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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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ich wieder fort gehen." Da war der Bauer froh
und spannte seine zwei Pferde vor den Wagen,
fuhr zum Schmid und holte einen Stab so groß
und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren
konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die
Knie und ratsch! zerbrach er ihn wie eine Boh-
nenstange in der Mitte entzwei. Der Vater
spannte da vier Pferde vor und holte einen Stab
so groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren
konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn
vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und sprach:
"Vater, der kann mir nicht helfen, er muß bes-
ser vorspannen und einen stärkern Stab holen."
Da spannte der Vater acht Pferde vor und holte
einen so groß und dick, als ihn die acht Pferde
nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte,
brach er gleich oben ein Stück davon ab und sagte:
"Vater, ich sehe, er kann mir doch keinen Stab
anschaffen, ich will nur so weggehen."

Da ging er fort und gab sich für einen
Schmiedegesellen aus. Er kam in ein Dorf,
darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitz-
mann, gönnte keinem Menschen etwas und wollte
alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede
und fragte ihn, ob er keinen Gesellen brauche.
"Ja, sagte der Schmied und sah ihn an und dachte,
das ist ein tüchtiger Kerl, der wird gut vorschla-
gen und sein Brot verdienen: "wie viel willst du
Lohn haben?" "Gar keinen Lohn will ich haben,

ich wieder fort gehen.“ Da war der Bauer froh
und ſpannte ſeine zwei Pferde vor den Wagen,
fuhr zum Schmid und holte einen Stab ſo groß
und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren
konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die
Knie und ratſch! zerbrach er ihn wie eine Boh-
nenſtange in der Mitte entzwei. Der Vater
ſpannte da vier Pferde vor und holte einen Stab
ſo groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren
konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn
vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und ſprach:
„Vater, der kann mir nicht helfen, er muß beſ-
ſer vorſpannen und einen ſtaͤrkern Stab holen.“
Da ſpannte der Vater acht Pferde vor und holte
einen ſo groß und dick, als ihn die acht Pferde
nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte,
brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab und ſagte:
„Vater, ich ſehe, er kann mir doch keinen Stab
anſchaffen, ich will nur ſo weggehen.“

Da ging er fort und gab ſich fuͤr einen
Schmiedegeſellen aus. Er kam in ein Dorf,
darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitz-
mann, goͤnnte keinem Menſchen etwas und wollte
alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede
und fragte ihn, ob er keinen Geſellen brauche.
„Ja, ſagte der Schmied und ſah ihn an und dachte,
das iſt ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorſchla-
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[29/0050] ich wieder fort gehen.“ Da war der Bauer froh und ſpannte ſeine zwei Pferde vor den Wagen, fuhr zum Schmid und holte einen Stab ſo groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratſch! zerbrach er ihn wie eine Boh- nenſtange in der Mitte entzwei. Der Vater ſpannte da vier Pferde vor und holte einen Stab ſo groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und ſprach: „Vater, der kann mir nicht helfen, er muß beſ- ſer vorſpannen und einen ſtaͤrkern Stab holen.“ Da ſpannte der Vater acht Pferde vor und holte einen ſo groß und dick, als ihn die acht Pferde nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte, brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab und ſagte: „Vater, ich ſehe, er kann mir doch keinen Stab anſchaffen, ich will nur ſo weggehen.“ Da ging er fort und gab ſich fuͤr einen Schmiedegeſellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitz- mann, goͤnnte keinem Menſchen etwas und wollte alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede und fragte ihn, ob er keinen Geſellen brauche. „Ja, ſagte der Schmied und ſah ihn an und dachte, das iſt ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorſchla- gen und ſein Brot verdienen: „wie viel willſt du Lohn haben?“ „Gar keinen Lohn will ich haben,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/50>, abgerufen am 24.04.2024.