.) doch hier beſſer, fantaſtiſcher und urſpruͤng-
licher, nur ſollte Hans noch einem Koͤnig den Weg
gezeigt haben und betrogen ſeyn, damit er erſt, wie
bey Straparola, das drittemal erloͤſt wuͤrde. Igel,
Stachelſchwein und Schwein ſind mythiſch eins, wie
Porc und Porcaril; unten in einer andern einfachen,
aber auch guten Darſtellung iſt es ein Eſel (Nr. 58.).
Dieſe beiden Maͤrchen machen mit Nr. 1. und 68.
im erſten Band und Nr. 2 13 und 41 in dieſem eine
Reihe naher Verwandtſchaft aus, an welche ſich wie-

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[XXV/0344] 21. Die Kraͤhen. (Aus dem Meckelnburg.) In Pauli’s Schimpf und Ernſt Cap. 464 einfach: ein Diener wird von ſeinem Herrn an einen Baum gebunden, boͤſe Gei- ſter, die ſich Nachts da verſammeln, ſprechen, daß ein Kraut, welches unter dem Baum waͤchſt, das Geſicht wieder gebe; nachdem er ſich geheilt, macht er damit auch eines reichen Mannes Tochter wieder ſe- hend und erhaͤlt ſie mit großen Guͤtern zur Ehe. Sein voriger Herr will ſich auch ſolchen Reichthum verſchaffen, geht zum Baum, wo ihm Nachts die Geiſter die Augen ausſtechen. In der Braunſchw. Sammlung mit dem unſrigen uͤbereinſtimmender, aber ſchlecht verneuert. S. 168 — 180. Kraͤhen, die auf dem Baume ſitzend, von Augen aushacken, ſpre- chen auch in Helwigs juͤdiſchen Legenden Nr. 23. hier, indem ſie dem Blinden ſagen, was er thun ſoll, glei- chen ſie den Voͤgeln, die dem Sigurd guten Rath ge- ben (ſ. Fafnismal und Anmerkg. zu Str. 32.) der friſchgefallene Thau, der das Geſicht wieder gibt, iſt das Reine, das alles heilt, der Speichel, womit der Herr dem Blinden das Geſicht wieder gab und das unſchuldige Kinder- oder Jungfrauen- Blut, wodurch die Miſelſuͤchtigen geneſen. 22. Hans mein Igel. (Aus Zwehrn.) Iſt Koͤnig Porc bei Straparola (II. 1.) doch hier beſſer, fantaſtiſcher und urſpruͤng- licher, nur ſollte Hans noch einem Koͤnig den Weg gezeigt haben und betrogen ſeyn, damit er erſt, wie bey Straparola, das drittemal erloͤſt wuͤrde. Igel, Stachelſchwein und Schwein ſind mythiſch eins, wie Porc und Porcaril; unten in einer andern einfachen, aber auch guten Darſtellung iſt es ein Eſel (Nr. 58.). Dieſe beiden Maͤrchen machen mit Nr. 1. und 68. im erſten Band und Nr. 2 13 und 41 in dieſem eine Reihe naher Verwandtſchaft aus, an welche ſich wie-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/344>, abgerufen am 29.03.2024.